Neues bei Migräne und Lupus |
Sven Siebenand |
15.03.2023 08:30 Uhr |
Für Migräne-Patienten, die gleichzeitig unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, gibt es eine neue Behandlungsoption: Lasmiditan wirkt in den peripheren Blutgefäßen nicht vasokonstriktorisch. / Foto: Getty Images/Phynart Studio
Die Klasse der Triptane ist seit vielen Jahren aus der Akutbehandlung von Migräne bekannt. Die Wirkstoffe haben aber einen bedeutenden Nachteil: Sie sind bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kontraindiziert, da sie nicht nur Gefäße im Schädel, sondern auch periphere Gefäße kontrahieren. Nun ist eine erste Substanz einer neuen Wirkstoffklasse zur Akutbehandlung der Kopfschmerzphase bei Migräne auf den Markt gekommen, die keine Wirkung auf die peripheren Blutgefäße hat: Lasmiditan (Rayvow® Filmtabletten, Lilly).
Wie die Triptane wirkt Lasmiditan am Serotoninrezeptor, allerdings nicht an den Subtypen 5-HT1B und 5-HT1D, sondern selektiv als Agonist an 5-HT1F. Der exakte Wirkmechanismus ist nicht bekannt, aber die Wirkungen von Lasmiditan beinhalten vermutlich agonistische Wirkungen am 5-HT1F-Rezeptor, eine Verringerung der Freisetzung von Neuropeptiden und eine Hemmung von Schmerzwegen, einschließlich des Trigeminusnervs. Da es keinen vasokonstriktiven Effekt in den peripheren Blutgefäßen gibt, kann Lasmiditan auch bei einer zusätzlichen Herz-Kreislauf-Erkrankung eingesetzt werden.
Zugelassen ist Lasmiditan zur Akutbehandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneattacken mit oder ohne Aura bei Erwachsenen. Generell beträgt die empfohlene Initialdosis 100 mg. Falls erforderlich, kann die Dosis für eine stärkere Wirksamkeit auf 200 mg erhöht oder für eine bessere Verträglichkeit auf 50 mg verringert werden. Sollte der Migränekopfschmerz nach Einnahme von 50 mg oder 100 mg Lasmiditan innerhalb von 24 Stunden nach dem ersten Ansprechen erneut auftreten, können Patienten eine zweite Dosis derselben Stärke einnehmen. Die Anwendung der zweiten Dosis sollte dabei aber nicht innerhalb von zwei Stunden nach der ersten Einnahme erfolgen. Wichtig: Patienten dürfen nicht mehr als 200 mg innerhalb von 24 Stunden einnehmen. Wenn ein Patient auf die erste Dosis nicht anspricht, ist es unwahrscheinlich, dass eine zweite Dosis bei derselben Attacke von Nutzen ist. Das Apothekenteam kann den Hinweis geben, dass die Einnahme der Filmtabletten mit oder ohne Nahrung erfolgen kann.
Die Fachinformation von Rayvow gibt Hinweise zu einigen beratungsrelevanten Aspekten: So ist die klinische Erfahrung zur Anwendung des neuen Wirkstoffs in zeitlicher Nähe zu Triptanen begrenzt. Die Risiken, ein Serotonin-Syndrom zu entwickeln, können sich addieren. Deshalb ist Vorsicht geboten. Dies gilt wegen eines möglichen Serotonin-Syndroms auch bei gleichzeitiger Anwendung anderer serotonerger Arzneimittel.
Lasmiditan ist ferner mit Nebenwirkungen verbunden, die das zentrale Nervensystem betreffen. In einer Studie im Fahrsimulator mit gesunden Probanden beeinträchtigte der Wirkstoff die Verkehrstüchtigkeit signifikant. Die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, nach jeder Einnahme für mindestens acht Stunden kein Fahrzeug zu führen und keinen anderen Aktivitäten nachzugehen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Aufgrund des Potenzials von Lasmiditan, eine Sedierung sowie andere kognitive und/oder neuropsychiatrische Nebenwirkungen zu verursachen, sollte Lasmiditan in Kombination mit Alkohol oder anderen ZNS-dämpfenden Arzneimitteln mit Vorsicht angewendet werden.
Ein weiterer Warnhinweis besteht zum Thema Herzfrequenz. Lasmiditan kann eine Absenkung der Herzfrequenz bewirken, was bei Risikopatienten zu berücksichtigen ist. Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren in Studien Benommenheit, Schläfrigkeit, Erschöpfung, Parästhesie, Übelkeit, Schwindel, verminderte Berührungswahrnehmung und Muskelschwäche.
Der Einsatz bei schwerer Leberfunktionsstörung ist nicht untersucht und wird daher nicht empfohlen. Zudem haben tierexperimentelle Studien eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Die Auswirkungen von Lasmiditan auf die Entwicklung des menschlichen Fötus sind nicht bekannt, heißt es in der Fachinformation. Die Einnahme von Lasmiditan bei Schwangeren wird daher nicht empfohlen. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen unterbrochen wird oder ob auf die Behandlung mit Lasmiditan verzichtet wird. Die Exposition des Neugeborenen lässt sich minimieren, indem das Stillen für 24 Stunden nach der Behandlung unterbrochen wird.
Die Lupus-Nephritis (LN) ist eine schwere Manifestation des systemischen Lupus erythematodes (SLE), einer chronischen Autoimmunerkrankung, die zu einem irreversiblen Nephronverlust führen kann. Das Immunsystem greift bei LN die Nieren an und verursacht Entzündungen und Nierenschäden. 40 bis 60 Prozent der Betroffenen mit SLE entwickeln im Laufe ihres Lebens eine LN. Nachdem vor einiger Zeit der Antikörper Belimumab für die LN-Behandlung zugelassen wurde, folgt nun eine weitere Option – die erste orale in der EU: Voclosporin (Lupkynis® Weichkapseln, Otsuka Pharma). Das Präparat wird angewendet in Kombination mit Mycophenolat-Mofetil für die Behandlung von Erwachsenen mit aktiver LN der Klassen III, IV oder V (einschließlich gemischter Klassen III/V und IV/V).
Voclosporin hört sich so ähnlich an wie Ciclosporin. Und tatsächlich wirkt der Neuling ebenso als Immunsuppressivum, genauer gesagt als Calcineurin-Hemmer. Calcineurin ist im Körper an der Aktivierung von T-Lymphozyten beteiligt. Durch das Blockieren von Calcineurin reduziert Voclosporin Entzündungen und andere Symptome der LN.
Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 23,7 mg. Allerdings sind Dosisanpassungen gegebenenfalls vorzunehmen, etwa aufgrund einer eingeschränkten Nieren- oder Leberfunktion. In der Fachinformation von Lupkynis finden sich dazu nähere Hinweise. Zudem wird darauf hingewiesen, regelmäßig die Nierenfunktion zu überprüfen. Bei schwerer Leber- und Nierenfunktionsstörung wird von der Einnahme von Voclosporin abgeraten, ebenso bei einem Alter von mehr als 75 Jahren.
Auch hinsichtlich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist einiges zu beachten. Voclosporin wird durch das Enzym CYP3A4 verstoffwechselt. Die gleichzeitige Einnahme von starken CYP3A4-Hemmern ist kontraindiziert. Im Falle von moderaten CYP3A4-Inhibitoren muss die Tagesdosis von Voclosporin gemäß Fachinformation ebenfalls reduziert werden. Andersherum wird die gleichzeitige Gabe starker und moderater CYP3A4-Induktoren mit Voclosporin nicht empfohlen.
Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen von Voclosporin zählen Verringerung der glomerulären Filtrationsrate und Bluthochdruck. Unter anderem dazu finden sich gesonderte Warnhinweise in der Fachinformation. Beispielsweise wird darin auch eine regelmäßige Blutdruckkontrolle thematisiert. Weitere Warnhinweise beziehen sich unter anderem auf ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs und das Auftreten von schwerwiegenden Infektionen. Betroffene sollten sich daher vor zu viel Sonnenlicht schützen und sie sollten engmaschig auf Infektionen überwacht werden.
Ebenfalls ist es erforderlich, wegen einer möglichen Hyperkaliämie den Kaliumspiegel zu kontrollieren. Auch sollte man bedenken, dass die Anwendung von Voclosporin in Kombination mit anderen Arzneimitteln, die bekannterweise das QTC-Intervall am Herzen verlängern, zu einer klinisch signifikanten QT-Verlängerung führen kann. Zudem können Immunsuppressiva wie Voclosporin die Reaktion auf Impfungen beeinflussen. Die Anwendung von abgeschwächten Lebendimpfstoffen sollte man vermeiden.
In der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht zum Einsatz von Lupkynis geraten. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob sie abstillen oder auf die Voclosporin-Einnahme verzichten.