Neues Wirkprinzip bei Hämophilie |
Sven Siebenand |
06.02.2025 16:00 Uhr |
Eine Hämophilie wird durch einen Mangel an bestimmten Gerinnungsfaktoren verursacht. / © Adobe Stock/blindturtle
Eine Hämophilie wird durch einen Mangel an bestimmten Gerinnungsfaktoren verursacht. Die Blutgerinnung ist dann gestört. Bei Hämophilie A fehlt es an Faktor VIII, bei Hämophilie B an Faktor IX im intrinsischen Gerinnungsweg. Neben neuen Therapien, unter Gentherapien, ist der häufigste Behandlungsansatz für Hämophilie A und B die Faktorersatztherapie. Dabei werden die fehlenden Gerinnungsfaktoren ersetzt und es kommt bei den Betroffenen zu weniger Blutungen.
Marstacimab weist ein ganz neues Wirkprinzip auf. Zielstruktur des Antikörpers ist der sogenannte Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) im extrinsischen Gerinnungsweg. Das ist ein natürliches Antikoagulationsprotein, das die Bildung von Blutgerinnseln verhindert. Das heißt, Marstacimab bremst die gerinnungshemmende Funktion von TFPI aus. Dadurch wird die Faktor-Xa-Bildung erhöht, selbst wenn kein Faktor VIII oder IX - wie bei Hämophilie A beziehungsweise B - vorhanden ist, was zu einer erhöhten Thrombinproduktion und Gerinnungsbildung führt, wodurch die Mängel im intrinsischen Gerinnungsweg umgangen werden. In einem Satz zusammengefasst: Marstacimab verstärkt den extrinsischen Weg der Blutgerinnung und gleicht damit Defizite, die bei Hämophilie A und B im intrinsischen Weg vorliegen, wieder aus.
Zugelassen ist Marstacimab für die routinemäßige Prophylaxe von Blutungsepisoden bei Patienten mit schwerer Hämophilie A oder B ab einem Alter von zwölf Jahren und einem Mindestgewicht von 35 kg. Inhibitoren gegen Faktor VIII beziehungsweise IX dürfen allerdings nicht vorliegen.
Marstacimab wird einmal wöchentlich subkutan appliziert. Nach einer entsprechenden Schulung können die Patienten die Injektion auch selbst bei sich vornehmen. Am besten, sie spritzen in den Bauch oder Oberschenkel und wählen für jede Injektion eine andere Stelle aus. Injizieren sie weitere Medikamente subkutan, so sollte dies an anderen Stellen geschehen.
PTA und Apotheker können bei der Abgabe von Hympavzi auf die Lagerung im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius hinweisen. Vor der Injektion sollte das Arzneimittel aber rechtzeitig aus dem Kühlschrank entnommen werden und es sollte erst dann appliziert werden, wenn es Raumtemperatur erreicht hat.
Die empfohlene Dosis ist initial einmal 300 mg. Danach werden einmal pro Woche 150 mg injiziert. Bei Patienten mit einem Körpergewicht von mindestens 50 kg kann der Arzt auch die Erhöhung der wöchentlichen Dosis auf 300 mg in Betracht ziehen. Wichtig: Vor Beginn einer Marstacimab-Behandlung müssen die Patienten die Therapie mit Gerinnungsfaktorkonzentraten absetzen. Danach kann jederzeit mit der Antikörper-Therapie begonnen werden.
Bei geplanten größeren chirurgischen Eingriffen wird empfohlen, Hympavzi sechs bis zwölf Tage vor dem Eingriff abzusetzen und eine Therapie mit einem Gerinnungsfaktorkonzentrat einzuleiten. Sehr häufig kommt es unter Marstacimab zu Reaktionen an der Injektionsstelle, häufig sind Kopfschmerz, Bluthochdruck und Juckreiz.
Ein Warnhinweis in der Fachinformation klärt zudem darüber auf, dass die Aufhebung der TFPI-Hemmung das Gerinnungspotenzial eines Patienten erhöhen und das individuelle, multifaktorielle Risiko für thromboembolische Ereignisse verstärken kann. Daher könnte unter Marstacimab zum Beispiel bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Venen- oder Arterienthrombose oder ischämischer Erkrankung in der Anamnese ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse bestehen. Dies gilt auch bei Patienten mit aktuell bestehender, akuter schwerer Erkrankung mit erhöhter Gewebefaktor-Expression, zum Beispiel aufgrund schwerer Infektion, Sepsis, Trauma, Quetschungen oder Krebserkrankung.
Marstacimab kann sowohl bei Hämophilie A als auch bei Hämophilie B zum Einsatz kommen. Zugelassen ist der Wirkstoff für die routinemäßige Prophylaxe von Blutungsepisoden bei Patienten mit schwerer Hämophilie A oder B ab einem Alter von zwölf Jahren/Mindestgewicht von 35 kg. Hympavzi muss im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius gelagert werden. Vor der Injektion sollte das Arzneimittel erst dann appliziert werden, wenn es Raumtemperatur erreicht hat.