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Verhütungsapps

Nicht immer sicher

Die Anti-Baby-Pille ist aufgrund ihrer möglichen Nebenwirkungen bei vielen Frauen in Verruf geraten. Als natürliche Alternativen bietet der Markt mittlerweile eine Reihe digitaler Anwendungen. Doch wirklich sicher verhüten lässt sich nur mit wenigen der angebotenen Apps und Zykluscomputer.
Verena Arzbach
18.04.2019  14:00 Uhr

Der Markt mit Zyklusapps und -computern boomt. Das Prinzip der Anwendungen ist nicht neu: Mit ihrer Hilfe bestimmt die Frau das fertile Fenster durch Beobachtung ihres Körpers oder durch das Messen bestimmter Parameter. »Neu ist lediglich die Übertragung der Zyklusbeobachtung an eine App oder einen Computer, der dann die Auswertung übernimmt«, wie Dr. Petra Frank-Herrmann von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg bei einem Vortrag auf der Fachmesse Interpharm erläuterte. Nicht immer sind die Apps explizit zur Verhütung bestimmt. Oft gibt der Hersteller als Zweckbestimmung eine Zyklusdokumentation oder Kinderwunsch-Unterstützung an – das ist haftungsrechtlich unproblematischer, wie die Gynäkologin erklärte. Doch die Erfahrung zeigt: »Sobald die Anwendungen ein fertiles Fenster anzeigen, werden sie auch zur Verhütung genutzt, egal was im Disclaimer steht«, sagte Frank-Herrmann.

Eine genaue Beurteilung der zahlreichen verschiedenen Apps ist schwierig. »Es gibt derzeit keine adäquate obligatorische Prüfung, ob die entsprechenden Anwendungen sicher arbeiten«, so Frank-Herrmann, die auch Geschäftsführerin der Sektion »Natürliche Fertilität und natürliche Familienplanung« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin (DGGEF) ist. Zwar weisen einige Apps ein CE-Kennzeichen oder ein TÜV-Siegel vor. Frank-Herrmann hält dies jedoch für problematisch, denn die Bewertungen fußen nur auf den Angaben der Hersteller, und es findet keine Überprüfung statt, ob das fertile Fenster korrekt angezeigt wird.

Vorsicht bei Prognose-Apps

Prinzipiell lassen sich die verfügbaren Apps und Computer laut der Gynäkologin in drei verschiedene Kategorien einteilen. Die erste Gruppe bilden sogenannte Prognose-Messsysteme beziehungsweise -Apps, die das fruchtbare Fenster vorhersagen. Beispiele sind Clue, Flo Menstruationskalender, Maya und My Days. Die Anwendungen ziehen Daten aus früheren Zyklen heran, um das fertile Fenster im aktuellen Zyklus zu bestimmen, beispielsweise die durchschnittliche Zykluslänge oder frühere Temperaturanstiege. Informationen aus dem aktuellen Zyklus spielen keine Rolle.

Hier sei – sofern man mit diesen Apps verhüten wolle – große Vorsicht geboten, warnte Frank-Herrmann: »Alle Apps, die so arbeiten, funktionieren nicht.« Man könne aufgrund der großen intraindividuellen Variabilität der Zykluslänge aus früheren Zyklen keine Vorhersage für den nächsten treffen. Auch mithilfe der Temperaturmessung ließe sich nur das Ende der fruchtbaren Phase im aktuellen Zyklus bestimmen, mehr jedoch nicht, betonte die Gynäkologin.

Ihr zufolge ist es daher auch fragwürdig, dass die App Natural Cycles, die die Temperaturmessung mit einem Prognose-Algorhythmus kombiniert, von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA eine Zulassung als Medizinprodukt zur Verhütung erhalten hat. Für die Zulassung seien nur Real-World-Studien mit hoher Drop-out-Rate vorgelegt worden, kritisierte die Medizinerin. Die Daten seien zudem vom Hersteller selbst gesammelt und ausgewertet worden und in wesentlichen Punkten lückenhaft.

Anwendungen, die die fruchtbaren Tage im laufenden Zyklusbestimmen, sind laut Frank-Herrmann prinzipiell zu bevorzugen. Hierzu zählen Apps,die auf den Methoden der natürlichen Familienplanung (NFP) beruhen sowie diemeisten Zykluscomputer. Bei den NFP-Apps bestimmt die Frau das fertile Fensteranhand von selbst beobachteten Parametern, etwa Temperatur und/oderZervixschleim. Die jeweiligen NFP-Methoden, die den Apps zugrunde liegen, sindlaut Frank-Herrmann unterschiedlich sicher.

Temperatur und Schleim

Um sicher zu verhüten, sollte die Frau eine evidenzbasierte Variante der symptothermalen Methode, also eine Kombination aus Basaltemperaturmessung und Beurteilung des Zervikalschleims, wählen. »Diese Double-Check-Methode mit zwei Parametern ist sehr sicher. Sie hat einen Pearl-Index < 1 und kann als Alternative zur Anti-Baby-Pille empfohlen werden«, sagte die Gynäkologin.

Beispiele für ausgereifte Apps sind laut Frank-Herrmann etwa Lady Cycle, myNFP und Sensiplan. Voraussetzung zur erfolgreichen Anwendung der symptothermalen Methode sei, dass die Frauen lernen, ihre Körpersymptome zu beobachten und richtig zu deuten, sagte Frank-Herrmann. Wichtig ist auch, ein Thermometer zur Temperaturmessung zu benutzen, das für die NFP-Anwendung geeignet ist (zum Beispiel analog: Geratherm® basal). Digitale Thermometer sollten zwei Nachkommastellen anzeigen (zum Beispiel Uebe domotherm rapid). Um exakte Messwerte zu erhalten, sollte mindestens drei Minuten gemessen werden.

Neu ist das Prinzip der vaginalen Nachtmessung: Dabei werden Chips, die die Basaltemperatur messen, über Nacht wie ein Tampon getragen (zum Beispiel iButton, Trackle). Die Daten werden anschließend per Adapter oder Bluetooth auf den PC beziehungsweise die zugehörige App übertragen. »Eine interessante Entwicklung«, so Frank-Herrmann. Es gebe jedoch noch keine belastbaren Studienergebnisse, die Qualität der Messung sei unklar. Zykluscomputer bestimmen die Konzentration der Hormone Estron-Glucuronid und LH per Teststreifen im Urin oder Speichel (Persona®, Clearblue®), einige messen zusätzlich die Basaltemperatur (Cyclotest® myWay). »Die Studienlage zeigt, dass diese Computer für die Kinderwunsch-Anwendung interessant sind, für die Verhütung sind sie aber in der Regel zu unsicher oder es fehlen aussagekräftige Daten«, so Frank-Herrmanns Bewertung.

Aktuell drängen laut der Ärztin auch viele Systeme auf den Markt, die weitere Parameter messen, etwa Armbänder, die über Nacht getragen werden und Veränderungen unter anderem der Pulsrate und der Körpertemperatur kontinuierlich messen (zum Beispiel Ava). »Vorsicht, hier wird die periphere Körpertemperatur, nicht die Kerntemperatur wie bei der NFP-Methode gemessen«, warnte die Referentin. Zwar zeigten viele der gemessenen Werte eine gewisse Korrelation zum Zyklusverlauf. Erste Studienergebnisse dazu seien aber enttäuschend, so Frank-Herrmann. »Es gibt erhebliche Zweifel daran, dass diese neuen Systeme funktionieren beziehungsweise genau genug sind, um für die Verhütung brauchbar zu sein.«

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