Nicht nur nervig |
Wespen lieben Süßes – darin unterscheiden sie sich nicht von den Menschen. / Foto: Getty Images/Nicolas Garrat
Die Wespen seien im Sommer lediglich auf Futtersuche und wir deckten ihnen den Tisch, weiß Melanie von Orlow, Wespenexpertin beim Naturschutzbund (NABU)-Landesverband Berlin. Wenn ein Spatz um Brotkrumen bettele oder eine Katze schnurrend ums Bein streife, fänden wir das niedlich. Die Gemeine und die Deutsche Wespe hätten einfach einen höheren Protein- und Zuckerbedarf als andere Wespen- und Bienenarten. Den können sie durch das sinkende Nahrungsangebot im Spätsommer allein durch die Gaben der Natur schwieriger decken.
Die beiden Wespenarten lieben süße Getränke und Speisen sowie Grillfleisch. Die Kohlenhydrate liefern ihnen selbst Energie, die Proteine verfüttern sie an die Larven im Nest. Auch die süßen Exkremente der Blattläuse sowie Fliegen, Mücken und andere Kleininsekten stehen auf dem Speiseplan.
Keineswegs müssen wir es dulden, dass sich Wespen an unserem Tisch laben. »Es ist völlig legitim, die Wespe mit der Serviette oder der Speisekarte wegzuwedeln und zwar schon die allererste, die im Anflug ist«, sagt von Orlow im Gespräch mit PTA-Forum. Auf diese Weise verspüre sie einen Widerstand, und es werde ihr klar, dass dies ein riskanter Ort ist. Hat die Wespe erst einmal vom Essen gefressen, gibt sie ihren Artgenossen kund: Kommt her, hier gibt es etwas Leckeres. Die Wespenplage ist vorprogrammiert.
Zudem sind Wespen auf dem Essen unhygienisch. »Wespen sind aufgrund ihrer biologischen Funktion schmutzige Tiere. Sie fressen Aas und jagen Schmeißfliegen, die auf Hundehaufen gehen. Auf unserem Essen haben sie daher nichts zu suchen«, so von Orlow. Etwa im Innenbereich von Restaurants und insbesondere beim Bäcker seien Wespenfallen erlaubt und sollten auch eingesetzt werden. Im Außenbereich dagegen müssen Insektenfallen genehmigt sein, es muss also einen vernünftigen Grund geben. Ansonsten verbietet es das deutsche Bundesnaturschutzgesetz, Insekten unspezifisch zu fangen.
Quelle: NABU
Mehr als 750 Wespenarten gibt es in Deutschland. Ein Bruchteil davon lebt sozial als Volk, die anderen für sich allein (solitär) oder sozialparasitisch, das bedeutet, sie dringen in die Nester verwandter Wespenarten ein, töten deren Königin und hinterlassen wie der Kuckuck ihre eigenen Larven, die von den Arbeiterinnen des Nestes mitversorgt werden.
Die beiden »nervigen« Wespenarten, die Gemeine Wespe und die Deutsche Wespe, gehören wie die Rote Wespe zu den Kurzkopfwespen und machen mit den Langkopfwespen die acht sozialen Arten aus (Nestbau mit zerkauten und mit Speichel verkneteten Holzfasern). Wespen sind regulatorische Stellglieder in der Natur: Sie bestäuben, sind Beutegreifer, selbst Futtermittel (der Wespenbussard gräbt Wespennester aus und verfüttert die Wespen an seinen Nachwuchs) und Aufräumer der Natur (Aasfresser).
Ob es in manchen Jahren mehr Wespen gebe als in anderen, sei schwer zu bewerten, so von Orlow. Studien hierzu fehlen. Oft sei dies ein subjektiver, lokaler Eindruck: Bei Schönwetter sitzen wir eher draußen am reich gedeckten Tisch als bei Regen und nehmen dann auch mehr Wespen wahr. Wie viele Wespen es in einem Jahr gibt, hängt auch davon ab, wie viele Jungköniginnen, als einzige Wespen ihrer Art, in einem Erdloch oder im Totholz in Winterstarre erfolgreich überwintern und im Frühjahr ein Nest gründen.
»Bei neun von zehn Jungköniginnen klappt die Nestgründung nicht«, klärt von Orlow auf. Sie werden von Vögeln gefressen, sterben durch nass-kaltes Wetter oder im Kampf untereinander, nehmen sich gegenseitig die Nester weg (Kuckuckswespe) oder der Mensch verhindert den Nestbau, indem er die ersten Waben abbricht. Außer bei Hornissen sei dies legitim.
»Die Schwäche für Süßes und Fleischiges von Gemeiner und Deutscher Wespe bringt alle anderen Arten in Verruf, obwohl diese unkomplizierte Mitbewohner sind«, sagt von Orlow. Viele Menschen fühlten sich aber aus Unkenntnis durch eine Wespe jeglicher Art bedroht und möchten Wespennester, wenn sie sie entdecken, am liebsten sofort entfernen.
Auf jeden Fall solle man das Nest nicht selbst zerstören, sondern einen Kammerjäger bestellen, rät von Orlow. Auch solle man abwägen, ob das Nest wirklich störe. Denn die Gemeine und Deutsche Wespe bauen ihres vor allem in Verschalungen oder Erdlöchern. Dies bekomme man meist nicht mit. Die Völker der meisten anderen Wespenarten sterben früher als diese beiden Arten wieder ab. Deren Nest ist also nur für eine kurze Zeit da.
Der Lebenszyklus der Kurzkopfwespen, zu denen Gemeine und Deutsche Wespe zählen, beginnt im Mai mit der Nestgründung durch die im letzten Sommer durch Drohnen (männliche Wespen eines anderen Volkes) besamte Jungkönigin. Er endet frühestens Mitte Oktober mit dem Absterben des Volkes beim ersten Frost (außer den Jungköniginnen). Der Lebenszyklus der Langkopfwespen beginnt im April und endet bereits Mitte/Ende August. »Vielleicht kann man es tolerieren, eine bestimmte Fläche wie den Schuppen für diese kurze Zeit nicht zu nutzen, wenn dort ein Nest hängt«, sagt von Orlow.
Triftige Gründe, die für eine Entfernung oder Umsiedlung des Nestes sprechen, sind etwa wenn sich die Wespen in die Wärmedämmung des Hauses eingenistet haben und diese dabei zerstören oder weil sich ihr Nest am Hauseingang oder Balkon eines Wespengift-Allergikers befindet. »Ich empfehle allen, sich erst einmal über die Lebensart der Wespen zu informieren, anstatt sie sofort wahllos zu töten«, lautet von Orlows Plädoyer für die schlanken, gelb-schwarz gestreiften Hautflügler.
Wespen sehen mit ihren Facettenaugen schlechter als Menschen. Daher landen sie nicht direkt, sondern im Schwirrflug etwa auf dem Essen. Um scharf sehen zu können, müssen sie schnell fliegen. Deshalb sausen sie auch schnell um unseren Kopf, wenn sie sehen wollen, was sich da gerade bewegt hat. Wir deuten dieses Verhalten fälschlicherweise als aggressiv. Da Wespen nicht in der visuellen, sondern in der Geruchswelt zuhause sind, sind sogannte Wespenballons als Attrappe für ein existierendes Wespennest wirkungslos. Im Gegenteil: Wespen gründen mit Vorliebe dort ihr neues Nest, wo es »nach Wespe riecht«, also wo bereits Nester sind. Sie werten dies als Erfolgsgarant für einen guten Standort und eine erfolgreiche Aufzucht ihrer Nachkommen.
Abgesehen von Allergikern (Notfallmedikament immer dabei haben!) sind Wespenstiche in der Regel zwar schmerzhaft, aber harmlos. Von der Giftigkeit sind sie mit denen von Hornissen und Bienen vergleichbar. Hält der Schmerz länger an und bleibt der Stich geschwollen, einen Arzt aufsuchen. Eine bakterielle Infektion kann vorliegen.