Nicht unnötig Angst machen |
Isabel Weinert |
25.09.2025 14:24 Uhr |
Bei grünem Star oder Glaukom wirken sich übereifrige Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle oft besonders negativ aus. / © Adobe Stock/peopleimages.com
»Die Therapie des Glaukoms ist in den letzten 20 Jahren exponenziell gestiegen. Alleine bei der Diagnostik ist vieles passiert, was viele Bilder generiert, Fälle schon früh erkennt« so Professor Dr. med. Verena Prokosch, Zentrum für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Köln auf der Kongress-Pressekonferenz der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) heute in Berlin. Das Problem sei jedoch, dass umfassende Diagnostik auch viele falsch-positive Fälle hervorbringe. Und das hat sowohl für Betroffene als auch für das Gesundheitswesen gravierende Folgen. »Wenn man sich anschaut, wie das Glaukom behandelt werden sollte, dann sollte laut europäischen Vorgaben die Lebensqualität verbessert werden und das aber auch kostengünstig sein«, so Prokosch. Wenn man jedoch einen Patienten leichtfertig diagnostiziere, dann müsse man ihn auch therapieren und setze ihm einen Stempel auf, den, einer schwerwiegenden Erkrankung der Augen. Hinzu kommen die Therapiekosten. Zudem schüre die Diagnose Glaukom immer erhebliche Ängste, weil man diese Erkrankung nicht heilen könne und zu erblinden eine der Hauptängste medizinisch sei, die Menschen generell hätten.
»Deshalb muss man Patienten vor Überdiagnose schützen«. Mitunter seien abwarten und beobachten die bessere Wahl. Denn: Ein Drittel der mit Glaukom diagnostizierten Menschen erleben einen milden Verlauf. Darum sei immer zu berücksichtigen, wie alt der Patient sei, ob er eine mögliche Erblindung überhaupt noch erlebe, und wie aggressiv der Verlauf der Erkrankung sei. Der Verlauf werde häufig deutlich zu intensiv und nicht zielführend überwacht. Die Augen alle drei Monate zu kontrollieren, womöglich noch mit bildgebenden Verfahren, führe nicht zu einer Verbesserung. Vielmehr kann ein solches Vorgehen Betroffene zusätzlich verunsichern. Denn ein Glaukom unterliege auch tagesabhängigen Schwankungen. Bei häufiger Kontrolle können diese fehlinterpretiert werden. »Einmal im Jahr reicht«, konstatierte Prokosch.
Es sei auch nicht sinnvoll, die Höhe des Augeninnendrucks als Maßstab für die Therapie zu sehen, sondern die Beschaffenheit des Sehnervs und das Gesichtsfeld des Patienten sowie die Wahrscheinlichkeit, mit der er im Laufe seines Lebens eine Einschränkung des Sehens erleide. Dieses Vorgehen trifft den Kern der Initiative »Klug entscheiden«, bei der es darum geht, nicht alles zu machen, was therapeutisch möglich ist, sondern klug zu schauen, was für den einzelnen Patienten und dessen Lebensqualität am meisten Sinn ergibt.
Ungeachtet dessen gelte es selbstverständlich, schwere Fälle nicht abwartend zu beobachten, sondern direkt aggressiv zu therapieren, um eine Verschlechterung des Sehvermögens so weit wie möglich hinauszuzögern.