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Sexuell übertragbare Infektionen

Niemand ist vor Geschlechtskrankheiten gefeit

Die Prävalenzen bei sexuell übertragbaren Infektionen bleiben hoch. Viele Infizierte haben jedoch keine Diagnose. Frühzeitig erkannt, sind Geschlechtskrankheiten heute heil- oder zumindest behandelbar.
Nicole Schuster
02.02.2023  12:00 Uhr

Wenn es um sexuell übertragbare Infektionen (sexually transmitted infections, STI) geht, denken die meisten Menschen an Sexarbeiter, Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM), Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern oder Drogenkonsumenten. Kaum im Fokus stehen jedoch Senioren. Da kein Empfängnisschutz mehr benötigt wird, denken sie oft weniger an Verhütung. Eine schlechtere Fingerfertigkeit kann ebenfalls dazu verleiten, auf ein Kondom zu verzichten. Frauen nach der Menopause gefährdet zusätzlich, dass eine hormonell bedingte genitale Atrophie die Infektionsgefahr erhöht. Präventionskampagnen zielen jedoch in der Regel auf junge Menschen ab, etwa jüngst in Frankreich. Im Nachbarland bekommen seit dem 1. Januar 2023 alle zwischen 18 und 25 Jahren Kondome umsonst.

Aufklärung ist weiterhin in allen Bevölkerungsgruppen wichtig, wie die hohen Infektionszahlen in der Datenbank Surveillance Atlas of Infectious Diseases des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen. Dass einige Prävalenzen zuletzt sanken, wird auf die Coronapandemie zurückgeführt. Damals gingen sowohl zwischenmenschliche Kontakte als auch Gesundheitskontrollen zurück. Außer durch Geschlechtsverkehr können einige Erreger auch per Schmierinfektion oder durch direkten Blutkontakt etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Spritzbesteck übertragen werden. Schwangere können im Mutterleib oder bei der Geburt ihr Kind anstecken.

Tückisch ist, dass viele Betroffene nichts von ihrer Infektion wissen. STI können asymptomatisch verlaufen, auftretende Beschwerden sind wie Brennen beim Wasserlassen, Ausfluss oder Hautveränderungen im Genitalbereich oft unspezifisch. Infizierte können aber auch symptomlos andere Menschen mit den Erregern anstecken.

Gewissheit bringen

Die gefürchtetste STI ist sicherlich nach wie vor AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome). Die Krankheit manifestiert sich, wenn eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) unbehandelt bleibt. HIV stört die Funktion der T-Lymphozyten und beeinträchtigt die Immunabwehr. Im Verlauf steigt das Risiko für opportunistische Infektionen. Ein weiteres Problem sind bösartige Erkrankungen wie das Kaposi-Sarkom. Wer befürchtet, sich angesteckt zu haben, den Gang zum Arzt aber scheut, kann zu einem HIV-Schnelltest zur Eigenanwendung greifen. Die in Deutschland über Apotheken vertriebenen Tests verfügen über ein CE-Zeichen. Sie sind für die Anwendung durch Laien geprüft. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Informationen zu den erhältlichen Selbsttests veröffentlicht.

Liegt eine vermutete Ansteckung nicht länger als 72 Stunden zurück, kann eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) durchgeführt werden. Dafür werden in der Regel drei antiretroviral wirksame Substanzen über einen Zeitraum von vier Wochen eingenommen. Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) kann eingesetzt werden, wenn Menschen sich vor HIV schützen, aber auf ein Kondom verzichten möchten. Das kann der Fall sein, wenn ein Paar auf natürliche Weise schwanger werden will. Für die HIV-PrEP ist die Kombination von Tenofovir und Emtricitabin (Truvada) zugelassen.

Zur Therapie einer HIV-Infektion kommen aktuell fünf Substanzgruppen zum Einsatz. Die antivirale Therapie soll das Fortschreiten aufhalten und die Symptome unterdrücken. Die Viruslast sinkt unter Behandlung, sodass die Patienten nicht mehr infektiös sind. Da die Krankheit nicht heilbar ist, müssen die Arzneimittel lebenslang eingenommen werden.

Weitere virale Erreger von STI sind das Hepatitis-B-Virus und die Humanen Papillomviren (HPV). Die Hepatitis B kann chronisch werden und zu einer Leberzirrhose oder gar Krebs führen. Die Behandlung ist schwierig. Es stehen als Dauertherapie Nukleotid-Analoga wie Tenofovir oder Nukleosid-Analoga wie Entecavir zur Verfügung. Eine Alternative ist eine Interferon-α-Therapie, die mehrere Monate andauert.

HPV-Viren werden ebenfalls beim Geschlechtsverkehr übertragen. Sie sind so verbreitet, dass sich die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens damit anstecken. Eine Folge können Feigwarzen im Genitalbereich sein. Einige Virustypen erhöhen das Risiko für Krebsarten wie Gebärmutterhalskrebs. Kondome bieten keinen zuverlässigen Schutz, da sie nicht alle befallenen Hautbereiche im Intimbereich abdecken. Eine gegen die HP-Viren gerichtete Therapie gibt es bislang nicht. Für Mädchen und Jungen steht eine Impfung gegen bestimmte HP-Viren zur Verfügung.

Zuhause im Köper

Genitale Herpes-Infektionen werden zum größten Teil durch Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) verursacht. Nur ein kleiner Teil der Infektionen geht auf Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) zurück, das vor allem für Lippenherpes verantwortlich ist. Eine Infektion mit HSV-2 verläuft bei bis zu 90 Prozent der Betroffenen symptomlos. Bei den symptomatischen Patienten entzündet sich die Haut im Intimbereich und bildet kleine, in Grüppchen stehende Bläschen. Der Ausschlag kann sich auf den Analbereich und die Innenseite der Oberschenkel ausdehnen. Beim ersten Ausbruch kann ein allgemeines Krankheitsgefühl hinzukommen. Nach zwei bis drei Wochen klingt die Entzündung auch ohne Behandlung wieder ab. Die Viren persistieren jedoch lebenslang im Körper, sodass immer wieder Ausbrüche auftreten. Diese verlaufen dann aber meistens kürzer und milder als der erste Ausbruch.

Für die Diagnose ist ein Abstrich vom betroffenen Hautbereich erforderlich. Das klinische Bild alleine reicht nicht aus, da es ähnlich aussehende Haut- und Geschlechtskrankheiten gibt. Bei asymptomatischen Patienten können HSV-2-Antikörper bestimmt werden. Finden sich HSV-1-Antikörper, können diese auch von Lippenherpes kommen. Genitalherpes wird mit Virustatika wie Aciclovir, Famciclovir oder Valaciclovir behandelt. Die Patienten müssen die Arzneimittel oral einnehmen, die topische Anwendung ist nicht effektiv. Bei den milder verlaufenden Folgeausbrüche ist keine oder nur eine kurze Behandlung erforderlich. Wenn eine Therapie benötigt ist, sollte diese am besten in den ersten 24 Stunden nach Symptombeginn initiiert werden.

Unerkannte Gefahr

Chlamydia trachomatis ist der häufigste bakterielle Erreger von Urogenitalinfektionen in den Industriestaaten. Die Infektion bemerken viele Menschen nicht, da sie bei bis zu 80 Prozent der infizierten Frauen und bei etwa der Hälfte der infizierten Männer asymptomatisch verläuft. Unbehandelt können die Erreger aufsteigen und chronische Entzündungen der Prostata oder der weiblichen Geschlechtsorgane verursachen. Wenn bei Frauen die Eileiter verkleben, ist die Fruchtbarkeit gefährdet. Die Infektion kann je nach den sexuellen Gewohnheiten auch Augen (Schwimmbadkonjunktivitis), After oder Rachen betreffen.

Seit April 2008 können sich Frauen bis zum 25. Lebensjahr einmal jährlich beim Gynäkologen zulasten der Krankenkassen auf Chlamydien testen lassen. Im Anfangsstadium ist die Infektionskrankheit gut mit Antibiotika therapiebar. Azithromycin kann bei unkomplizierter genitaler Chlamydieninfektion als Einzeldosis (1 g) gegeben werden. Eine Therapie mit Doxycyclin 100 mg 2x1 erfolgt über sieben Tage. Alternativen sind Erythromycin 500 mg 4x1, Ofloxacin 300 mg 2x1 oder Levofloxacin 500 mg 1x1 jeweils für sieben Tage.

Eine Chlamydieninfektion kann zusammen mit einer Gonorrhö auftreten. Die umgangssprachlich als Tripper bezeichnete Infektion wird durch das gramnegative Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst. Die Infektion verursacht oft keine oder nur leichte Symptome. Im Verlauf können die Erreger auf Organe wie Harnröhre, Prostata, Gebärmutterhals oder Enddarm übergehen. Es drohen Folgen wie Unfruchtbarkeit. Bei der antibiotischen Behandlung sind zunehmende Resistenzen ein Problem.

Spirochaete Treponema pallidum verursacht eine chronische Erkrankung in verschiedenen Stadien. Die als Syphilis bezeichnete STI beginnt lokal mit kleinen Ulcera an der genitoanalen Schleimhaut. Antikörper im Serum kann der Arzt frühestens drei Wochen nach Ansteckung nachweisen. Drei Monate nach der Infektion geht die Erkrankung in das sekundäre Stadium über. Dieses ist geprägt durch verschiedene Haut- und Schleimhautsymptome. Unbehandelt kann die Sekundärsyphilis bis zu einem Jahr andauern. Es folgt eine bis zu Jahrzehnte andauernde Latenzphase. Im Spätstadium greifen die Erreger Organe und Nerven an. Die Syphilis wird mit Benzylpenicillin behandelt, das parenteral verabreicht wird. Die Mitbehandlung von Partnern kann erforderlich sein.

Nicht schämen, sondern handeln

Beim Verdacht, sich mit einer STI angesteckt zu haben, bekommen viele Menschen Angst. Scham mag es nahelegen, das Problem zu ignorieren. Damit gefährden Betroffene aber nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die von ihren Sexualpartnern. Geeignete Ansprechpartner sind der Gynäkologe, Hautarzt, Urologe oder Hausarzt. Eine anonyme Beratung ist bei Stellen wie der Deutschen Aidshilfe oder Pro Familia möglich. Oft kann direkt im Anschluss an das Gespräch ein Test durchgeführt werden. Auch viele Gesundheitsämter bieten Tests an.

Bis auf den HIV-Schnelltest sind Tests zur Anwendung daheim nicht allzu zuverlässig. Bei einem positiven Ergebnis ist ohnehin ärztliche Hilfe erforderlich. Beim Arzt können auch Fragen gestellt werden, etwa ob eine Schwangere ihr Kind anstecken kann. Beim Stillen kommt es auf die Art der STI an: Müttern wird vom Stillen bei HIV-Infektion abgeraten, bei Hepatitis B können sie meistens weiterstillen.

Auch wenn es unangenehm ist, sollten Betroffene mit ihren Sexualpartnern über die Infektion sprechen, damit diese sich testen lassen oder sich vor einer Ansteckung schützen können. Gegen einige virale Infektionen (Hepatitis B und HPV-Infektionen) steht eine Impfung zur Verfügung. Sie schützt neben dem Kondom am besten vor einer STI. Auch Femidome (Kondome für Frauen) und Lecktücher (Dental Dams) reduzieren das Ansteckungsrisiko. 

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