Nikotinersatztherapie – welches Produkt für wen? |
Verena Schmidt |
11.10.2024 09:54 Uhr |
Es muss nicht immer Kaugummi sein: Welche Alternativen Raucher im Rahmen einer Nikotinersatztherapie nutzen können, erklärten Mitarbeiter der Firma Kenvue bei einem Workshop auf der Expopharm. / © Getty Images/Andrey Popov
Rauchen schadet der Gesundheit, das ist mittlerweile jedem klar. »Im Schnitt verlieren Raucher zehn Lebensjahre, in Deutschland sind mehr als 13 Prozent der Todesfälle durch das Rauchen bedingt. Auch ein Fünftel aller Krebserkrankungen kann auf Rauchen zurückgeführt werden«, verdeutlichte Dr. David Monteiro Barbosa aus der Abteilung Medical Affairs der Firma Kenvue bei einem Workshop auf der Fachmesse Expopharm.
In Deutschland rauchen aktuellen Daten zufolge rund 30 Prozent der Bevölkerung, das sind etwa 22 Millionen Menschen. »Das heißt, dass auch fast jeder dritte Kunde in der Apotheke Raucher ist«, sagte Nicole Kilic, Leiterin des Apothekentrainings bei Kenvue. Da 70 Prozent der Raucher aufhören oder ihren Zigarettenkonsum reduzieren wollten, sei die Zielgruppe, für die eine Nikotinersatztherapie (NET) infrage kommt, groß, verdeutlichte sie.
Doch der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, sei oft ein sehr persönliches, intimes Thema, viele Raucher wüssten zudem gar nicht, dass es Nikotinersatzprodukte in der Apotheke zu kaufen gibt und das Apothekenpersonal kompetenter Ansprechpartner für die Beratung sei, so Kilic. Raucher direkt in der Apotheke auf ihren potentiellen Wunsch, aufzuhören, anzusprechen, sei allerdings oft schwierig, so ihre Erfahrung. »Wichtig ist, dass der Kunde die Produkte sieht und überhaupt weiß, dass es diese in der Apotheke gibt. Es ist schon ein guter erster Schritt, wenn er eine Broschüre mitnimmt und sich zuhause damit beschäftigt«, so die Apothekentrainerin. Neben dem Jahresende mit guten Vorsätzen für das neue Jahr können beispielsweise auch Atemwegsinfekte in der Erkältungszeit, ein unerfüllter Kinderwunsch oder die Reisezeit Anlässe sein, um mit dem Kunden zum Thema Rauchstopp ins Gespräch zu kommen, so ihr Tipp.
Doch auch wenn der Raucher den Entschluss zum Rauchverzicht gefasst hat – der Weg zum Erfolg ist noch weit. »Die wenigsten schaffen es beim ersten Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, viele brauchen bis zu fünf Anläufe«, so Kilic. Daten zeigten, dass die Erfolgsquote ohne Intervention lediglich bei 3 bis 5 Prozent, mit einer NET dagegen bei 15 bis 25 Prozent und mit NET plus Beratung lasse sich die Erfolgsquote auf 20 bis 40 Prozent steigern.
Rauchen erzeuge eine körperliche und eine psychische Abhängigkeit, so Kilic. So sei Rauchen für viele mit bestimmten Handlungen im Alltag und sozialer Interaktion verknüpft – das zu verändern, sei nicht einfach. »Eine Nikotinersatztherapie kann aber die körperlichen Entzugserscheinungen ausschalten, das macht den Weg einfacher«, sagte die Apothekentrainerin.
Bei einer NET werde der Suchtstoff Nikotin langsamer aufgenommen als beim Rauchen, erklärte Monteiro Barbosa. »Nikotin flutet langsamer an, aber der Blutspiegel wird in einem niedrigen Bereich stabilisiert, sodass keine Entzugssymptome ausgelöst werden«, verdeutlichte er. Trainerin Kilic empfahl für die Beratung, den Kunden zunächst zu fragen, wie er rauche. Man unterscheide kontinuierliche Raucher, die über den ganzen Tag ständig rauchen, von situativen Rauchern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Anlässen rauchen. Für erste eigne sich eine kontinuierliche Versorgung über ein Nikotinpflaster. Das transdermale Pflaster von Nicorette® (10, 15 oder 25 mg) versorgt den Körper über 16 Stunden mit Nikotin. Man klebe morgens ein Pflaster auf eine trockene, unbehaarte Stelle auf, abends könne man das Pflaster wieder entfernen, so Monteiro Barbosa. Wichtig: Das Pflaster sollte nicht nachts getragen werden, da Nikotin zu Schlafproblemen führen kann.
Ein situativer Raucher benötigt dagegen eine Akuthilfe, etwa in Form eines Sprays, Kaugummis oder einer Lutschtablette. »Darreichungsform und Geschmack sind hierbei enorm wichtig für die Compliance«, betonte Kilic. »Die NET muss zwölf Wochen angewendet werden, wenn mir das Produkt nicht schmeckt oder ich zum Beispiel generell keine Kaugummis mag, halte ich nicht durch.«
Das Nicorette® Spray ist die schnellste Variante, die Wirkung tritt nach 30 Sekunden ein. Kilic empfahl, in der Beratung unbedingt darauf hinzuweisen, dass man die Sprühstöße in die Wangentasche sprühen muss und währenddessen nicht inhalieren sollte. Auch auf den Alkoholgehalt sollten PTA oder Apotheker hinweisen. Das Spray hat auch einen integrierten NFC-Chip und kann darüber mit der Tracking-App »Nicorette® Nichtraucher« verbunden werden.
Nicorette® Kaugummis werden nicht wie normale Kaugummis einfach gekaut, vielmehr gelte es, die richtige Kautechnik zu beachten, erklärte die Apothekentrainerin. Und zwar so: Kauen, bis sich der Geschmack intensiviert, der Wirkstoff wird freigesetzt. Dann wird das Kaugummi in die Wangentasche geschoben, bis der Geschmack nachlässt. Das Kauen und Pausieren wird dann für bis zu 30 Minuten wiederholt, bis der gesamte Wirkstoff abgegeben ist.
Nicorette® Lutschtabletten lässt man dagegen für circa 20 Minuten im Mund zergehen. Während der Anwendung sollte man nicht essen oder trinken. 15 Minuten vor der Anwendung sollten außerdem saure Getränke und Speisen gemieden werden, denn ein erniedrigter pH-Wert im Mund kann die Aufnahme des Nikotins vermindern.
Bei starken Rauchern oder Rauchern mit Entzugserscheinungen bei einer Monotherapie könne eine Basisversorgung mit dem Pflaster auch mit einer Akuthilfe in Form von Spray, Kaugummi oder Lutschtablette kombiniert werden, sagte Monteiro Barbosa abschließend. Hierbei sollte man jedoch unbedingt die Obergrenze von maximal 64 mg Nikotin/Tag beachten.