Notfall Aortendissektion |
Ein sehr seltener Grund für eine Aortendissektion ist eine Katheter-Untersuchung. / Foto: Getty Images/Catherine Yeulet
Aortendissektionen treten bei etwa drei bis zwölf Menschen pro 100.000 Einwohnern in Deutschland auf. Die Betroffenen sind meistens im höheren Lebensalter, wobei Männer doppelt bis dreimal so häufig wie Frauen erkranken. Für eine Aortendissektion kommen verschieden Ursachen infrage. Menschen mit Arteriosklerose und Bluthochdruck haben ein erhöhtes Risiko, ebenso solche mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche wie dem Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom. Auch bei Gefäßwandentzündungen (Vaskulitiden), Aortendissektionen in der Familie sowie einem bereits bestehenden Gefäßwandschaden wie einem Aortenaneurysma ist das Risiko erhöht. Versehentlich können auch bei interventionellen Eingriffen wie einer Katheter-Untersuchung Dissektionen entstehen.
Je nach Lokalisation des Risses werden nach Stanford verschiedene Typen klassifiziert. Bei einer Dissektion im herznahen, aufsteigenden Abschnitt (Aorta ascendens) liegt Typ A vor. Das trifft auf etwa 65 Prozent der Fälle zu. Unter Typ B fallen alle Dissektionen, an denen weder die Aorta ascendens noch der Aortenbogen beteiligt ist. Risse, die am Aortenbogen nach Abgang der Hals -und Armarterien beginnen, machen etwa 10 Prozent der Fälle aus, die im absteigenden Teil der Aorta (Aorta descendens) etwa 20 Prozent. Dissektionen im Bauchraum sind mit etwa 5 Prozent recht selten.
»Leitsymptom von Aortendissektionen ist ein plötzlich einsetzender, sehr starker, als reißend oder stechend beschriebener Schmerz im Brustbereich, der oft zwischen den Schulterblättern beginnt, oft assoziiert mit einer Bluthochdruckentgleisung«, erklärt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg im Gespräch mit PTA-Forum. Der Schmerz kann nach einer starken körperlichen oder psychischen Belastung auftreten oder sich dadurch verstärken. Manche Patienten haben auch das Gefühl, dass der Schmerz wandert. Bei ihnen schreitet die Dissektion möglicherweise entlang des Verlauf der Aorta fort. Bei einem asymptomatischen Verlauf bleiben die Schmerzen indes aus.
Je nachdem, wie weit sich der Riss ausdehnt und wie kompliziert er verläuft, können weitere Symptome auftreten. »Durchblutungsstörungen in Bauchorganen (Niere, Leber) oder Gliedmaßen (Beine) können die Folge sein, wenn deren Blutversorgung durch die Dissektion gestört ist«, so Böckler. Je nach betroffenem Gebiet zählen dann das akute Koronarsyndrom, Schlaganfall, Querschnittslähmung, ein Darmarterienverschluss, akutes Nierenversagen oder ein akuter Beinarterienverschluss zu den möglichen Komplikationen. Für Patienten äußern sich die Komplikationen durch entsprechende Symptome: Schock und Atemnot bei einer Herzbeteiligung, Schmerzen in den Extremitäten bei Durchblutungsstörungen der Arme oder Beine und Lähmungserscheinungen bei einer Minderversorgung des Rückenmarks. Sind hirnversorgenden Arterien beteiligt, treten die Symptome eines Schlaganfalls auf. Bauch- oder Flankenschmerzen entstehen bei Durchblutungsstörungen des Darms oder der Nieren. Die verletzte Gefäßwand kann auch plötzlich nach außen aufplatzen (Aortenruptur). Innere Blutungen in den Brustkorb oder den Bauchraum können zum sofortigen Tod führen.
Die akute Aortendissektion als potenziell lebensbedrohliches Ereignis ist ein medizinischer Notfall. Ohne Behandlung sterben bei Stanford-A-Dissektionen im ersten Monat 50 Prozent der Patienten. Trotz Operation versterben noch 20 Prozent im ersten postoperativen Monat. Bei Stanford-B-Dissektionen ist die Prognose besser. Bis zu 90 Prozent der Patienten überleben die nächsten zwei Jahre. Postoperativ beträgt die Sterblichkeit innerhalb des ersten Monats nach der Operation jedoch ebenfalls etwa 20 Prozent.
Der Arzt sichert die Diagnose mit sogenannten Schnittbildverfahren. Mittel der Wahl zur Therapieplanung ist eine kontrastmittelgestützte Computertomografie (KM-CT). Zur Erstversorgung bekommen Patienten blutdrucksenkende und schmerzhemmende Medikamente. Die Behandlung hängt davon ab, welche Art der Aortendissektion vorliegt. Menschen mit Typ A-Dissektionen müssen sofort in einer herzchirurgischen Notfall-Operation mit Herz-Lungen-Maschine versorgt werden. Die gerissene Aorta ascendens wird dabei durch eine Kunststoffprothese ersetzt. »Manchmal ist auch eine Herzklappe betroffen, die dann ebenfalls ersetzt werden muss«, so der Facharzt für Gefäßchirurgie.
Bei Typ B nach Stanford können Komplikationen wie eine Minderdurchblutung von Organen oder eine Ruptur der Hauptschlagader auftreten. In diesen Fällen oder auch bei sehr starken therapierefraktären Schmerzen oder Blutdruckkrisen ist auch bei einer Typ B-Dissektion eine operative Behandlung erforderlich. Dabei stabilisiert der Chirurg das Gefäß minimalinvasiv mit einer Stentgraft-Implantation (sogenannte TEVAR-Operation).
»Verläuft die Dissektion asymptomatisch und unkompliziert, kann auf eine Operation verzichtet werden und die Patienten werden konservativ intensivmedizinisch mit wiederholten CT-Kontrollen in der Akutphase behandelt«, erklärt der Experte. Von höchster Bedeutung sei in dieser Zeit eine sorgfältige Blutdruckkontrolle. Dazu kämen vor allem Beta-Blocker und ACE-Hemmer zum Einsatz. Die Überwachung auf der Intensivstation während dieser Akutphase dauert etwa 14 Tage, damit sich die Aortenwand stabilisieren kann und bestenfalls von selbst verheilt. Das ist der Fall, wenn das Blut im Dissektionsspalt gerinnt und den Tunnel dadurch wieder verschließt. Es kann aber auch passieren, dass das Blut weiterhin durch das falsche Lumen fließt, wodurch sich die Hauptschlagader ausdehnt und das Risiko steigt, dass sie reißt. Bei einer erweiterten Aortendissektion ist eine operative Behandlung erforderlich,
Eine weitere Form, die chronische Aortendissektion, unterteilt sich ebenfalls in Typ A- und Typ-B-Dissektionen, entwickelt sich aber schleichend und verursacht kaum bis gar keine Beschwerden. Oft finden Ärzte den Riss zufällig bei einer Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader. Eine Operation ist meist ab einem Durchmesser von 6,5 Zentimeter der Aorta notwendig und wird in der Regel ebenfalls minimalinvasiv endovaskulär durchgeführt.
Nach der Operation ist eine Herzkreislauf-Schulung ratsam, am besten in einer Reha-Klinik. Danach ist die lebenslange ärztliche Nachsorge wichtig. Der Arzt kontrolliert dabei, ob die Blutdruckwerte um die 120/80 mmHg liegen und überprüft alle ein bis zwei Jahre den Zustand der Aorta mit einer KM-CT-Untersuchung. Auch eine ständige Eigenkontrolle ist wichtig. Blutdruckspitzen etwa infolge schwerer körperlicher Arbeit oder durch starkes Training sind zu vermeiden. Eine moderate sportliche Aktivität kann jedoch in Absprache mit dem Arzt gesundheitsfördernd sein.
Chronische Krankheiten sind adäquat zu behandeln. Bei erblich bedingten Bindegewebserkrankungen als Auslöser der Aortendissektion haben die Angehörigen möglicherweise ein erhöhtes Risiko: »Eine genetische Beratung kann den Betroffenen hier Klarheit verschaffen«, so Böckler.