NSAR und Triptane richtig einnehmen |
Medikamente sollten schon bei den ersten Anzeichen der Attacke eingenommen werden, Analgetika/NSAR bereits während der Aura, Triptane erst danach. / Foto: Adobe Stock/Mobilise248
Per Videobotschaft wandte sich die Vizepräsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), Professor Dr. Stefanie Förderreuther, Ende April an Millionen von Kopfschmerz-Patienten. Die Neurologin betonte darin, dass Kopfschmerz- und Migräne Patienten bei regelmäßig auftretenden und somit bekannten Beschwerden zu den gewohnten Schmerzmitteln greifen können.
Eine Covid-19-Infektion werde nicht durch Kopfschmerz-Medikamente begünstigt. Das gelte auch für die Akuttherapie der Migräne mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Triptanen beziehungsweise die Migräne-Prophylaxe mit monoklonalen Antikörpern, die sich direkt gegen das Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP) als wichtigen Migräne-Entstehungsfaktor richten oder den CGRP-Rezeptor blockieren. »Auch diese Antikörper haben keinen Einfluss auf das menschliche Abwehr- und Immunsystem und können wie gewohnt weiter eingesetzt werden«, heißt es in dem DMKG-Video.
In der Regel lässt sich Migräne gut medikamentös behandeln, auch in der Selbstmedikation. Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Hälfte der Patienten mit Migräne ihre Beschwerden nicht vom Arzt abklären lassen und ihre Schmerzen mit rezeptfreien Präparaten selbst angehen. Eine gute Beratung in der Apotheke ist deshalb essenziell. Bei leichteren oder mittelstarken Formen der Migräne gilt ein erster Therapieversuch den Analgetika und NSAR. Diese Wirkstoffgruppen können vielen Patienten bereits zur Genüge helfen. Triptane kommen bei mittelschwerer und schwerer Migräne zum Einsatz oder wenn Analgetika und NSAR keine ausreichende Linderung bringen.
Unter den Analgetika und NSAR ist die Wirksamkeit am besten für Acetylsalicylsäure und Ibuprofen belegt (siehe Tabelle), schreiben die Autoren der S1-Leitlinie Migräne, die 2018 unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) veröffentlicht wurde. Phenazon, Paracetamol, Diclofenac, Metamizol oder Naproxen sowie fixe Kombinationsanalgetika mit Coffein zählen laut Leitlinienautoren nicht zu den Medikamenten der ersten Wahl. In Studien schnitten sie im Vergleich zu ASS und Ibuprofen schlechter ab. Die Leitlinie zur Migräne empfiehlt, Phenazon, Diclofenac und Co. dann einzusetzen, wenn andere NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden. Opioid-Analgetika sollen in der Therapie akuter Migräneattacken nicht verwendet werden.
Wirkstoff | Kommentar |
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Acetylsalicylsäure peroral Einzeldosis 900 – 1000 mg |
• Zur Therapie für Migräneattacken von Kindern zugelassen (500 mg), sofern älter als 12 Jahre • in 1. und 2. Trimenon der Schwangerschaft anwendbar |
Acetylsalicylsäure (Lysin-ASS) i. v. Einzeldosis 1000 mg |
• wirksam in der Behandlung schwerer Migräneattacken • in Kombination mit Metoclopramid wirksamer als 1 g ASS |
Ibuprofen peroral Einzeldosis: 200 mg, 400 mg und 600 mg |
• 200 mg schwächer wirksam als 400 mg • flache Dosis-Wirkungs-Kurve zwischen 400 und 600 mg Ibuprofen • keine Studien für Ibuprofen-Lysinat • zur Therapie für Migräneattacken von Kindern geeignet (10 mg/kg KG) • im 1. und 2. Trimenon der Schwangerschaft anwendbar |
Zur Akuttherapie der Migräne setzen Patienten also am besten 1000 mg ASS ein. In der Kombination mit Metoclopramid scheinen sich additive Effekte zu ergeben. Für die Kombination von ASS plus Vitamin C liegen keine kontrollierten randomisierten Studien vor. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht wirkt, nur dass hierzu keine Untersuchungen durchgeführt wurden.
Evidenzbasierte Studien liegen ansonsten noch für Ibuprofen vor. Allerdings erreicht nur ein kleiner Teil der Migräne-Patienten eine vollständige Schmerzfreiheit. Es konnte gezeigt werden, dass 400 mg Ibuprofen effektiver sind als 200 mg. Die maximale Dosis für Ibuprofen in der Selbstmedikation liegt bei 1200 mg. Studien zu Ibuprofen-Lysinat bei Migräne liegen nicht vor. ASS oder Ibuprofen in Form von Brausetabletten bergen die Vorteile der schnelleren Wirksamkeit und der besseren Verträglichkeit, da dabei keine punktuell hohen Wirkstoffkonzentrationen an der Magenschleimhaut vorliegen.
Bei mittelstarken bis starken Migräneattacken sind Triptane die Mittel der ersten Wahl, heißt es in der Leitlinie. Als spezifische Migränemittel sind sie beim Spannungskopfschmerz unwirksam. Für die Selbstmedikation stehen zwei Arzneistoffe dieser Wirkstoffklasse der sogenannten 5-HT1B/1D-Agonisten zur Verfügung: Naratriptan und Almotriptan. Beide Substanzen verdanken ihre Rezeptfreiheit vor allem ihrem günstigen Nebenwirkungsprofil.
Eletriptan, Frovatriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind weiterhin verschreibungspflichtig. Sie sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken und sollten bei starken Migräneattacken, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen, eingesetzt werden. Sumatriptan subkutan ist die wirksamste Therapie akuter Migräneattacken.
Viele Kopfschmerzpatienten haben Angst, sich mit ihren Medikamenten zu schaden. Daher zögern sie die Anwendung lange hinaus oder nehmen eine zu geringe Dosis. Doch das ist besonders bei einer Migräneattacke kontraproduktiv: Denn Analgetika und NSAR können den rasch zunehmenden Migräneschmerz nur dann effektiv kappen, wenn sie spätestens mit Einsetzen der Kopfschmerzen angewendet und ausreichend hoch dosiert werden. Bei Nichtbeachtung dieser Regeln bleibt der Kopfschmerz bestehen, was den Patienten zur wiederholten Einnahme und den Schmerzmittelgebrauch in die Höhe treiben kann. Nach rund 30 bis 60 Minuten kann der Betroffene mit der Wirkung rechnen. Wichtig: Im Gegensatz zu den Triptanen können die Analgetika/NSAR bereits während der Aura angewendet werden.
Haben sich die Beschwerden dennoch nicht ausreichend gebessert, kann nachdosiert werden. Eine wiederholte Gabe kann vor allem bei Diclofenac aufgrund der kurzen Halbwertszeit sinnvoll sein. Allerdings sollten Einnahmeintervalle und Tageshöchstdosen im Auge behalten werden. Die Leitlinie nennt folgendes Erfolgskriterium: Zwei Stunden nach Anwendung des Präparates sollte der Kopfschmerz abgeklungen sein, oder die Beschwerden sollten sich zumindest von stark/mittelstark zu leicht verbessert haben.
Nicht vergessen: Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac und Co. dürfen bei bestimmten Vorerkrankungen nicht abgegeben werden. So sind sie kontraindiziert bei vorangegangener allergischer Reaktion oder Asthmaanfällen in Zusammenhang mit NSAR, peptischen Ulcera, gastrointestinalen Blutungen, ungeklärten Blutbildungs- und Gerinnungsstörungen sowie bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Paracetamol ist kontraindiziert bei Leberschäden und Nierenversagen.
Migräne-Patienten, die von Übelkeit und Erbrechen geplagt werden, müssen vorsorgen. Denn ohne Rezept sind nur die relativ schwach wirksamen Substanzen Diphenhydramin oder Dimenhydrinat erhältlich. Sie sind in der Leitlinie noch nicht einmal erwähnt. Effektiv helfen dagegen die beiden verschreibungspflichtigen Antiemetika Metoclopramid und Domperidon. Per i.v.-Gabe hat Metoclopramid eine geringe eigenständige Wirkung auf die Kopfschmerzen bei einer Migräneattacke, schreiben die Leitlinienautoren.
Dass beide Antiemetika in der Lage sind, die Magenperistaltik wieder anzukurbeln, die zu Beginn der Attacke oft zum Erliegen kommt, und dass sich dadurch die Resorption und Wirkung der Analgetika oder auch der Triptane verbessern könnte – wie häufig beworben – , hat sich in Studien nicht bestätigt.
Triptan sollten schon bei den ersten Anzeichen des Migränekopfschmerzes eingenommen werden, jedoch keinesfalls in der Auraphase! Dann wirken Triptane noch nicht. Sie müssen frühzeitig und in verordneter Dosis eingenommen werden. Die Erfahrung zeigt, dass Patienten eigenmächtig die Dosis reduzieren. Doch Triptane eignen sich nicht zur Stufentherapie. Im Falle des Wiederauftretens des Kopfschmerzes innerhalb von 24 Stunden darf frühestens zwei Stunden nach der Einnahme des ersten Triptans eine weitere Dosis eingenommen werden.
Die Kombination eines Triptans mit einem Antiemetikum ist möglich, meist jedoch nicht erforderlich. Für Patienten, die unter Übelkeit und Erbrechen leiden, sind Zäpfchen, Nasensprays oder Schmelztabletten eine gute Lösung. Letztere lösen sich ohne Flüssigkeit im Mund auf.
Für Triptane gibt es eine Reihe von Kontraindikationen. Da Triptane in geringem Maße auch Blutgefäße verengen, die nicht ins Migränegeschehen involviert sind, sind kardiovaskuläre Erkrankungen wie jegliche Durchblutungsstörungen des Herzens oder des Gehirns sowie Bluthochdruck ernstzunehmende Kontraindikationen. Vor der Abgabe muss der Apothekenkunde nicht nur nach eventuell bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefragt werden, sondern auch nach möglichen Risikofaktoren wie Diabetes oder der Höhe des Zigarettenkonsums. Weitere Gegenanzeigen: Leber- oder Nierenversagen, gleichzeitige Einnahme anderer gefäßverengender Medikamente, vor allem von Ergotaminen sowie von Monoaminoxidase-Hemmern. In der Selbstmedikation dürfen Triptane nur bei Patienten zwischen 18 und 65 Jahren mit zuvor ärztlich diagnostizierter Migräne abgegeben werden. Maximal zwei Dosen pro Tag sind möglich. /
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Wichtig ist ein bestimmungsgemäßer Gebrauch der Medikamente. Viele Patienten wissen nicht, dass der Häufigkeit des Gebrauchs von Analgetika und Triptanen Grenzen gesetzt sind. Werden sie zu häufig eingenommen, wächst das Risiko, dass Patienten einen Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch, neudeutsch als Medication Overuse Headache (MOH) bezeichnet, entwickeln. Dieses Risiko besteht, so teilt die DMKG mit, unabhängig davon, welcher Wirkstoff enthalten ist und ob es sich um ein Präparat mit nur einem oder mehreren Wirkstoffen handelt.
Die internationale Kopfschmerzklassifikation definiert, dass die Einnahme von Triptanen und Mischanalgetika bereits ab 10 Einnahmetagen im Monat über mehrere Monate hinweg zur Zunahme der Kopfschmerzhäufigkeit führen kann, für Mono-Analgetika gilt eine Einnahmegrenze von 15 Tagen. Am besten auch nicht länger als drei Tage hintereinander einnehmen. Diese Annahmen wurden aus Auswertungen von MOH-Patienten, die sich in ärztliche Behandlung begaben, rückgeschlossen. Valide Studiendaten, die zeigen, dass sich ein MOH unter einer Substanzgruppe deutlich schneller entwickelt als unter einer anderen, liegen nicht vor.