»Nur das Wir bringt uns weiter!« |
In Singen im Landkreis Konstanz am Bodensee machten die Apotheken mobil und demonstrierten für bessere Rahmenbedingungen und mehr politisches Gehör. / Foto: PZ/Ev Tebroke
»Wer sichert die Arzneimittelversorgung trotz Lieferengpässen und kümmert sich um die Problemlösung?« »Wir!«
»Wer berät Patienten in Arzneimittelfragen?« »Wir!«
»Wer macht Medikationsberatung?« »Wir!«
»Wer fertigt individuelle Rezepturen an?“ »Wir!«
»Wer macht 24 -Stunden-Notdienst?«
»Wer liefert Arzneimittel zuverlässig und schnell nach Hause?«
»Wir!«, Wir!, Wir«!
Im baden-württembergischen Singen, dem Zentrum der umliegenden Gemeinden des Hegau im Landkreis Konstanz, haben heute rund 100 Apothekerinnen und Apotheker, PTA und andere Apothekenmitarbeiter ordentlich Radau gemacht. Anlässlich des bundesweiten Protesttags blieben am Mittwoch so gut wie fast alle Apotheken am westlichen Bodensee und im Hegau geschlossen. Stattdessen demonstrierten die Apothekeninhaberinnen und -inhaber und ihr Personal in Singen, nach Konstanz die zweitgrößte Stadt des Landkreises Konstanz.
»Ich freue mich sehr über die hohe Protestbeteiligung«, so Hauptredner PTA Ariel Wagner von der See-Apotheke in Bodman an die Protestierenden. Diese hatten sich ab 11 Uhr vor der notdienstleistenden Sauter-Apotheke im Stadtzentrum versammelt, um mit Transparenten, Flyern und Pfeifen für Radau und Aufmerksamkeit zu sorgen.
Und die bekamen sie auch. Zahlreiche Passanten blieben stehen, nahmen sich Flyer mit, informierten sich vor Ort über die Forderungen der Apothekerschaft nach besserer Honorierung, besseren Rahmenbedingungen und mehr politischer Wertschätzung für ihren Beruf.
Achtung – Apotheken am Limit, lautete das Motto. / Foto: PZ/Ev Tebroke
Der Protest heute sei ein Zeichen an die Politik, »dass der Kittel brennt«, so Wagner weiter. Wagner, zusammen mit Apothekeninhaber Michael Dohm von der Scheffel-Apotheke in Radolfzell Initiator der Demonstration, appellierte an die Apothekenteams, kontinuierlich am Ball zu bleiben und für bessere Rahmenbedingungen zu kämpfen. Sie sollten nicht aufhören, die Politik auf Lokalebene anzusprechen.
Und er betonte: Bei der Forderung nach besseren Rahmenbedingungen gehe es nicht nur um die Belange der Apothekerschaft. Es gehe darum, für die Patienten auch künftig eine verlässliche und gute Arzneimittelversorgung gewährleisten zu können.
»Wir sind nicht nur in eigener Sache hier, wir sprechen auch für die Bevölkerung«, so Wagner, dessen Frau die See-Apotheke führt. Unter den Passanten, die sich vor Ort informierten, war die Resonanz für den Protest durchweg positiv. Auch die vielen Wartenden, die sich im Hintergrund des Protests in die Schlange vor der Notdienstklappe der Sauter-Apotheke einreihen mussten, um ihre Medikamente zu bekommen, waren verständnisvoll.
»Klar, ist das jetzt nervig, hier anstehen zu müssen«, so ein junger Mann auf Anfrage der PZ. Aber er könne die Forderungen nach mehr Honorar nachvollziehen. Seit zehn Jahren keine Honorarerhöhung, dass sei auch vor dem Hintergrund der deutlichen Inflation schon heftig, so der Tenor vieler Passanten. Etliche Wartende hoben auch ihren Unmut über die permanente Nicht-Verfügbarkeit von Medikamenten hervor. Und zeigten Verständnis für den Ärger der Apothekerschaft über die mangelnde politische Wertschätzung ihres täglichen Engpass-Managements.
Unterstützung und Rückhalt für ihren Protest erhielten die Apothekerinnen und Apotheker auch von Ärzteseite, wie Dorothee Endepols, Apothekerin aus Überlingen, der PZ berichtete. »Die Reaktionen sowohl der Patienten in unserer Apotheke, als auch die der umliegenden Ärzte waren sehr positiv«, so die Inhaberin der Plummen-Apotheke.
Bei der Demo ging es neben den konkreten Forderungen der Apothekerschaft auch viel um das Wir-Gefühl. Um das »Gemeinsam an einem Strang ziehen«. »Wir sind wir! Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot, um gegen mangelnde politische Unterstützung und die Ignoranz der Kassen gegenüber unserer Arbeit anzugehen«, betonte Wagner. »Nur das Wir bringt uns weiter!«
Mitinitiator Michael Dohm beendete die Kundgebung mit den Worten: »Heute sind viele Apotheken aus einem großen regionalen Bereich zusammengekommen. Das ist ein großes und starkes Signal«, so der Apotheker, der auch Sprecher des Notdienstkreises Hegau ist. Gegenüber der PZ sagte er: »Ich freue mich sehr, heute hier so viele weiße Kittel zu sehen.«
Enttäuscht ist er von der Politik. Leider war keiner der drei geladenen Politikvertreter erschienen. Da hätte er sich mehr Unterstützung erhofft. Eingeladen zur Demo war etwa Andreas Jung (CDU), Mitglied des CDU-Parteivorstands. Er sei leider verhindert, hieß es. Aber es soll demnächst ein Gespräch mit ihm geben zusammen mit Diana Stöcker, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, war zu vernehmen. Die Apotheker bleiben also in der Tat am Ball.