Nur kleine Tamoxifen-Packungen abgeben |
Tamoxifen gehört zu den versorgungsrelevanten Wirkstoffen. Eingesetzt wird Tamoxifen in der adjuvanten Therapie nach einer Primärbehandlung von Brustkrebs sowie beim metastasierenden Brustkrebs. / Foto: Adobe Stock/MQ-Illustrations
Auf den erneuten Appell des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) macht die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) aufmerksam. Es lägen Hinweise vor, dass Ärzte weiterhin die N3-Größe verordneten und Apotheken die Rezepte daraufhin beispielsweise mit fünf 20-Stück-Packungen belieferten. Das widerspreche dem Beschluss des BfArM-Beirats zum Umgang mit dem Tamoxifen-Engpass. Nur wenn anstatt der üblichen 100 Tabletten kleinere Packungsgrößen verordnet und abgegeben werden, könne »die Versorgung aller Patientinnen und Patienten mit Tamoxifen bis Mai 2022 gelingen«.
Eine Retaxation müssten Apotheken nicht befürchten, wenn sie in der Zeit des Versorgungsengpasses kleinere Packungsgrößen wie 30 Stück oder eine geringere Wirkstärke abgeben, zum Beispiel, wenn zwei Tabletten à 10 mg eine Tablette à 20 mg ersetzen sollen. Der GKV-Spitzenverband habe seinen Mitgliedskassen empfohlen, entsprechende Rezepte nicht zu beanstanden. Ebenso ist vereinbart, dass die Verordnungen der kleinen Packungsgrößen bei Ärzten nicht in die Wirtschaftlichkeitsprüfungen fließen. Bei Fragen können Apotheken sich an den Landesapothekerverband wenden.
Alle Informationen zur voraussichtlichen Verfügbarkeit tamoxifenhaltiger Arzneimittel und zu den importierten Arzneimitteln sind auf der BfArM-Website zu finden.
Um eine lückenlose Versorgung mit tamoxifenhaltigen Arzneimitteln zu gewährleisten, hat das BfArM im Februar 2022 verschiedene Maßnahmen beschlossen. Dazu gehörte die offizielle Feststellung eines Versorgungsmangels. Das machte es möglich, tamoxifenhaltige Arzneimittel aus anderen Ländern zu importieren und in Verkehr zu bringen. Apotheken können die Tamoxifen-Präparate in der Regel auf Basis einer ärztlichen Verordnung beim Großhandel bestellen, jedoch nicht auf Vorrat. Auch die Aufforderung an die behandelnden Ärzte, kleinere Packungen oder tamoxifenhaltige Präparate mit geringerer Stärke – 10 mg statt 20 mg – zu verordnen, soll die fortlaufende Versorgung sicherstellen.
Die anlässlich der Corona-Pandemie geschaffenen Sonderregeln bei der Rezeptbelieferung sind aktuell noch bis zum 31. Mai 2022 in Kraft (SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung). Diese erlauben es Apotheken unter anderem, auf eine andere Packungsgröße auszuweichen, wenn kein Arzneimittel in der verordneten Packungsgröße vorrätig oder lieferbar ist. Gleiches gilt für die Wirkstärke. Zu beachten ist, dass die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten werden darf. Das Rezept ist mit der Sonder-PZN für Akutversorgung (Faktor 5 oder 6) zu kennzeichnen.
Apotheken dürfen zudem Teilmengen aus einer größeren Packung abgeben, wenn eine kleinere Menge verordnet ist und keine entsprechende Packung lieferbar. Dazu wird bei der ersten Auseinzelung neben der PZN des Arzneimittels die Sonder-PZN 06461127 aufgedruckt und der vollständige Preis der Packung abgerechnet. Die weiteren Abgaben von Teilmengen aus dieser Packung werden mit dem Sonderkennzeichen 06461133 kenntlich gemacht und mit 6,90 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) vergütet. Die Zuzahlung muss der Patient jeweils übernehmen.
Das Ausweichen auf kleinere Packungen und geringere Stärken spiegelt sich laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) bereits in der Zahl der verordneten Packungen je Verordnung wider, da Patientinnen, die 10 mg Tamoxifen statt der sonst üblichen 20 mg erhalten, die doppelte Anzahl Tabletten für eine konstante Therapie benötigen.
»Die Behandlung kann so zwar gesichert werden, aber die Patientinnen und Patienten werden durch die je Packung fällige Zuzahlung finanziell stärker belastet. Abzuwarten bleibt, wie sich die Lage bis zur Behebung des Engpasses weiterentwickelt«, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. Einzelberichten zufolge gebe es zurzeit streng kontingentierte Belieferungen der Apotheken durch den Großhandel und in der Folge auch Wartezeiten bis zur Versorgung. Nach Berechnungen des Zi sind mindestens 100.000 Patientinnen vom derzeitigen Lieferengpass bei tamoxifenhaltigen Arzneimitteln betroffen.
Laut BfArM sind die Ursachen des Versorgungsmangels »vielgestaltig«. Eine einzige Ursache könne nicht definiert werden, vielmehr führten »Wechselwirkungen verschiedener Effekte« zur kritischen Versorgungssituation. Die Herstellung von Tamoxifen sei komplex und aufwändig. Es bedürfe mehrerer Wochen Vorlaufzeit für die weitere Produktion. Eine vorgezogene Produktion von Chargen haben die Pharmaunternehmen angestoßen, was auf neue Verfügbarkeiten Ende April hoffen lässt.
Der Verband Pro Generika sieht den niedrigen Erstattungspreis, den die Krankenkassen festlegen, als eine Ursache für den Lieferengpass bei Tamoxifen. »Egal ob die Produktionskosten steigen oder ein kostenaufwändiger Transfer zu einem anderen Zulieferer nötig wird: Ein Hersteller erhält für die Dreimonatspackung Tamoxifen 8,80 Euro.« Das bedeutet: Ein Hersteller müsse zu diesem Preis kostendeckend produzieren. Schafft er das nicht, müsse er sich aus der Versorgung zurückziehen.
Letzteres sei in den vergangenen Jahren bei Tamoxifen auf allen Ebenen der Lieferkette geschehen. Die Folge sei eine gefährliche Marktverengung. Gab es Ende 2006 noch 19 Hersteller von Tamoxifen-Arzneimitteln in Deutschland, sind es heute nur noch vier, die den Großteil des Marktes versorgen und dabei zum Teil auf identische Zulieferer zurückgreifen.
Blickt man über die Landesgrenzen auf die Preise, die andere Gesundheitssysteme für Tamoxifen bezahlen, fällt auf: Kaum ein westeuropäisches Land gibt so wenig für dieses Arzneimittel aus wie Deutschland. Schon in direkter Nachbarschaft bezahlen die Krankenkassen deutlich mehr. Rund das Doppelte ist es in Frankreich und den Niederlanden sowie das Sechsfache in Österreich.