Nutzen durch Putzen |
Caroline Wendt |
21.02.2025 15:00 Uhr |
Bakterien und Essensreste einfach wegputzen: Ein gute Mundhygiene sorgt nicht nur für einen frischen Atem, sondern schützt auch vor Krankheiten. / © Getty Images/Ridofranz
»Das Zahnweh, subjektiv genommen, ist ohne Zweifel unwillkommen«, dichtete schon Wilhelm Busch. Damit es gar nicht so weit kommt, ist eine gute Mundhygiene von entscheidender Bedeutung. Denn in der Mundhöhle leben mehr als 500 verschiedene Mikroorganismen, also Bakterien, Viren und Pilze. In der Regel erfüllen sie wichtige Aufgaben in unserem Organismus, da die Verdauung von Nahrung bereits im Mund beginnt. Die Mikroorganismen spalten beispielsweise Proteine auf oder zersetzen Zucker. Ist jedoch das Gleichgewicht der Mundflora gestört oder gibt es ein Überangebot an zuckerhaltiger Nahrung – durch falsche Ernährung oder schlechte Mundhygiene –, können einige Bakterien dem Zahnschmelz schaden.
Streptococcus mutans wird derzeit als der wichtigste Verursacher von Karies angesehen. Er ist eigentlich nicht Bestandteil der Mundflora, trotzdem ist dieser Keim fast bei jedem nachweisbar. Er wird durch Ansteckung, beispielsweise beim gemeinsamen Nutzen eines Löffels und so meist schon von den Eltern auf das Baby, übertragen.
Der Zahnbelag, auch Plaque genannt, setzt sich hauptsächlich aus Mikroorganismen, Wasser und Polysacchariden zusammen. Streptococcus mutans ist der Hauptbewohner dieses Biofilms. Er fermentiert Kohlenhydrate, insbesondere Zucker, zu Milchsäure (Laktat). Der daraus resultierende pH-Abfall demineralisiert den Zahnschmelz. Calcium und Phosphat werden aus der Oberfläche des Zahns gelöst und schaffen so nach und nach das berühmte Loch im Zahn.
Dieses wird umso größer, je länger und häufiger die Zähne dieser säurehaltigen Umgebung ausgesetzt sind. Das Bakterium selbst ist säuretolerant, was ihm einen Vorteil gegenüber anderen Keimen verschafft. Und Streptococcus mutans hat noch einen weiteren Trick auf Lager: Bei der sogenannten glucanvermittelten Adhärenz bilden die Bakterien aus der im Speisebrei enthaltenen Saccharose extrazelluläre Glucanpolymere, also lange glykosidisch verknüpfte Glucoseketten. Diese dienen als Kleber, mit dessen Hilfe die Bakterien am Zahnschmelz haften bleiben können. Einige Stämme von Streptococcus mutans bilden zudem Proteasen, welche im Speichel enthaltene IgA-Antikörper deaktivieren und somit die Immunabwehr schwächen.
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Speichel enthält mehr als 50 verschiedene antimikrobielle Peptide und Immunglobuline und reduziert so die aus der Umwelt eindringenden Keime, auch Streptococcus mutans. Speichel kann jedoch noch mehr: Er umspült die Zähne und entfernt Speisereste. Zudem kann er Säuren neutralisieren und durch enthaltene Mineralien, vor allem Calciumphosphate, den Zahnschmelz ein Stück weit remineralisieren.
Doch nicht jeder Befall mit Streptococcus mutans führt unweigerlich zu Karies. Es kommt – wie so oft – auf die Konzentration an. Zudem lässt sich der Biofilm mechanisch entfernen. Wie? Ganz einfach, mit Zahnbürste und interdentalen Hilfsmitteln, also Zahnseide oder Interdentalbürsten.
Zu einer guten Mundhygiene zählt, zweimal täglich mit einer fluoridhaltigen Zahncreme die Zähne zu putzen, egal in welchem Alter. Bei den ganz Kleinen ist das die Aufgabe der Eltern. Mehr zum Thema Fluorid und der richtigen Dosierung finden Sie in unserer Serie »Beratung kompakt«.
Doch nicht nur die Zahncreme, auch die Zahnbürste sollte dem Alter angepasst sein. Kleiner Zahnbürstenkopf mit weichen Borsten für die Kleinen, etwas größer und etwas härter für die Älteren. Zahnbürsten mit einem breiteren Griff erleichtern das Festhalten, gerade bei kleinen Kindern, deren Motorik noch nicht vollständig ausgereift ist. Ähnlich verhält es sich bei Erwachsenen: Patienten mit kleinem Mund sollten auf Zahnbürsten mit einem kleinen Kopf achten, damit auch die hinteren Backenzähne von allen Seiten gereinigt werden können. Weiche Zahnbürsten sind bei Patienten mit empfindlichem Zahnfleisch zu empfehlen. Harte Zahnbürsten können besser den festsitzenden Biofilm wegschrubben. Als Kompromiss können Bürsten mittlerer Härte angesehen werden.
Kinder dürfen und sollen ab dem vollständigen Milchgebiss üben, selbst ihre Zähne zu putzen. Gemäß dem Bundesverband der Kinderzahnärzte empfehlen die meisten Zahnärzte die sogenannte KAI-plus-Systematik: Kauflächen, Außenflächen, Innenflächen und quer. Das geht so:
Zähneputzen soll Spaß machen, das ist nicht immer leicht zu vermitteln. Doch ohne Druck und mit einigen Tipps und Tricks können die Jüngsten an eine gute Mundhygiene herangeführt werden. / © Adobe Stock/Kirill Ryzhov
Das Plus in der empfohlenen Systematik steht für: Die Eltern putzen nach. Erst wenn Kinder die Schreibschrift flüssig beherrschen, ist ihre Motorik so weit entwickelt, dass sie ihre Zähne allein putzen können. Im Zweifelsfall können der Zahnarzt oder die Prophylaxeassistenz einschätzen, ob der Nachwuchs schon selbst mit der Aufgabe betraut werden kann.
Neben der richtigen Technik ist auch die Dauer von Bedeutung. Zwei Minuten sollten es schon sein, um Essensreste und Plaque zu entfernen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) sind nach zwei Minuten Putzen durchschnittlich 41 Prozent des Zahnbelags entfernt, während eine Minute nur 27 Prozent der Plaque reduziert. Nach dem Verzehr säurehaltiger Nahrungsmittel sollte man mit der Reinigung allerdings etwa eine halbe Stunde warten, um den Zahnschmelz nicht zusätzlich zu schädigen. Denn die Säure macht den Zahnschmelz weicher. Missachtet man diesen Rat regelmäßig, kann das zu Erosion am Zahnschmelz und kleinen Dellen an den Zähnen führen.
Regelmäßiges Kauen von zuckerfreiem Kaugummi kann ebenfalls helfen, das Kariesrisiko zu senken. Gemäß der Leitlinie kann dies besonders nach den Mahlzeiten empfohlen werden. Der Grund: Das Kauen regt den Speichelfluss an und erhöht dessen pH-Wert. Zudem wird die Plaquebildung verringert und die Konzentration von Mutans-Streptokokken sinkt.
Da die Zahnbürste nur etwa 70 Prozent der Zahnoberfläche reinigt, sollte die tägliche Reinigung der Zahnzwischenräume fester Bestandteil einer guten Mundhygiene sein. Hierfür eignen sich Zahnseide oder Interdentalbürsten. Zudem kann ein sogenannter Zungenschaber verwendet werden. In den Vertiefungen auf der Zungenoberfläche (Krypten) tummeln sich zahlreiche Bakterien. Insbesondere Patienten mit Mundgeruch kann die Anwendung empfohlen werden.
Und nun zur Glaubensfrage: Was reinigt die Zähne besser, eine normale Handzahnbürste oder die elektrisch betriebene? Und was ist mit Schall- beziehungsweise Ultraschall-Zahnbürsten? Die S2k-Leitlinie aus dem Jahr 2016 der DGZ und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) stellt fest, dass sowohl kurzzeitige als auch langzeitige Studien gezeigt haben, dass mit elektrischen Zahnbürsten mehr Plaque entfernt werden kann. Ob diese Studien jedoch auch klinische Relevanz haben, sei noch unklar. Grundsätzlich lasse sich der Biofilm auch mit einer Handzahnbürste entfernen.
Elektrische Zahnbürsten haben einen runden, rotierenden Kopf. Je nach Hersteller üben sie zwischen 100 bis zu mehrere 1000 Schwingungen pro Minute aus. Dabei ist die Bewegung nicht gleichmäßig rund, sondern oszillierend. Das heißt, der Bürstenkopf schwingt hin und her. Wichtig beim Gebrauch einer elektrischen Zahnbürste: Nicht über die Zahnreihen wischen, sondern jeden Zahn einzeln mit ausreichend Zeit reinigen.
Noch schneller als die rotierend-oszillierenden Zahnbürsten sind Schallzahnbürsten. Hier werden die Borsten über Magnetimpulse in Schwingung versetzt und kommen so auf bis zu 60.000 Schwingungen pro Minute. Nicht zu verwechseln sind Letztere mit Ultraschall-Zahnbürsten. Hier bewegen sich nicht die Borsten, sondern der Zahn selbst wird mit einer Schwingungsfrequenz von 300 Hertz gereinigt (entspricht etwa 96 Millionen Schwingungen/Minute). Zusammen mit einer speziellen Ultraschall-Zahncreme werden Bläschen erzeugt, die den Schmutz wegsprengen. Der Vorteil solcher Zahnbürsten ist noch nicht belegt.
Nicht nur Kinder brauchen mitunter Hilfe beim Reinigen der Zähne, auch mit zunehmendem Alter oder bei Vorliegen verschiedener Erkrankungen kann es zu Problemen kommen. So können sich beispielsweise manche Patienten mit Parkinson, Demenz oder nach einem Schlaganfall nicht mehr selbst um die Mundhygiene kümmern. Hier sind dann die pflegenden Angehörigen oder das Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen gefragt.
Im ersten Schritt sollte dem Patienten in Ruhe erklärt werden, dass nun die Zähne geputzt werden. Während der Reinigung sollte er aufrecht sitzen. Ist das nicht mehr möglich, kann das Kopfende des Bettes aufgerichtet werden. Zum Ausspülen und Spucken sollte eine ausreichend große Schale bereitstehen. Beim Putzen gelten dann die gleichen Regeln wie sonst auch: kleine kreisende Bewegungen und von Rot nach Weiß. Die Verwendung einer elektrischen Zahnbürste kann hier von Vorteil sein. Die Reinigung der Zahnzwischenräume kann allerdings für Ungeübte kompliziert werden. Spezielle Applikatoren für die Zahnzwischenraumbürsten erleichtern die Anwendung und mindern den Würgereiz der Patienten. Möchte oder kann der Pflegebedürftige seinen Mund nicht mehr öffnen, kann man – ebenfalls bei aufrechter Sitzposition – versuchen, den Mund mit einem Tupfer und einer entzündungshemmenden Lösung zu reinigen.
Der Kunststoff von Zahnprothesen ist empfindlich und sollte nicht mit spitzen Gegenständen bearbeitet werden. Um die Dritten dennoch sauber zu bekommen, eignen sich spezielle Prothesenzahnbürsten. / © Getty Images/Nemo1963
Und auch die sogenannten Dritten brauchen die richtige Pflege. Das Gebiss einfach rauszunehmen und in ein Glas mit einem Gebissreiniger-Tab zu legen, reicht nicht aus. Auch hier ist Handarbeit gefragt, am besten mit einer speziellen Prothesen-Zahnbürste. Die Reinigungs-Tabs sollten nur einmal wöchentlich zum Einsatz kommen, um den empfindlichen Kunststoff der Prothese nicht zu schädigen. Ebenfalls problematisch kann normale Zahncreme sein, denn diese enthält oftmals Schleifpartikel. Besser ist die Verwendung einer speziellen Prothesen-Zahnpasta oder einer pH-neutralen Flüssigseife. Hartnäckige Beläge wie Zahnstein können vom Zahnarzt entfernt werden.
Analog zur Prothesenreinigung entfernt der Zahnarzt oder die Prophylaxeassistenz Zahnstein und Plaque bei einer professionellen Zahnreinigung (PZR). Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) rät, diese ein- bis zweimal jährlich durchführen zu lassen. Denn auch bei sehr sorgfältiger Zahnpflege zu Hause, kann sich Plaque an schwer zugänglichen Stellen im Mund ansammeln. Mit einem Pulverstrahlgerät werden zudem mittels eines Luft-Natriumbicarbonat-Gemisches und eines Wasserstrahls Verfärbungen von beispielsweise Kaffee, Tee oder Nikotin entfernt. Die darauffolgende Politur dient dazu, Bakterien weniger Halt zu bieten. Die Oberfläche der Zähne sowie Übergänge zu Füllungen oder Kronen werden geglättet. Im letzten Schritt erhalten die Zähne noch einen Fluoridlack als zusätzlichen Schutzfilm. Der Nutzen einer PZR ist wissenschaftlich allerdings nicht belegt.
Plaque setzt sich hauptsächlich aus Mikroorganismen, Wasser und Polysacchariden zusammen. Wird er nicht oder nur unzureichend entfernt, kann er sich mit Mineralien wie Calciumphosphat verbinden und es entsteht Zahnstein. Dieser kann im Gegensatz zu Plaque nicht einfach weggeputzt werden, sondern bedarf der regelmäßigen Entfernung beim Zahnarzt. Andernfalls würde die durch den Zahnstein aufgeraute Oberfläche das Anheften von weiteren Bakterien begünstigen.
Neben der Kariesprävention beugt eine gute Mundhygiene auch Zahnfleischentzündungen (Gingivitis) und Entzündungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis) vor. Diese werden ebenfalls durch Bakterien des Biofilms ausgelöst. Die sogenannten Marker- oder Leitkeime sind hierbei Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia, Treponema denticola, Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Prevotella intermedia. Nimmt die Anzahl der Bakterien im Mund zu und verschiebt sich die Zusammensetzung der Mundflora ins Krankhafte (Dysbiose), reagiert der Körper mit einer Entzündungsreaktion. Bei einer Gingivitis ist das Zahnfleisch gerötet, geschwollen und blutet leicht. Diese Phase der Entzündung ist reversibel. Schreitet die Krankheit weiter voran, können Bakterien unter anderem durch Proteasen den Zahnhalteapparat, bestehend aus Knochen und kollagenen Fasern, angreifen. Dann ist der Prozess nicht mehr umkehrbar und kann bei schweren Verläufen unbehandelt bis hin zum Zahnverlust führen.
In Deutschland sind etwa 52 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und 65 Prozent der 65- bis 74-Jährigen von einer moderaten bis schweren Parodontitis betroffen. Ein erhöhtes Risiko für einen parodontalen Verlauf haben unter anderem Raucher, Patienten mit Typ-2-Diabetes oder Schwangere. Aber auch eine genetische Disposition oder Stress können die Erkrankung begünstigen. Umgekehrt können die Bakterien einer Parodontitis oder Produkte der Immunantwort wie Interleukine selbst Krankheiten auslösen oder verstärken. So haben Parodontitis-Patienten ein bis zu 15-fach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall, einen Hirnabszess, eine Lungenerkrankung wie COPD oder Diabetes mellitus zu entwickeln, ist erhöht. Die Freisetzung von Prostaglandinen erhöht bei Schwangeren das Risiko für eine Frühgeburt.
Das Hauptaugenmerk zur Prävention einer Gingivitis und somit auch einer Parodontitis sollte auf einer guten Mundhygiene liegen. Die wichtigsten Werkzeuge sind auch hier Zahnbürste und Interdentalbürsten. Letztere, insbesondere die zylindrisch geformten, werden von den Experten von DG PARO und DGZMK als effektiver als Zahnseide eingestuft. Diese sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Zwischenräume nicht mit Interdentalbürsten erreicht werden können.
Interdentalbürsten oder Zahnseide? Auf die Größe des Zahnzwischenraums kommt es an. / © Adobe Stock/Andriy Medvediuk
Da durch die mechanischen Hygienemaßnahmen häufig der Biofilm nicht ganz entfernt werden kann, kann eine zusätzliche Verwendung von Mundspüllösungen empfohlen werden. Hiermit hat sich die gemeinsame S3-Leitlinie »Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis« der DG PARO und der DGZMK von 2018 befasst. Das Ergebnis: Die Anwendung von Mundspüllösungen mit den antimikrobiellen Wirkstoffen Aminfluorid/Zinnfluorid (zum Beispiel Meridol®), ätherischen Ölen (zum Beispiel Salviathymol® N), Cetylpyridiniumchlorid (zum Beispiel Gum® Paroex®), Chlorhexidin (zum Beispiel Chlorhexamed® forte) sowie Triclosan/Copolymer zeigte in einer Metaanalyse statistisch signifikante Effekte im Vergleich zur alleinigen mechanischen Reinigung auf die Reduktion von Gingivitis. Am besten haben dabei ätherische Öle, Chlorhexidin sowie Triclosan/Copolymer abgeschnitten. Aufgrund des Verdachts gesundheitlicher Risiken und zur Resistenzvermeidung, wird Triclosan immer seltener eingesetzt. Die Anwendung im medizinischen Bereich wird nach wie vor als sachgerecht eingestuft.
Zur kurzfristigen Therapie der Zahnfleischentzündung (zwei bis vier Wochen) empfehlen die Experten chlorhexidinhaltige Spüllösungen ≥ 0,1 Prozent. Ist eine längerfristige Anwendung im Rahmen einer Prävention notwendig – zum Beispiel bei Patienten, die Chemotherapeutika und/oder Bestrahlung erhalten oder bei Pflegebedürftigen – können Formulierungen mit Aminfluorid/Zinnfluorid, ätherischen Ölen, Cetylpyridiniumchlorid oder Chlorhexidin in Erwägung gezogen werden.