Ohne Lust hilft nichts |
Isabel Weinert |
08.05.2025 12:00 Uhr |
Ab und an keine Erektion trotz sexueller Reize ist völlig normal. / © Adobe Stock/Kawee
Von einer Erektilen Dysfunktion (ED) sprechen Mediziner, wenn über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr in 70 Prozent der »Versuche« keine Erektion zustande kommt oder eine derart schwache, dass eine Penetration nicht möglich ist. Der »normalste« Risikofaktor für eine Erektile Dysfunktion ist das Alter: Etwa die Hälfte der Männer über 60 Jahre leider darunter, bei den 40- bis 49-Jährigen soll es jeder Zehnte sein. Allerdings gehen Forschende von einer hohen Dunkelziffer aus, weil das Thema für Männer meistens schmerzlich und beschämend ist, weshalb sie es selbst beim Arzt nicht immer ansprechen. Dabei ließe sich in vielen Fällen etwas für die Standfestigkeit des Penis tun. Dafür bedarf es zunächst der Ursachensuche. Das gilt für jedes Lebensalter, in dem eine Erektile Dysfunktion auftritt. Was laut einer Studie eines Forschungsteams der Valparaiso University, Indiana, nichts am Erektionsvermögen ändert, ist der (auch häufige) Konsum von Ponografie. Und auch Masturbation wirkt sich nicht negativ aus.
Einen großen Einfluss hat hingegen die Psyche, vor allem bei jüngeren Männern mit ED. Depressionen, Angststörungen, dauerhafter Stress etwa können die Erektion beeinträchtigen. Männer bitten jedoch gerade im Bereich der Seele seltener um Hilfe als Frauen. Das zeigen Untersuchungen und Zahlen, so etwa die der HKK (Handelskrankenkasse) aus 2022. Danach war von denjenigen Versicherten, die Kontakt zu einem Psychotherapeuten hatten, nur ein Drittel männlich. Auch melden sich Männer seltener wegen psychischer Probleme krank als Frauen. Das Bewusstsein, seelisch belastet sein zu dürfen und sich Hilfe zu suchen, hinkt der Realität beim männlichen Geschlecht noch hinterher. Und das, obwohl eine Psychotherapie oder eine sexualmedizinische Behandlung das Problem positiv beeinflussen könnte. Die »Internisten im Netz« raten dazu, bei einer Psychotherapie möglichst auch den Menschen zu involvieren, mit dem der betroffene Mann sexuell aktiv ist.
Bei älteren Männern liegen dem Geschehen in 90 Prozent der Fälle organische Ursachen zugrunde. Schleicht sich eine ED ins Sexualleben, dann kann das darauf hinweisen, dass sich kleinste Blutgefäße ateriosklerotisch verändern und einfach nicht mehr genug Blut in den Penis gelangt, um ihn anschwellen zu lassen. Deshalb gilt eine ED immer auch als ein Warnsignal für den Zustand von Herz und Kreislauf. Denn die Arteriosklerose, die sich zuerst in einer ED zeigt, kann auch am Herz-Kreislauf-System den Blutstrom aufhalten und Herzinfakt und Schlaganfall bedingen. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb Männer mit ED nicht einfach eine kleine blaue Pille im internet bestellen sollen – wovon aus Gründen der Arzneimittelsicherheit ohnehin abzuraten ist –, sondern sich einem Arzt vorstellen sollten.
Eine mögliche Unterscheidung zwischen seelischen und körperlichen Ursachen einer ED lässt das Ausmaß nächtlicher Erektionen zu. Sie gehören zum physiologischen Repertoire des Mannes und zeigen sich bereits im Säuglingsalter, haben also mit Sexualverhalten nichts zu tun. Häufig münden diese REM-Schlaf-abhängigen Erektionen in der morgendlichen Erektion, die Männer beim Aufwachen bemerken. Stellen sie fest, dass diese Erektion überhaupt nicht mehr vorkommt oder nur sehr selten, dann spricht das eher für ein organisches als für ein psychisches Geschehen.
Neben einer Artersiosklerose als wichtiger Ursache eine ED kommen Diabetes, Morbus Parkinson und auch eine Demenz ursächlich infrage. Unter den hohen Blutzuckerwerten durch Diabetes leiden sowohl kleinste Blutgefäße als auch Nerven. Beides muss aber gesund sein, damit ein Penis erigieren kann. Sexuelle Störungen aufgrund einer Parkinson-Erkrankung erleidet etwa die Hälfte der männlichen Patienten und hier vor allem diejenigen unter 50 Jahren. Dabei tritt die ED nicht nur als Folge der Grunderkrankung auf, sondern kann auch Nebenwirkung eingesetzter Medikamente sowie seelischer Belastungen durch die Krankheit an sich sein. Bei Demenz führt man die ED am ehesten auf den kognitiven Abbau zurück. Probleme mit der Erektion können auch begleitend zu neurologischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS) auftreten, mit einer gutartigen Vergrößerung der Prostata in Zusammenhang stehen und Folge bestimmter Operationen sein. Zu den Medikamenten, die das Erektionsvermögen beeinträchtigen können, zählen Antidepressiva, teilweise Medikamente gegen hohen Blutdruck, Antipsychotika und Antikonvulsiva sowie Opioide.
Wenn ein Mann Lust auf Sexualität verspürt, aber die Erektion nicht zustande kommt, helfen Phosphodiesterase-Hemmer (PDE-5-Hemmer) und zwar relativ unabhängig davon, ob die Ursache seelischer oder körperlicher Natur ist. Die Medikamente Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil entspannen die glatten Muskelzellen in den Schwellkörpern, Blut kann einströmen und die Erektion herbeiführen. Mögliche, aber vorübergehende Nebenwirkungen sind Kopf- und Magenschmerzen, Gesichtsrötung, verstopfte Nase und Sehstörungen.
Die »Internisten im Netz« raten von den Medikamenten dann ab, wenn ein Mann unter einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungg leidet, vor weniger als einem halben Jahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatte, wenn die Leber schwer geschädigt ist, ein Mann im Notfall Nitrate wegen Angina Pectoris braucht sowie bei einigen Antihypertensiva.
Mitunter gehen Männer davon aus, es mangele ihnen an Testosteron, wenn der Penis nicht mehr steif wird. In den allermeisten Fällen liegt es aber nicht daran. Nur bei einem nachgewiesenen, echten Testosteronmangel kann das Hormon als Injektion, Gel, über Pflaster oder oral substituiert werden. Die ED vergeht dadurch jedoch meistens zumindest nicht vollständig.
Operative Eingriffe beseitigen das Problem, wenn etwa die Penisarterien nicht genug Blut hindurchlassen oder aber der Blutabfluss in den Venen des Penis erhöht ist. Allerdings kommen diese Verfahren ebenso wie andere Medikamente sowie mechanische Methoden gegen ED seit Einführung der PDE-5-Hemmer selten zum Einsatz.