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Lösung, Suspension und Kapseln

Pädiatrische Rezepturen sicher herstellen

»Kinder brauchen maßgeschneiderte Arzneimittel und nichts von der Stange für Erwachsene«, so Apothekerin Dr. Stefanie Melhorn vom DAC/NRF. Sie erklärte im Rahmen des 8. Westfälisch-lippischen Apothekertags in Münster, was es bei pädiatrischen Rezepturen alles zu beachten gibt – und das ist einiges.
Daniela Hüttemann
22.09.2021  14:00 Uhr

Der Einsatz von Fertigarzneimitteln sei umso schwieriger, je jünger die Patienten seien. Neben Off-Label-Nutzung seien hier vor allem unpassende Dosierungen und Darreichungsformen das Problem. Besonders problematisch ist es für schwer kranke oder frühgeborene Kinder. Gemeinsam mit dem ADKA – Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker hat das DAC/NRF bereits einige Standards für die wichtigsten Arzneistoffe erarbeitet, um Therapielücken zu füllen, zum Beispiel Captopril-Lösung 2 mg/ml (NRF 10.5.).

Die Top-10-Wirkstoffe in der pädiatrischen Rezeptur im Krankenhaus sind Melhorn zufolge: Propranololhydrochlorid (Lösung, Kapseln), Spironolacton (Suspension, Kapseln), Sildenafilcitrat (Suspension, Kapseln), Hydrochlorothiazid (Suspension, Kapseln), Hydrocortison (Suspension, Kapseln), Flecainidacetat (Suspension), Enalaprilmaleat (Lösung), Acetazolamid (Suspension), Amlodipinbesilat (Suspension) und Melatonin (Suspension, Kapseln). Für sechs davon gibt es mittlerweile standardisierte Rezepturvorschriften, weitere wichtige pädiatrische Wirkstoffe wie Koffein oder Metoprololtartrat sind ebenfalls im DAC/NRF standardisiert.

Gibt es keine Rezepturvorschrift, sollte man folgende Punkte bei der Entwicklung eines galenischen Konzepts beachten:

  1. Eigenschaften des Wirkstoffs, zum Beispiel Löslichkeit
  2. Um Rezepturarzneimittel in das Kind zu bekommen, müsse der Geschmack mit geeigneten Süßungsmitteln oder Aromen maskiert werden.
  3. Alle Bestandteile, also auch alle Hilfsmittel, müssen für Kinder geeignet sein. »Wir können hier leider nicht aus dem Vollen schöpfen, vor allem bei den Konservierungsmitteln«, so Melhorn.
  4. Die Dosierung soll bei Flüssigkeiten nach Volumen erfolgen, dabei soll die Konzentration möglichst in Gramm pro Milliliter angegeben werden. Pulver zur Einnahme, die in Kapseln abgefüllt werden, sollten dagegen nach massenbasierten Verfahren hergestellt werden.
  5. Das Applikationsvolumen darf gerade bei den Kleinsten nicht zu groß sein.

Ziel sei zudem, möglichst wenige Inhaltsstoffe zu haben. Melhorn ging im Folgenden auf spezifische Probleme bei der Herstellung von Lösungen, Suspensionen und Kapseln ein.

Darreichungsform Lösung

Entscheidend ist, ob sich der gewünschte Wirkstoff in Wasser löst, denn andere Trägermedien kommen in der Pädiatrie nicht infrage. Angaben dazu finden sich in den Arzneibuchmonographien. Gut lösliche Wirkstoffe können zu Lösungen verarbeitet werden, schwer lösliche als Suspension. Die Löslichkeit von Wirkstoffen lasse sich zum Teil durch Salzbildung oder Lösungsvermittler erhöhen (bei Kindern kein Alkohol oder Propylenglykol, besser Glycerol oder Sorbitol, die auch gleich süßen).

Die Einwaage geringer Wirkstoffmengen sollte auf einer Wägeunterlage und mit Rückwägung erfolgen. Die Herstellungsreihenfolge kann wichtig sein, zum Beispiel sollte man erst Kaliumsorbat lösen und dann ansäuern, nicht umgekehrt. »Bei manchen Wirkstoffen ist gegebenenfalls ein Erwärmen nötig. Dann müssen Sie unbedingt die Verdunstungsverluste ausgleichen, damit die Konzentration stimmt«, so Melhorn. Bei Wärmeanwendung muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass der Wirkstoff auch bei Abkühlen auf Raumtemperatur vollständig in Lösung bleibt.

Darreichungsform Suspension

Bei in Wasser schwer löslichen Arzneistoffen bleibt die Herstellung einer Suspension. Wichtige zu beachtende Parameter sind hier das Sedimentationsverhalten, eine Aus- oder Umkristallisierung, wenn der Wirkstoff teilweise löslich ist, die Aufschüttelbarkeit und Dosiergenauigkeit. Hier ist der Entwicklungsaufwand höher als bei Lösungen, so die NRF-Expertin, dafür werden Wirkstoffe als weniger bitter wahrgenommen. 

»Im ambulanten Bereich können wir in der Regel nicht auf eine Konservierung verzichten«, erinnerte die Apothekerin. In der Pädiatrie am ehesten geeignet seien Sorbinsäure und Methyl-4-Hydroxybenzoat, wohingegen Propyl-4-hydroxybenzoat nicht verwendet werden soll, da ihm eine hormonartige Wirkung nachgesagt wird. Verdickungsmittel wie Tragant oder Hydroxyethylcellulose verringern die Sedimentationsgeschwindigkeit. »Da Tragant im Prinzip eine pflanzliche Droge ist, müssen Sie besonders auf die mikrobielle Belastung achten – derzeitige Ware liegt laut Prüfzertifikat deutlich unter den Höchstgrenzen im Arzneibuch«, berichtete Melhorn. 

Weitere für Kinder geeignete Hilfsmittel seien Siliciumdioxid, mikrokristalline Cellulose, Glycerol 85 Prozent, die pH-Regulanzien Trometamol, Natriumcitrat und Citronensäure sowie Antioxidantien. Bei den Geschmackskorrigenzien können man sich auch nach den Vorlieben des Kindes richten. Geeignet für Kinder sei auch die Rezeptur »Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.)« oder die »Tragant-haltige Suspensionsgrundlage nach NRF 2.5. und 26.4.«.

Fallstricke bei der Suspensions-Herstellung

Bei der Herstellung von Suspensionen ist Folgendes zu beachten: Kristalline Stoffe müssen erst zerkleinert werden; sehr feine und mikrofeine Pulver können direkt verarbeitet werden. Feststoffe sollten mit etwas Flüssigkeit, die das Pulver gut benetzt, angerieben werden. Die Zugabe von Flüssigkeiten erfolgt von viskos zu niedrig-viskos.

Als Ausgangsstoff sollte, wann immer möglich, Rezeptursubstanz genommen werden. Müssen Tabletten als Ausgangsstoff zerkleinert werden, ist die Berechnung und Herstellung komplizierter. Das Anreiben in der Fantaschale muss aufstockend erfolgen. Dabei sollte der Ansatz bereits in der Fantaschale nahezu auf das gewünschte Volumen aufgefüllt werden. Die Suspension muss dann gravimetrisch über einen Messzylinder hergestellt werden, in dem es sich schlecht umrühren lässt. »Kritischer Schritt ist hier die komplette Entleerung des Messzylinders«, warnte Melhorn. »Abgefüllt werden sollte die fertige Suspension in ein Gefäß mit möglichst doppelt so großem Volumen wie die eigentliche Suspension, damit die Eltern sie gut aufschütteln können«, riet die Expertin.

Entscheidend bei der fertigen Suspension sind die Homogenität des Wirkstoffs in der Grundalge, die Aufschüttelbarkeit und Kurzzeithomogenität nach Aufschütteln, um genau dosieren zu können. Wichtig sei auch, den Eltern die korrekte Applikation, zum Beispiel inklusive vorigem Aufschütteln einer Suspension zu erklären. Am besten sollte bei flüssigen Arzneimitteln eine Kolbenpipette zur Dosierung mitgegeben werden. Dabei sei darauf zu achten, dass Packmittel, also die Glasflasche und ihr Einsatz, mit der Pipette zusammenpassen. Hier verwies Melhorn auf den DAC/NRF-Bezugsquellennachweis III.3. und den Rezepturhinweis »Packmittel: Glasflaschen« sowie eine ZL-Untersuchung zu Packmitteln aus diesem Frühjahr.

Darreichungsform Kapseln (oder besser: einzeln abgeteilte Pulver)

Bei Kapseln sollte auf der Verpackung stehen, ob sie geöffnet werden und das Pulver gegeben wird, oder ob die Kapsel geschluckt werden soll. Dies sei vielen Eltern nicht klar. Meistens ist ersteres der Fall. Bei der Planung und Herstellung muss einiges berücksichtigt werden. So werde die Kapselqualität von Wirkstoff, Füllmittel, Kapselhülle und Herstellungstechnik bestimmt. Eine große Hilfe sei die Kapselkarte des Zentrallabors, die Melhorn im Detail vorstellte. »Allein schon durch die Standardisierung des Füllmittels und eine gute Wirkstoffvorbereitung kann man die Herstellung vereinfachen«, so die Apothekerin.

Zunächst muss das Schüttvolumen des Pulvers sowie das Kapselvolumen berücksichtigt werden, um zu berechnen, ob die Einzeldosis in eine Kapsel passt. Wie bei den Suspensionen ist es auch hier einfacher, von Wirkstoffen als Rezeptursubstanzen (möglichst mikrofein gepulvert) auszugehen anstatt von Fertigarzneimitteln. Falls zerkleinert werden muss, sollte dies in einer großen Reibschale mit rauem Pistill passieren. Als Mahlhilfe kann hochdisperses Siliciumdioxid verwendet werden. Problematische Wirkstoffeigenschaften wie Hygroskopizität und Elektrostatik müssen antizipiert und für Kinder geeignete Füllstoffe ausgesucht werden. Hier eignet sich unter anderem Mannitol.

Muss von Fertigarzneimitteln ausgegangen werden, dürfen diese nicht retardiert sein und sollten möglichst nicht überzogen sein. Das Füllmittel sollte auf die bereits enthaltenen Hilfsmittel abgestimmt werden. Bei der Herstellungstechnik empfahl Melhorn die gravimetrische Methode. Diese eigne sich jedoch nicht, wenn von Fertigarzneimitteln ausgegangen wird. Bei der Messzylinder-Methode sollte man so planen, dass man möglichst selten umschütten muss.

»Bei der Berechnung der Wirkstoffmenge kommt es genau auf die Bezugsgröße an. Ob Propranolol oder Propranololhydrochlorid macht hier einen großen Unterschied – das muss zuvor mit dem Arzt genau abgeklärt werden«, warnte Melhorn. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass bei jedem Herstellungsschritt Wirkstoff verloren gehen kann. Daher empfiehlt das NRF grundsätzlich 5 Prozent Produktionszuschlag, bei Niedrigdosierung sogar 10 Prozent. Zum Teil gibt es für bestimmte Wirkstoffe oder Rezepturen auch spezifische Empfehlungen.

Sollen die Kapseln entleert werden, sollte das Pulver in transparente Kapselhüllen gefüllt werden. »Hier können die Eltern besser kontrollieren, ob sie die Kapseln komplett entleert haben, um die volle Dosis zu gewähren«, begründete Melhorn diese Empfehlung. Und genauso wichtig wie die Herstellung mit größtmöglicher Sorgfalt ist letztlich die Beratung der Eltern zur korrekten Anwendung.

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