Parkinson ist nicht gleich Parkinson |
Das Zittern der Hand ist eines der häufigsten Symptome bei Parkinson. Oft beginnt es einseitig und steigert sich mit der Zeit. / © Getty Images/Astrid860
Morbus Parkinson ist im Volksmund auch als »Schüttelkrankheit« bekannt. Als solche hat der Londoner Arzt James Parkinson sie erstmals 1817 beschrieben. Die aktuelle S2k-Leitlinie »Parkinson-Krankheit« empfiehlt jedoch die entstigmatisierte Bezeichnung Parkinson-Krankheit.
»Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Die Krankheit zeigt sich nicht nur bei jedem anders, sie kann auch bei jedem anders verlaufen«, sagt die Neurologin, Parkinson-Expertin und Autorin des kürzlich erschienenen Ratgebers »Expertenwissen: Parkinson«, Professorin Dr. Claudia Trenkwalder von der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, gegenüber PTA-Forum. Das verbreitete Stigma, Parkinson-Patienten zitterten und könnten nicht mehr klar denken, sei falsch.
Die Parkinson-Krankheit und atypische Parkinson-Syndrome wie die Multisystematrophie werden unter dem Oberbegriff »Parkinson-Syndrom« zusammengefasst. Einige Leitsymptome haben diese Erkrankungen gemein, andere Symptome sind verschiedenen Ursprungs und nehmen einen anderen Verlauf. Gerade im Anfangsstadium sei die diagnostische Unterteilung nicht einfach, so Trenkwalder.
Die Diagnose Parkinson-Krankheit wird anhand ihrer verursachenden motorischen Störungen gestellt. Das Hauptsymptom Bewegungsverlangsamung (Bradykinsese/Akinese) wird sichtbar etwa durch ein kleinschrittiges Gangbild oder eine kleine, zunehmend unleserliche Handschrift. Dazu kommt eines dieser zwei weiteren Leitsymptome: Zittern (Tremor) in Ruhe, oft mit einer Hand beginnend, bei Bewegung oder Belastung nachlassend, oder Muskelsteifigkeit (Rigor), häufig als heftiger Schmerz im Schulter-Nacken-Bereich spürbar. Zunehmend mehr Aufmerksamkeit in Diagnostik und Therapie erhalten zudem die zuvor eher vernachlässigten nicht motorischen Parkinson-Symptome, die oft schon viel früher als die motorischen auftreten: Riechstörungen, chronische Verstopfung und Depression oder Burn-out infolge eines Dopaminmangels im frühen Krankheitsstadium.
Dieser Mangel an Dopamin entsteht durch den langsamen, steten Verlust von dopaminergen Nervenzellen (Neurodegeneration) in der Substantia nigra des Gehirns; diese stellen den Neurotransmitter Dopamin her. Sein Fehlen verursacht die typischen Beschwerden der Parkinson-Krankheit. Der Auslöser für das Zellsterben ist noch unbekannt und ein Zusammenspiel vererbbarer und anderer Faktoren wird vermutet, darunter die langjährige Exposition von Pestiziden und Insektiziden sowie Gehirnerschütterungen.
Eine Hypothese lautet, dass das Protein α-Synuclein bei diesem Prozess eine wichtige Rolle spielt. Warum, ist noch unbekannt, aber das Eiweiß verklumpt faserig nach und nach, vermutlich zuerst im Riechnerv oder in den Nervenzellen des Magen-Darm-Traktes, was die Zellen absterben lässt. Dieser Prozess breitet sich dann langsam bis ins Gehirn in die Substantia nigra zu den dopaminergen Nervenzellen aus. Die Frühsymptome Riechstörung und chronische Verstopfung stützen die Hypothese.
Wenn die Diagnose Parkinson aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit gestellt wird, seien meist schon mehr als die Hälfte der dopaminproduzierenden Zellen abgestorben, heißt es in der aktuellen Parkinson-Leitlinie. Daher arbeiten Trenkwalder und Kollegen mit Nachdruck an der Früherkennung der Parkinson-Krankheit – Ziel ist, Auslöser und Ursache der Erkrankung besser zu verstehen, diagnostische Biomarker und letztlich den Verlauf stoppende oder gar heilende Wirkstoffe zu finden. Denn diese gibt es bisher nicht.
Eine Frühtestung auf eine Riechstörung ist derzeit jedoch ein zweischneidiges Schwert: Will man wissen, dass in 20 oder 30 Jahren eine Parkinson-Krankheit auftreten könnte, wenn es aktuell keine Chance auf Heilung gibt? Zudem: Nicht jeder Riechstörung liegt eine Parkinson-Erkrankung zugrunde und selbst wenn, muss sich die Erkrankung nicht zwangsläufig manifestieren. Auf der anderen Seite: Bewegung und gesunde Ernährung scheinen sich in jedem Stadium des Lebens auszuzahlen, ob präventiv oder erkrankt – wer frühzeitig sein Parkinson-Risiko kennt, kann aktiv versuchen, dem gegenzusteuern.
Das gilt auch, wenn die motorischen Symptome bereits erkennbar sind. »Regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining helfen, dass die Auswirkungen durch die Krankheit nicht ganz so stark sind und der Betroffene lange gut beweglich bleibt«, sagt Trenkwalder aus Erfahrung. Die medizinische Empfehlung habe sich im vergangenen Jahrzehnt von Schonung zu Aktivität gewendet, berichtet sie. Experten empfehlen zudem eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem nur geringen Anteil an Milch und Milchprodukten, da vor allem fettarme Milch das Erkrankungsrisiko erhöht. Warum, ist unklar.
In Deutschland gibt es rund 400.000 Menschen mit einer Parkinson-Diagnose. 5 Prozent aller Betroffenen erkranken vor dem 50. Lebensjahr, die meisten im Alter zwischen 60 und 65 Jahren. Unbekannt ist auch, weshalb Männer häufiger betroffen sind als Frauen.
Trenkwalder betont, dass viele Symptome der Erkrankung gut behandelbar seien. Der erste große Behandlungsfortschritt war ihr zufolge die Entwicklung der L-Dopa-Wirkstoffe. Im Gegensatz zu Dopamin kann seine Vorstufe L-Dopa die Blut-Hirn-Schranke passieren. Es wird im Gehirn zu Dopamin metabolisiert und gleicht so den Dopaminmangel aus. Weitere Substanzklassen folgten, die dem Dopaminmangel in der Substantia nigra entgegenwirken. Die Wirkstoffe lassen sich kombinieren und sind verfügbar als Tablette, teils auch als Wirkstoffpflaster oder Medikamentenpumpe.
»Die PTA sollte ein wachendes Auge auf mögliche Medikamentenwechselwirkungen werfen« rät Trenkwalder. Nicht jeder Wirkstoff ist mit einer Parkinson-Medikation kompatibel. Wechselwirkungen können auftreten etwa bei Parkinson-Medikation und:
Als zweiten großen Fortschritt für die Behandlung sehen Experten die Tiefe Hirnstimulation (THS). Hierbei wird über im Gehirn implantierte Elektroden Strom appliziert, was die Hauptsymptome Rigor, Tremor und Akinese sowie Bewegungsstörungen als Nebenwirkung der Medikation lindern kann. Mit zur Parkinson-Behandlung gehören auch Physio-, Ergotherapie und Logopädie.
Inzwischen erhalten Parkinson-Patienten nicht erst bei deutlich ausgeprägten Symptomen eine dopaminerge Therapie, sondern viel früher, weil sich hierdurch ihre Lebensqualität laut Trenkwalder deutlich verbessert. Die Neurologin stellt klar: »Dass L-Dopa mit der Zeit seine Wirkung verliere, ist ein Mythos. Es wirkt immer auf die Symptome, die es verbessern kann wie Unbeweglichkeit, Steifigkeit und größtenteils das Zittern. Aber auf andere Symptome hat es keinen Einfluss wie Probleme mit dem Gleichgewicht oder Verwirrtheit, die mit der Dauer der Erkrankung und fortgeschrittenem Alter in den Fokus rücken können.« Trenkwalder wünscht sich, dass auch verstärkt depressive Verstimmungen und Depressionen mitbehandelt werden, an denen viele Erkrankte leiden. Derzeit würden diese oft nicht oder zu spät erkannt.
Ganz allgemein scheint es auf dem Land eine Unterversorgung mit Ärzten zu geben, die sich mit der Parkinson-Therapie auskennen, so Trenkwalder. Auch in der Facharztausbildung zum Neurologen käme die Erkrankung zu kurz. Zudem seien die Wartezeiten auf einen Termin beim Neurologen lang. Daher bietet etwa die Paracelsus-Elena-Klinik eine telefonische Erstberatung für Betroffene ohne Überweisung an. Wer sich umfangreich über Parkinson informieren möchte, findet beispielsweise in Trenkwalders Ratgeber sowie bei verschiedenen Patientenorganisationen und Stiftungen weiterführende Informationen, zum Beispiel hier: