Paxlovid ab sofort beim Arzt |
Die Einnahme von Paxlovid soll möglichst schnell nach Einsetzen der Symptome erfolgen, die Therapiedauer beträgt fünf Tage. / Foto: Adobe Stock/Stuart Monk
Im Februar dieses Jahres hatte die Bundesregierung eine Million Dosen des antiviral wirksamen Covid-19-Medikaments Paxlovid™ (Nirmatrelvir/Ritonavir) beschafft. Laut Ministerium wurden bislang rund 460.000 Therapieeinheiten an den Großhandel ausgeliefert. Tatsächliche Verordnungszahlen liegen zwar nicht vor, vieles deutet aber darauf hin, dass das Arzneimittel bislang recht zurückhaltend verordnet wurde: Der Großhandel hat laut Recherchen der Pharmazeutischen Zeitung (PZ) bislang nur rund 43.000 Therapieeinheiten an die Apotheken ausgeliefert. Und da die Apotheken Paxlovid bis vor wenigen Wochen nicht lagern durften, dürfte die tatsächliche Verordnungszahl in diesem Bereich liegen.
Das von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) geleitete Ministerium hat nun mehrere Maßnahmen ergriffen, um Paxlovid häufiger und schneller für Risikopatienten bereitzustellen. Am heutigen Freitag tritt eine aktualisierte SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung in Kraft. Diese ermöglicht es Ärzten erstmals, das Medikament direkt in der Praxis an die Patienten abzugeben. Daneben sollen auch Pflegeeinrichtungen künftig das Medikament bevorraten und vor Ort abgeben dürfen. Für jede abgegebene Packung sollen die Mediziner 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erhalten.
Das konkrete Versorgungs- und Abgabeprozedere legt eine seit heute geltende Allgemeinverfügung fest. Demnach sollen Ärzte die Arzneimittel über öffentliche Apotheken oder entsprechende Klinikapotheken beziehen, pro Praxis sind maximal fünf Therapieeinheiten erlaubt. Pflegeeinrichtungen dürfen ebenfalls bis zu fünf Therapieeinheiten beziehungsweise bei einer Anzahl von über 150 Bewohnerinnen und Bewohnern bis zu zehn Therapieeinheiten von der die Einrichtung in der Regel versorgenden Apotheke beziehen.
Vorab müssen die Mediziner beim Bundesgesundheitsministerium eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass sie unerwünschten Ereignisse melden und die Behandlung dokumentieren. Auch müssen die Ärzte oder Einrichtungen, die eine Behandlung mit Paxlovid durchführen, dem PEI jeweils zum dritten Werktag eines Monats die Anzahl der durchgeführten Behandlungen melden. Die abgebende Person hat bei Abgaben zudem eine Patienteninformation beizufügen. Die Regeln sind befristet bis zum 25. November 2022.
Die Vergütung der Apotheken soll dementsprechend angepasst werden. Demnach erhalten die Apotheken für den Aufwand, der ihnen im Zusammenhang mit der Abgabe der Medikamente an den Arzt entsteht, eine Vergütung in Höhe von 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebener Packung. Für die bislang übliche und weiterhin mögliche Paxlovid-Abgabe der Apotheken an Patienten auf Grundlage eines personenbezogenen Rezepts erhalten sie hingegen nach wie vor 30 Euro und für eine Belieferung per Botendienst zusätzlich 8 Euro plus Umsatzsteuer.
Die neue PZN 18268938 (PAXLOVID 150/100 MG BUND HP) gilt laut BMG für Bestellungen ohne Versichertenbezug, die der Apotheke von Arztpraxen übermittelt werden sowie für die Erstellung eines Selbstbelegs bei Vorliegen einer Bestellung durch eine vollstationäre Pflegeeinrichtung.
Die etablierte PZN 17977087 (PAXLOVID 150/100 MG BUND) gilt weiterhin für personenbezogene ärztliche Verschreibungen, die der Apotheke zur Abgabe an Patientinnen und Patienten übermittelt werden. »Die bisherigen Regelungen gelten hier unverändert fort«, informiert das BMG in dem Schreiben.
Die ABDA hatte diese Regelung in einer Stellungnahme zur Verordnung stark kritisiert. Die Standesvertretung der Apotheker sieht keinen Grund für die direkte Arzneimittelabgabe durch Ärzte. Stattdessen fordert die Bundesvereinigung, dass Apotheken selbst das Medikament ohne Verordnung abgeben dürfen.
»Es gibt keinerlei Anlass, den bewährten Weg des Arzneimittels über die Apotheke zu verlassen,« betonte die ABDA in einem Statement gegenüber der PZ. »Die Patientinnen und Patienten, die sich sehr häufig zu Hause befinden, können über die Botendienste der Apotheken versorgt werden«, so eine Sprecherin. Die Verordnungs- und Versorgungskette funktioniere im Verordnungsfall (auch telefonisch) bis zur Lieferung per Apothekenboten an den Patienten zu Hause »schnell und ohne jegliche Probleme«. Zudem verweist die ABDA auf die USA, wo es Apothekern seit Kurzem erlaubt ist, Paxlovid direkt ohne ärztliche Verordnung an die Patienten abzugeben.
Auch der Bremer Pharmakologe Professor Bernd Mühlbauer hatte sich gegenüber der PZ geäußert und gesagt, er halte die Neureglung für eine »Katastrophe«. »Die Abgabe von Paxlovid aus Arztpraxen halte ich persönlich für den Sündenfall schlechthin.« Wenn Ärzte ein bestimmtes Arzneimittel gegen Honorar abgeben dürften, sei das »eine Katastrophe für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient«, so der Mediziner, der auch dem Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) angehört.
Wie gut wirkt Paxlovid, für wen ist es geeignet und wie ist die Abgabe über Ärzte zu beurteilen? Darüber sprach PZ Senior Editor Professor Dr. Theo Dingermann mit dem pharmazeutischen Chemiker Professor Dr. Manfred-Schubert-Zsilavecz im Podcast »PZ Nachgefragt«. Alle Folgen des PZ-Podcasts finden Sie hier.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.