Pflanzen für die Psyche |
In der Ruhe liegt die Kraft. Die Natur hilft beim Runterkommen. / Foto: Getty Images/Westend61
Als Mittel der ersten Wahl werden bei fast allen Kopfschmerzarten regelhaft chemisch-synthetische Analgetika als Mono- oder Mischpräparate eingesetzt. Immer sollte deren Abgabe verbunden werden mit Empfehlungen zur allgemeinen Lebensführung wie viel Bewegung im Freien, längeren PC-Pausen, ausreichend Schlaf und nicht verplanten Zeiten, welche man als »Wohlfühlpausen« deklarieren kann.
Bei Spannungskopfschmerzen hat sich, so führt es etwa die Praxis-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin auf, das Auftragen von 10%igem Pfefferminzöl (wie Euminz® Lösung) auf die Schläfen bewährt. Studien bescheinigen dem Präparat einen ebenso guten Effekt wie 1000 mg Paracetamol oder 1000 mg Acetylsalicylsäure. Zudem ist es ab 6 Jahren einsetzbar.
Migräne-Attacken konnten – allerdings nur bei Erwachsenen studiengesichert – durch das Inhalieren von Lavendelöl bei 74 Prozent der Probanden gelindert werden. Dabei reduzierte sich sowohl die Intensität des Kopfschmerzes in der Lavendelgruppe signifikant als auch der Zeitraum zwischen Anwendung und Schmerzlinderung. Übrigens: Echter Lavendel war 2020 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt worden.
Aufgrund ihrer Hepatotoxizität wurden Pestwurz-Präparate in Deutschland 2009 vom Markt genommen, die in vielen Studien ihre Wirksamkeit bei der Reduktion von Migräne-Attacken unter Beweis gestellt hatten. Auch Pyrrolizidinalkaloid-freie Präparate sind in Deutschland nicht mehr zugelassen. Ganz anders etwa in der Schweiz, wo Pyrrolizidin-freie Fertigpräparate ab dem Alter von 12 Jahren gegen rezidivierende Migräne, aber auch gegen Heuschnupfen Einsatz finden.
Ein gestörter Schlaf stört – Befragungen zeigen recht unterschiedliche Ergebnisse – 10 bis 50 Prozent aller Kinder und ihre Eltern gelegentlich oder länger anhaltend. Medikamente, auch pflanzliche, sollten bei solchen Schlafproblemen immer nur möglichst kurzzeitig eingesetzt werden, auch wenn bei den aufgeführten Phytopharmaka nach aktueller Literatur – im Gegensatz zu manchen chemisch-synthetischen Zubereitungen – keine Gefahr der Entwicklung einer Abhängigkeit besteht.
Immer sollte eine Medikation flankiert werden durch bewährte Allgemeinmaßnahmen, angefangen von Psychoedukation und strukturiertem Elterntraining über die Implementierung eines Einschlafrituals bis hin zu physiologischer Schlafhygiene, bei Schulkindern ergänzt durch Entspannungstechniken. Als sehr hilfreich haben sich in der Praxis – weit über Subjektives hinausgehend – Schlaftees bewährt.
Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Zulassungsbehörde EMA hat nur einem bestimmten Trockenextrakt aus Baldrianwurzel und bestimmten Extraktkombinationen aus Baldrianwurzel und Hopfenzapfen (wie Allunapret®, Abtei® Beruhigungsdragees) den well-established use zugebilligt. Alle anderen Drogen wie Passionsblumenkraut, Lavendelblüten oder -öl sowie Melissenblätter oder -öl wurden der Kategorie traditional use in Sachen Einschlafbeschwerden zugeordnet.
Für die Praxis ergibt sich daraus, dass Baldrianwurzel-Trockenextrakte mit einem DEV von 3 -7,4:1, die mit dem Auszugsmittel 40 bis 70 % Ethanol hergestellt wurden (wie Sedonium®, Baldrivit®, Baldurat®, Luvased® mono, Baldriparan® Stark für die Nacht, Euvegal® balance), ab 12 Jahren bei nervöser Unruhe und Schlafstörungen eingesetzt werden können. Bei nervöser Unruhe sind dreimal am Tag eine Dosis von 400 bis 600 Milligramm Trockenextrakt hilfreich. Schlafstörungen lassen sich mit einer Einzeldosis eine halbe bis eine Stunde vor dem Zubettgehen und eventuell einer Dosis am frühen Abend behandeln.
Anwendung: drei Teelöffel auf 200 ml kochendes Wasser, mit Honig süßen
Wer bei starken nervlichen Belastungen auf die Hilfe von Heilpflanzen vertrauen möchte, wählt am besten studiengesicherte Präparate. Unter den sogenannten adaptogenen Pflanzen hat sich etwa die Rosenwurz hervorgetan, die in physischen, psychischen und emotionalen Belastungssituationen hilft, die innere Ausgeglichenheit wiederherzustellen. Der Trockenextrakt aus Wurzeln und Wurzelstock der Rosenwurz (Rhodiolan®) ist als traditionelles Arzneimittel ab 18 Jahren zur vorübergehenden Linderung von Stresssymptomen wie Müdigkeits- und Schwächegefühl registriert. Studien belegen die Wirkung des Dickblattgewächses bei Überlastung und Stress. So waren beispielsweise Studenten in der Prüfungsphase mit Rosenwurz weniger erschöpft und schnitten besser ab. Bei jungen Ärzten, die im Nachtdienst zwei Wochen lang Rosenwurz-Präparate einnahmen, verbesserten sich das Denkvermögen, die Konzentrationsfähigkeit und das Kurzzeitgedächtnis.
Rosenwurz hilft, in physischen, psychischen und emotionalen Belastungssituationen die innere Ausgeglichenheit wiederherzustellen. / Foto: Adobe Stock/detailblick-foto
Mit breiter Studiensicherung kann das bereits oben erwähnte Lavendelöl in Kapselform (Lasea®) ab einem Alter von 18 Jahren zur Behandlung von Unruhezuständen bei ängstlicher Verstimmung und daraus resultierenden Schlafstörungen eingesetzt werden, nicht jedoch bei akuten Angstzuständen. Das darin enthaltene Lavendelöl Silexan® besitzt einen extrem hohen Gehalt an Linalool und Linalylacetat von rund 80 Prozent. Diese wirken direkt auf das zentrale Nervensystem. Wichtige Botenstoffe der Reizverarbeitung werden dadurch wieder ins Gleichgewicht gebracht.
Wachsen sich negative Gedanken zu einer Depression aus, können Johanniskrautextrakte – so etwa die S3-Leitlinie »Unipolare Depression« – als ein erster Therapieversuch bei leichten bis mittelschweren Formen eingesetzt werden. Studiengesichert können solche bei leichter Depressionen auch in der Selbstmedikation angewendet werden. Einige mit 300 mg pro Tablette dosierte Fertigpräparate sind bereits ab einem Alter von 12 Jahren zugelassen, andere mit 300 mg pro Tabletten und alle zu 900 mg pro Tablette erst ab einem Alter von 18 Jahren (wie Neuroplant® Aktiv, Jarsin®, Kira®, Laif® 900 Balance, Felis®). Ganz klar: Bei einer mittelschweren Depression müssen die Diagnose und die Einleitung sowie die Überwachung der Therapie von einem Arzt erfolgen. Einige Johanniskraut-Präparate (auch zu 300 mg) sind für die Therapie der mittelschweren depressiven Episoden verschreibungspflichtig und erstattungsfähig.