Pflanzen haben Potenzial gegen Covid-19 |
Verschiedene Pflanzenextrakte können sowohl präventiv als auch therapeutisch gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 eingesetzt werden. / Foto: Adobe Stock/HQUALITY
Es gibt Evidenz dafür, dass eine ganze Reihe klassischer europäischer Heilpflanzen Personen mit SARS-CoV-2-Infektion helfen kann. Das belegt etwa ein Übersichtsartikel, der kürzlich in der Zeitschrift Frontiers in Ethnopharmacology erschienen ist. Dabei bewertet eine internationale Arbeitsgruppe das Nutzen-Risiko-Verhältnis von 39 ausgewählten pflanzlichen Arzneimitteln, die traditionell für Atemwegserkrankungen als adjuvante symptomatische Behandlung auch von Covid-19 angezeigt sein könnten. Die Wissenschaftler recherchierten detailliert präklinische und klinische Erkenntnisse zu deren Wirksamkeit und Sicherheit. Zielgruppe der Recherchen waren Erwachsene mit frühen und leichten Influenza-Symptomen ohne Grundkrankheiten. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der analysierten Pflanzen stuften die Wissenschaftler als »positiv«, »erfolgversprechend«, »negativ« oder »unbekannt« ein.
Fünf pflanzlichen Zubereitungen vergaben die Forscher eine positive Bewertung, und zwar für Eibisch (Althaea officinalis), Myrrhe (Commiphora myrrha), Süßholz (Glycyrrhiza glabra), Efeu (Hedera helix) und Schwarzem Holunder (Sambucus nigra). Als »erfolgversprechend« wurden 12 Phytotherapeutika eingestuft: Knoblauch (Allium sativum), Kalmegh (Andrographum paniculata), Schmalblättriger Sonnenhut (Echinacea angustifolia), Purpurfarbener Sonnenhut (Echinacea purpurea), das ätherische Öl von Eukalyptus (Eucalyptus globulus), Tilo (Justicia pectoralis), Arznei-Magnolie (Magnolia officinalis), Guaco (Mikania glomerata), Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides), Anis (Pimpinella anisum), Weide (Salix sp.), Ingwer (Zingiber officinale). 22 weitere pflanzliche Zubereitungen konnten lediglich in die Kategorie »unbekannt« eingestuft werden.
Die Autoren schlussfolgern, dass die positiv und erfolgersprechenden pflanzlichen Mittel über ein ausreichendes Evidenzniveau verfügen, um eine klinische Diskussion über ihre mögliche Verwendung als Adjuvanzien bei der Behandlung der frühen und milden Atemwegssymptome bei ansonsten gesunden Erwachsenen im Rahmen einer Covid-19-Infektion zu beginnen. Sie betonen freilich, dass diese pflanzlichen Arzneimittel diese Virus-Infektion nicht heilen oder gar verhindern können, aber das allgemeine Wohlbefinden der Patienten durch eine positive Beeinflussung der Symptome verbessern. Deren Haupt-Krankheitszeichen - der (häufig nur trockene Reiz-) Husten -, schwächt nicht nur die Patienten selbst, sondern trägt auch wesentlich zur Ausbreitung des Virus bei, sodass die Potenziale der aufgeführten pflanzlichen Medikamente genutzt werden sollten, um gerade auch dieses Symptom zu bessern, fordern die Wissenschaftler.
Fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse über die genaue Wirkweise der Pflanzenextrakte sind das eigentliche Problem. Das bekräftigt auch die Gesellschaft für Phytotherapie. »Leider gibt es aufgrund der seit Jahren nahezu fehlenden staatlichen Forschungsförderung im Bereich der Phytotherapie nur vereinzelte präklinische, jedoch keine einzige klinische Untersuchung mit früheren Coronaviren, speziell mit SARS-CoV-1, dem Verursacher der ersten Corona-Krise 2002/2003, und MERS-CoV. Daher bleibt aktuell nur der Rückgriff auf die wenigen Untersuchungen mit anderen umhüllten Viren übrig«, heißt es etwa auf deren Homepage.
Folgende phytotherapeutische Maßnahmen, die aufgrund bisheriger wissenschaftlicher Untersuchungen plausibel erscheinen, empfehlen Professor Dr. Karin Kraft von der Universität Rostock sowie Dr. Verena Spiegler und Professor Dr. Andreas Hensel von der Universität Münster:
Inhalationen und Nasensalben mit ätherischen Ölen, die etwa 1,8-Cineol enthalten wie das Eukalyptusöl, könnten sowohl gegen das Virus selbst prophylaktisch wirken als auch Entzündungsreaktionen nach der Infektion reduzieren, wodurch der Verlauf der Erkrankung gemildert werden könnte. Als Hintergrund führen die Professoren Untersuchungen auf, in denen 1,8-Cineol Mäuse, die mit Influenzavirus C infiziert waren, vor einem schweren Verlauf schützte.
Hochkonzentrierte Gerbstoffextrakte aus Zubereitungen von Salbeiblättern oder Grüntee könnten in der Mundhöhle prophylaktisch eingesetzt werden, etwa als Gurgel- und Mundspüllösung oder vielleicht auch als Zubereitungen zum Lutschen.
Die Pharmazeuten schreiben den Gerbstoffen die präventive Wirkung zu, denn diese »können mit Proteinbestandteilen im Speichel und mit Oberflächenproteinen der Mundschleimhaut einschließlich der Zunge interagieren. Zudem werden sie für eine gewisse Zeit auf der Schleimhautoberfläche fixiert. Wie lange dies am lebenden Organismus anhält, ist bisher unbekannt. In fünf kontrollierten klinischen Studien fand sich eine präventive Wirkung gegenüber Influenzaviren durch regelmäßiges Gurgeln mit dem stark gerbstoffhaltigen Tee aus Grüntee beziehungsweise mit Grüntee-Extrakt über mehrere Monate. Auch Salbeiblätter enthalten Gerbstoffe in höheren Konzentrationen, allerdings liegen keine klinischen Studien zu Virusinfektionen vor«, schreiben sie in ihren Empfehlungen der Gesellschaft für Phytotherapie.
Die Phyto-Experten nennen in ihrer Zusammenschau auch zwei Arzneipflanzen, deren immunmodulierende Eigenschaften für die Covid-19-Prophylaxe und -Therapie relevant sein könnten, und zwar verschiedene Zubereitungen aus Sonnenhutarten und der Wurzelextrakt der Kapland-Pelargonie. »Einige Zubereitungen waren bei der Prävention und Therapie von Virusinfektionen beim Menschen wirksam, bei an Coronaviren Erkrankten wurden jedoch keine klinischen Studien durchgeführt.«
Was den Sonnenhut betrifft, so sind die Presssäfte und die getrockneten Presssäfte aus dem frischen Kraut des Purpursonnenhuts mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) von 1,5 – 2,5:1 positiv zur Prävention zu bewerten. Auch die HMPC-Monographie vergibt Echinacea purpurea herba einen Well-established-Use mit Bezug auf diesen Extrakt. Alle anderen Zubereitungen wie aus E. pallidae radix oder E. angustifolia radix sind lediglich Arzneizubereitungen nach traditioneller Anwendung. Was den Pelargonium-Extrakt EPs® 7630 betrifft, bestätigen zahlreiche Doppelblindstudien seine Effektivität gegen Bronchitis. Für die Prophylaxe hat der Pelargonium-Extrakt keine Zulassung.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.