Wund im Mund? |
Verletzungen und Entzündungen der Mundschleimhaut sind oft sehr schmerzhaft. / Foto: Adobe Stock/Maksym Povozniuk
Die Bandbreite von Zahnfleischbeschwerden ist groß und reicht von kleinen Bagatellverletzungen über schmerzende Prothesendruckstellen bis hin zu Aphthen, Virusinfekten sowie akuten oder chronischen Entzündungen des Zahnfleisches. Sie können das Wohlbefinden massiv beeinträchtigen. Kein Wunder also, dass Betroffene häufig in der Apotheke nach einem Mittel fragen, um Schmerzen zu lindern oder die Heilung zu unterstützen.
Zahnärzte sprechen von einer »Stomatitis«, wenn die Mundschleimhaut entzündet ist. Ist das Zahnfleisch gerötet, geschwollen oder blutet es rasch, steckt meist eine »Gingivitis« dahinter, also eine Entzündung des Zahnfleisches. Fast jede Gingivitis ist Plaque-induziert. Dieser Zahnbelag besteht aus Nahrungsresten, Speichel, Bakterien und legt sich zunächst als weicher Biofilm über die Zähne. Durch die Einlagerung von Calcium und Phosphat verhärtet dieser schließlich zu Zahnstein. Unbehandelt kann sich die Gingivitis zur Parodontitis weiterentwickeln.
Bei dieser kommen mehrere Faktoren zusammen, zugrunde liegt aber stets eine Dysbiose. Einerseits befinden sich bei Parodontitis rund doppelt so viele Bakterien in der Mundhöhle wie bei einem Gesunden, zudem überwiegen krankmachende Bakterien. Andererseits bilden sich Taschen an der Wurzeloberfläche, wodurch sich zusätzlich die Besiedelungsfläche vergrößert. Leider sind Bakterien im Biofilm sowohl vor der Immunabwehr als auch vor Antibiotika gut geschützt. Unbehandelt droht bei Parodontitis jedoch nicht nur Zahnverlust. Denn als chronische Entzündung beeinflusst sie den Gesamtorganismus und erhöht beispielsweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Schwangerschaftskomplikationen. Die Erkrankung sollte vom Patienten ernst genommen werden und gehört in die Hand eines erfahrenen Zahnarztes.
Blutet das Zahnfleisch, meiden Betroffene meist das, was die Symptomatik auslöst: Sie putzen nur noch kurz und oberflächlich ihre Zähne und verzichten womöglich sogar ganz auf Interdentalbürsten oder Zahnseide. Damit droht allerdings ein Teufelskreis, denn mangelnde Mundhygiene verschlimmert das Problem. Stattdessen wäre genau das Gegenteil sinnvoll, nämlich die häusliche Mundhygiene gezielt zu verbessern und durch eine effektive Entfernung von Zahnbelägen die Entzündung zum Abklingen zu bringen.
Auch Ernährung, Stress, Lebens- und Umweltgewohnheiten spielen eine Rolle. Achtung: Nur weil das Zahnfleisch nicht blutet, bedeutet das nicht, dass alles in Ordnung ist. Die Bundeszahnärztekammer teilte in einer Stellungnahme mit, dass Raucher ein siebenfach höheres Risiko haben, an Parodontitis zu erkranken. Durch den Tabakkonsum verengten sich allerdings die Blutgefäße und damit blutete es seltener – trotz bestehender Entzündung.
Zahnfleischbluten ist immer ein Warnsignal. Schlägt eine Selbstmedikation nicht an, sollte zeitnah ein Zahnarzt aufgesucht werden. In der Selbstmedikation kommen bei Entzündungen Mund-Antiseptika sowie entzündungshemmende Wirkstoffe zum Einsatz. Bekanntester Wirkstoff ist Chlorhexidin. Er hat eine breite antimikrobielle Wirkung gegenüber grampositiven und gramnegativen Bakterien. Seine Wirkung ist bei saurem pH herabgesetzt, er ist ebenfalls inkompatibel mit Seifen und anionischen Substanzen, die sich häufig in Zahnpasta befinden. Patienten sollten also nach dem Putzen der Zähne etwaige Reste durch gründliches Spülen mit Wasser vollständig entfernen oder einige Zeit warten. Aufgrund seiner geladenen Molekülstruktur haftet Chlorhexidin gut im gesamten Mundraum und entfaltet eine Depotwirkung, da der Wirkstoff über bis zu acht Stunden langsam in den Speichel abgegeben wird. Er senkt die Keimzahl und wird beispielsweise als einprozentiges Gel sowie in niedriger Konzentration (0,1 Prozent oder 0,2 Prozent) als Mundspüllösung zur vorübergehenden unterstützenden Therapie bei bakteriell bedingter Zahnfleischentzündung angewendet. Gel wie auch Mundspüllösung sollen üblicherweise nach einer kurzen Einwirkdauer von 30 bis 60 Sekunden ausgespuckt werden.
Die Anwendung in Eigenregie sollte auf einige Tage bis maximal zwei Wochen begrenzt werden. Nach zahnärztlicher Rücksprache ist auch eine Anwendung über mehrere Wochen üblich. Allerdings sind reversible Verfärbungen der Zunge sowie Zähne möglich. Auch ein kribbelndes oder brennendes Gefühl bis hin zu einem reversiblen Taubheitsgefühl auf der Zunge kommt häufig vor, besonders zu Beginn der Behandlung. Im Zusammenhang mit Mundspüllösungen traten zudem immer wieder anaphylaktische Reaktionen auf, worüber 2013 sogar ein Rote-Hand-Brief aufklärte. Patienten, bei denen bereits eine Überempfindlichkeitsreaktion auf Chlorhexidin aufgetreten ist, müssen den Wirkstoff meiden.
Die Kombination von einem Aminfluorid und Zinnfluorid besitzt ebenfalls entzündungs- und plaquehemmende Eigenschaften. Tatsächlich wirkt die Kombination nachweislich antibakteriell und ist bei der bekannten Mundspüllösung meridol® vergleichbar mit einer 0,12-prozentigen Chlorhexidin-Lösung. Bei Mundspüllösungen mit dieser Wirkstoffkombination sorgt das Fluorid also nicht nur für Kariesschutz oder lindert schmerzempfindliche Zähne, sondern schützt zusätzlich das Zahnfleisch. Es ist für die tägliche Anwendung geeignet.
Auch pflanzliche Wirkstoffe wie Salbei, Kamille sowie Mischungen werden gerne als Ergänzung zur täglichen Mundhygiene oder gezielt bei Entzündungen angewendet. Eine Tinktur aus Rhabarber-Wurzelextrakt und Salicylsäure darf bis zu zwei Wochen verwendet werden. Der hohe Gehalt an Anthrachinonglykosiden und Gerbstoffen aus Rhabarber wirkt adstringierend und antibakteriell, Salicylsäure lindert Schmerzen und Entzündung. Die Lösung wird üblicherweise dreimal täglich mit einem Pinsel auf die betroffene Stelle aufgetragen und ist zugelassen zur unterstützenden Behandlung der Gingivitis und bei Aphthen.
Name | Wirkstoffe | Darreichungsform | Alter |
---|---|---|---|
Chlorhexamed® 0,1%, Chlorhexamed forte 0,2% | Chlorhexidin | Mundspüllösung | ab 12 Jahren |
Chlorhexamed® Mundgel 10mg/g Gel | Chlorhexidin | Mundgel | ab 6 Jahren nach Rücksprache mit Arzt oder Apotheker |
Infectogingi® | Lidocain (1%), Auszug aus Salbeiblättern und Kamillenblüten | Mundgel | ab Säuglingsalter |
Meridol® med CHX 0,2% | Chlorhexidin | Mundspüllösung | ab 6 Jahren |
Kamistad® Mundspüllösung | Chlorhexidin (0,1%), Kamillenextrakt, Hyaluronsäure | Mundspüllösung | ab 6 Jahren |
Kamistad® Mundgel | Lidocainhydrochlorid (2%), Auszug aus Kamillenblüten | Mundgel | ab 12 Jahren |
Kamillosan® Konzentrat | Kamillenblüten-Extrakt und -öl | Konzentrat zur Anwendung als Mundspüllösung nach Verdünnen | ab 6 Jahren |
meridol® Mundspüllösung | Olafluor (=Aminfluorid), Zinn(II)Fluorid | Mundspüllösung | ab 6 Jahren |
Pyralvex® | Trockenextrakt aus Rhabarberwurzel, Salicylsäure | Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle | ab 12 Jahren |
Recessan® | Lauromacrogol 400 (Polidocanol) 30 mg/g | Mundgel | Keine Angabe |
Salviathymol® Madaus | Salbei-, Eucalyptus-, Pfefferminz-, Zimt-, Nelken-, Bitterfenchel- und Sternanisöl, Levomenthol, Thymol | Konzentrat zur Anwendung als Mundspüllösung nach Verdünnen | ab 12 Jahren |
Erscheint eine scharf begrenzte Ulzeration mit einem weißlichen Belag (Fibrin), könnte es sich um eine Aphthe handeln. Sie treten an der Innenseite von Wange oder Lippen, auf der Zunge, am Zahnfleisch oder am Gaumen auf. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt, aber zweifelsohne bereitet eine Aphthe starke Schmerzen. Kleine Aphthen (unter 1 cm) heilen meist spontan innerhalb weniger Tage. Sind sie größer (1 bis 3 cm), geht die Verletzung oft tiefer und kann sogar Narben hervorrufen. In Einzelfällen dauert die Heilung dann sogar mehrere Wochen. In diesen schweren Fällen sowie bei wiederkehrenden Beschwerden ist eine ärztliche Abklärung anzuraten.
Zur Schmerzlinderung kann punktuell mit einer schmerzstillenden und entzündungshemmenden Lösung oder einem geeigneten Mundgel mit einem Lokalanästhetikum gearbeitet werden. Lange waren auch Triamcinolonacetonid-haltige Hafttabletten (Aftab®) zur Akutanwendung eine Option. Diese sind allerdings nicht mehr erhältlich. Sind Patienten sehr geplagt, kann der Zahnarzt im Einzelfall erwägen, ob eine verschreibungspflichtige Glucocorticoid-haltige Mundpaste eine geeignete Alternative darstellt. Treten Aphthen immer wieder auf, kennen Patienten oft aus Erfahrung typische Auslöser wie Fruchtsäfte oder stark gewürzte oder scharfe Nahrungsmittel.
Betroffene sollten eine Zahnpasta ohne das Tensid »Natriumlaurylsulfat« (Englisch: Sodiumlaurylsulfate) verwenden. Diese Produkte sind häufig mit »SLS-frei« oder »ohne SLS« deklariert. Auch Chlorhexidinlösung oder Kamillenextrakt kann die Heilung beschleunigen und bei vorbeugender Anwendung die Inzidenz reduzieren. Neben einer Immunschwäche oder Grunderkrankung können aber durchaus Nährstoffmängel wie Eisenmangel(-anämie), Folsäure- oder B12-Mangel hinter wiederholt auftretenden Aphthen stecken.
Sitzt eine Prothese nicht richtig und beschert Druckstellen, schenkt ein Lidocain- oder Polidocanol-haltiges Mundgel wie bei allen schmerzhaften Läsionen rasch Linderung. Üblicherweise werden diese Mundgele bei Bedarf mehrmals täglich auf die betroffene Stelle aufgetragen und leicht einmassiert. Auch Haftcremes können den Sitz und Tragekomfort einer Prothese verbessern. Einige Präparate werden auf die trockene Prothese aufgetragen, andere auf die angefeuchtete. Je nach Bedürfnis des Patienten steht eine Vielzahl von Firmen zur Auswahl – doch da geht Probieren über Studieren, ebenso wie bei der benötigten Menge und der gewünschten Geschmacksrichtung.
Treten Beschwerden häufiger auf, sollte der Patient noch besser auf die Hygiene bei der Prothesenreinigung achten und ihren Sitz von einem Zahnarzt überprüfen lassen. Denn vielleicht muss nur eine kleine Stelle abgeschliffen werden oder es ist nötig, sie neu zu unterfüttern und anzupassen, wenn sich der Gaumen stärker verändert hat. Auch im Alter sollte schließlich Zähnen, Zahnfleisch und den »Dritten« die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn nicht nur Druckstellen, sondern auch Entzündungen oder empfindliches Zahnfleisch mindern maßgeblich die Lebensqualität.
Grundsätzlich sollte jede Schleimhautveränderung, die länger als zwei Wochen besteht, von einem Zahnarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen abgeklärt werden. Besonders bei Verdacht auf bösartige Erkrankungen und Präkanzerosen in der Mundhöhle darf keinesfalls Zeit durch zu lange Selbstmedikation vergeudet werden. Auch viele dermatologische oder systemische Erkrankungen zeigen sich mitunter nur in der Mundhöhle. Gegebenenfalls kommen als Differenzialdiagnose bei Aphthen auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Infektionskrankheiten wie Herpes simplex, Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Herpangina oder sogar Syphilis infrage.