Photosensibilisierung durch Medikamente |
Viele Arzneistoffe besitzen ein photosensibilsierendes Potenzial. Patienten, die solche Wirkstoffe einnehmen, sollten sich ausreichend vor Sonne schützen, da sonst heftige Hautirritationen drohen. / Foto: Adobe Stock/elizalebedewa
Klagen Kunden in der Apotheke über einen ungewöhnlich starken Sonnenbrand oder reagieren auf ein kurzes Sonnenbad mit teils heftigen Symptomen wie Juckreiz, Pusteln, Rötungen sowie Schwellungen, kann dies auf eine so genannte Photosensibilität hindeuten. Dabei ist die Haut von Betroffenen empfindlicher gegenüber Sonnenlicht, und es treten auffallend starke Hautreaktionen auf. Ursachen für dieses Phänomen können sowohl körpereigene Stoffe (wie Porphyrine bei gestörter Häm-Synthese) als auch Arzneimittel oder Pflanzeninhaltsstoffe sein. So rufen beispielsweise bestimmte im Bärenklau enthaltene Substanzen die bekannte Wiesengräserdermatitis hervor.
Stoffe mit photosensibilisierendem Potenzial werden auch als Photostabilisatoren bezeichnet. Struktur-chemisch ist ihnen gemeinsam, dass sie ein »Chromophor« besitzen. Das ist ein Licht-absobierender Teil im Molekül, der die Energie des Sonnenlichts, besser gesagt der UV-A-Strahlung, auffängt. Dadurch werden verschieden chemische Reaktionen in der Haut aktiviert.
Mit der so genannten phototoxischen Reaktion dürfte das pharmazeutische Personal am häufigsten konfrontiert sein. Sie kann sofort, das heißt noch während des Sonnenbadens beispielsweise als Kribbeln, oder auch nach wenigen Stunden bis hin zu zwei Tagen auftreten. Reagiert die Haut verzögert, äußert sich dies meist in Form eines verstärkten Sonnenbrands. Symptome sind in der Regel nur auf Hautarealen, die direktem Sonnenlicht ausgesetzt waren, sichtbar. Klassischerweise betrifft dies häufig die Sonnenterrassen, wie Nase, Schulter oder Fußrücken. Pathophysiologisch bilden sich bei einer phototoxischen Reaktion freie Radikale, die Zellstrukturen wie Lipide und Proteine in der Haut angreifen und sie schädigen. Gleichzeitig aktiviert der Körper das Immunsystem und Hautirritationen treten auf.
In Deutschland gibt es etwa 300 Medikamente mit photosensibilisierendem Potenzial, darunter sowohl topisch als auch systemisch anzuwendende Wirkstoffe. Klassisches Beispiel sind Diuretika wie Hydrochlorothiazid. Aber auch andere Herz-Kreislauf-Medikamente aus der Gruppe der Calciumkanalblocker und ACE-Hemmer oder der Wirkstoff Simvastatin sind für ihre Phototoxizität bekannt. Die Liste photosensibilisierender Arzneistoffe ist lang (siehe Tabelle).
| Arzneistoffgruppe | Wirkstoff |
|---|---|
| Diuretika | Hydrochlorothiazid, Furosemid, Amilorid, Xipamid |
| Herz-Kreislauf-Medikamente | Nifedipin, Amlodipin, Diltiazem, Captopril, Enalapril, Simvastatin, Amiodaron, Chinidin |
| Antibiotika | Doxycyclin, Minocyclin, , Sulfamethoxazol/Trimethoprim, Sulfasalazin Ciprofloxacin, |
| Antihistaminika | Loratadin, Diphenhydramin |
| Antipsychotika | Haloperidol, Chlorpromazin, Promethazin |
| Antidepressiva | Amitriptylin, Trimipramin, Imipramin, Doxepin |
| Antiepileptika | Carbamazepin, Lamotrigin, Phenytoin |
| Systemische Dermatika | Isotretinoin |
| Immunsupressiva, Zytostatika | Methotrexat, Azathioprin, Fluorouracil, Vemurafenib |
| Malariamittel | Chloroquin, Pyrimethamin, Mefloquin, Hydroxychloroquin |
In den meisten Fällen lassen sich keine eindeutigen Aussagen treffen, wie häufig die einzelnen Substanzen photosensibilisierend wirken. Bei vielen Medikamenten gilt es eher als seltene Nebenwirkung. Doch auch dadurch lässt sich nicht automatisch auf die Häufigkeit des Auftretens in der Praxis schließen. So wird bei Simvastatin beispielsweise die phototoxische Reaktion als »selten« beschrieben. Da dieser Wirkstoff jedoch überaus häufig verordnet wird, ist die absolute Zahl der Anwender, bei denen sie auftritt, höher als bei einem Arzneistoff mit geringer Verordnungshäufigkeit.
Im Gegensatz dazu wird Amiodaron zwar weniger oft abgegeben, ruft jedoch häufig starke Reaktionen in Form einer lila-grauen Pigmentierung hervor, weshalb PTA und Apotheker den Patienten bei der Abgabe des Medikaments immer auf einen ausreichenden Sonnenschutz hinweisen sollten. Nimmt der Patient mehrere Arzneistoffe mit phototoxischem Potenzial ein, kann sich zudem das Gesamtrisiko erhöhen.
Der wohl bekannteste Arzneistoff, den viele mit einer Photosensibilisierung assoziieren, ist Johanniskraut-Extrakt. Doch in der Standarddosierung von 900 mg ist eine solche Reaktion äußerst selten. Erst bei einer Dosierung, die drei- bis viermal höher ist, können solche Reaktionen vermehrt auftreten. Darauf weisen auch die Hersteller hin. In der Fachinformation des Präparates Laif® 900 heißt es: »Bei der empfohlenen Dosierung wurde über keinerlei Anzeichen einer Phototoxizität berichtet.«
Ob und wie weit das pharmazeutische Personal auf mögliche Nebenwirkungen mit der Sonne hinweist, ist Therapie- aber auch Patienten-abhängig abzuwägen. Denn auch wenn viele Arzneistoffe photosensibilisierend wirken, können zu viele Details über potenzielle Nebenwirkungen den Patienten verunsichern und die Adhärenz gefährden.
Grundsätzlich gilt: Bei der Einnahme von phototoxischen Wirkstoffen ist es sinnvoll, den Patienten zu einem umfangreichen Sonnenschutz bestehend aus Kopfbedeckung, langer Kleidung und Sonnencreme zu raten – vor allem, wenn es sich um eine Dauermedikation von Arzneistoffen mit lichtsensibilisierender Wirkung handelt oder wenn der Patient an sich schon ein heller Hauttyp ist und somit empfindlich auf Sonne reagiert. Auch das Alter spielt eine Rolle, denn mit fortgeschrittenem Alter kann sich die Haut nicht mehr so gut schützen. Der körpereigene UV-Filter Melanin ist weniger gut über die gesamte Hautoberfläche verteilt, und die Haut an sich dünner.
Direktes Sonnenlicht ist prinzipiell zu meiden, von einem Solariumsbesuch ist abzuraten. Bei der Wahl des Sonnenschutzmittels auf einen ausreichenden UV-A-Schutz achten. Die Lichtschutzfaktor-(LSF)-Angaben beziehen sich in der Regel nur auf die UV-B Strahlung, die zwar Sonnenbrand verursacht, aber nicht für phototoxische Reaktionen verantwortlich ist. Bei in Europa erhältlichen Mitteln entspricht der UV-A-Schutz knapp einem Drittel des UV-B-Schutzeses, sodass Betroffene dennoch auf einen hohen LSF zurückgreifen sollten. Achtung: Fensterglas lässt UV-A-Strahlen durch, weshalb auch bei langen Autofahrten der Sonnenschutz nicht vergessen werden sollte. Bei langfristiger Einnahme kann sich zudem das Anbringen UV-undurchlässiger Folien an den Fenstern von Haus und Auto lohnen.
Außerdem sollten PTA und Apotheker einmal genau nachfragen, was der Patient beruflich macht, wie viel Zeit er in der Sonne verbringt und in welchem Gebiet er seinen nächsten Urlaub geplant hat. Pharmakologisch lässt sich dann unter Umständen ein Alternativpräparat finden, die Dosis reduzieren oder bei Arzneistoffen mit kurzer Halbwertzeit die Einnahme auf den Abend verlegen. Die endgültige Entscheidung darüber obliegt jedoch dem behandelnden Arzt.
Ist es doch einmal passiert und ein Kunde in der Apotheke klagt akut über phototoxische Hautreaktionen können topische Glucocorticoide gegebenenfalls in Kombination mit Antiseptika die Beschwerden lindern. Betroffene sollten die Sonne strikt meiden und die Reaktion beim nächsten Arztbesuch ansprechen. Die verursachenden Medikamente dürfen ohne ärztliche Rücksprache nicht abgesetzt werden.
Eine besondere Art der Photosensibilisierung ist die photoallergische Reaktion. Im Vergleich zur phototoxischen Reaktion tritt sie eher selten auf und lässt sich nicht immer eindeutig von ihr unterscheiden. Bei einer photoallergischen Reaktion handelt es sich um eine immunologische Hypersensibilitätsreaktion. Sie kann am ganzen Körper auftreten, das bedeutet auch an Stellen, die nicht direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt waren. Wie bei den meisten allergischen Reaktionen äußert auch sie sich verzögert, nach vorangegangener Antigenbildung. Als Mechanismus vermuten Wissenschaftler, dass die photosensibilisierende Substanz in Anwesenheit von UV-A-Strahlung kovalent an körpereigene Proteine bindet. Dadurch entsteht ein so genanntes Photoantigen, das bei erneuter Sonnenexposition eine immunologische Reaktion hervorruft.