Pickel durch Social Media |
Der Rat von Skinfluencern wird von jungen Usern ernster genommen als der von Hautärzten. / © Getty Images/FujiCraft
In sozialen Medien versprechen selbsternannte Gesundheits-Influencer mitunter das Blaue vom Himmel. Besonders interessant scheint das Thema Hautpflege zu sein; immer mehr »Skinfluencer« sind auf Instagram und TikTok unterwegs. »Das Interesse an Hautpflege ist in den vergangenen Jahren durch die sozialen Medien exponentiell gewachsen und es wird weiter wachsen«, sagte die Dermatologin bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie in Tübingen.
Skincare, wie es neudeutsch heißt, sei in den sozialen Netzwerken ein unglaublich großes Thema und bringe etwa bei TikTok mehr als 180 Billionen Views. »Der Einfluss von Social Media für das Kaufverhalten der Kunden ist enorm. Das bietet Möglichkeiten, jedoch auch ganz neue Herausforderungen für unseren Berufsstand, die keine frühere Generation je hatte. Es geht nämlich nicht länger nur um Hautpflege, sondern um Wellness und Lifestyle – teilweise derart extrem, dass es religiöse Züge annimmt«, informierte Borelli über diese besorgniserregende Entwicklung.
Es sind vor allem die Jugendlichen, die sich von den Informationen der sozialen Netzwerke beeinflussen lassen. Mehr noch: Derartige Posts sorgen vor allem bei der Generation Z für miese Laune und ein negatives Körperbild. »Der Druck auf die ganz Jungen ist enorm groß. Es gibt eine große Anzahl an jungen Menschen, die mit sich selbst unzufrieden sind. Das kann etwa in Essstörungen und Untergewicht münden«, weiß Borelli.
Während junge Verbraucher ihre Informationen eher bei Instagram und TikTok beziehen, nutzen die Älteren eher eine Online-Suchmaschine, legte Borelli dar. So habe die Genz Z, also die 15- bis 26-Jährigen, eine Präferenz für TikTok (60 Prozent) und Instagram, wenn es um Informationen und Trends bezüglich der Hautpflege geht. Millennials (27 bis 42 Jahre) bevorzugten zu etwa 42 Prozent Google für ihre Produktsuche, gefolgt von Youtube und Instagram. Die 43- bis 58-Jährigen, gemeinhin als Gen X bezeichnet, suchen am liebsten per Google (zu 66 Prozent) nach Hautpflegprodukten.
Das Problem: Die Skinfluencer empfehlen nicht unbedingt das, was der Gesundheit auch wirklich förderlich ist. Der meiste Content wird nach den Ausführungen der Referentin in sozialen Netzwerken von den am wenigsten medizinisch ausgebildeten Personen eingestellt. »Dermatologen sind leider nur für einen ganz kleinen Teil der Posts verantwortlich.« So würden die meisten Akne-Informationen (gemessen an der Anzahl der Hashtags) von nicht dermatologischen Influencern verbreitet. Dabei gehe es häufig um Salicylsäure, Niacinamid, Sonnenschutz, Glykolsäure oder Vitamin C, stellte sie eine Untersuchung vor. Entscheidende Anwendungshinweise fehlten aber häufig.
In ihrer Sprechstunde für dermatologisch-ästhetische Behandlungen an der Hautklinik Tübingen sieht sie sich dann mit den Folgen von Kosmetiktrends konfrontiert. Ganz oben rangierten derzeit Overfilled Faces, Hautprobleme durch Layering nach dem koreanischen Pflegeprinzip oder auch durch Gesichtsöle.
Bei Hyaluronsäure-Injektionen habe mittlerweile bereits ein Umdenken stattgefunden. »Vor Kurzem noch sehr gehypt, weil sie ja ach so natürlich ist. Jetzt müssen wir dagegen Aufklärungsarbeit leisten. Mittlerweile haben wir gelernt, dass Hyaluronsäure nur in geringen Mengen gezielt zu injizieren ist. Denn ihr Effekt potenziert sich; Volumengewinn wird über die Zeit erzielt, wie man bei langjähriger Kundschaft sieht. Zu hoch konzentrierte Unterspritzungen bewirken dagegen die overfilled faces«, informierte die Oberärztin. »Dieses Fachwissen ist nichts, was uns die Firmen kommunizieren, sondern das sind Erfahrungen, die durch nichts zu ersetzen sind.« Den Schmelz der Jugend zu erhalten, sei nicht so einfach wie das Internet suggeriere.
Stichpunkt Gesichtsöle - vor nicht allzu langer Zeit in jeder Frauenzeitschrift und auf Social Media vertreten: Die Konsequenz war vermehrte Aufklärungsarbeit in Borellis Sprechstunde. »Öle sind nicht für jeden Hauttyp sinnvoll und gehören nicht unbedingt ins Gesicht. Schon gar nicht sind sie für Aknepatienten mit eher fettiger Haut geeignet. Das lässt die Effloreszenzen nur so sprießen«, weiß die Expertin.
Was sagt sie zur angesagten Layering-Methode, bei der Schicht für Schicht die verschiedensten Wirkstoffe in den unterschiedlichsten Darreichungsformen aufgetragen werden? »Eine typische Reihenfolge umfasst bei diesem Konzept die Reinigung, Toner, Essenz, Seren, Augencreme, Feuchtigkeitspflege und abschließend einen Sonnenschutz. Grundsätzlich ist hier aber zu hinterfragen, was davon sinnvoll ist. Gerade die junge Generation braucht es nicht so reichhaltig. Oft ist dann eine periorale Dermatitis die Folge.«
Um Zugang zu dieser Patientengruppe zu finden, empfahl die Dermatologin, Trends von Social Media zumindest zu kennen. Das helfe bei der Patientenberatung in der Sprechstunde. »Das heißt nicht, dass man bei Trends immer vorne mit dabei sein muss. Aber wir Hautärzte – aber auch die Apothekenteams – erreichen die Jungen sonst nicht, wenn wir gar nicht auf Social Media unterwegs sind.« Den Tipp ihres spanischen Kollegen Dr. Mario Toledo Lelevier könne sie nur unterstreichen: »Social Media needs more science, not more noise.« @Dermariomx hat mehr als 1 Millionen Follower bei Instagram und 400 000 bei Facebook.
Borelli empfahl, den Patienten klare Behandlungsanweisungen an die Hand zu geben. Es sei hilfreich, den Verbraucher darüber aufzuklären, was wissenschaftlich erwiesen ist und was nicht und auf mögliche Quellenhinweise zu achten. Und es lohne sich, beim Patienten nachzuhaken, »was sonst noch substituiert oder konsumiert wird, also etwa Kreatin oder Proteinpülverchen«. Gerade bei Akne sei der Trend zu proteinreicher Ernährung mit Linsennudeln, Skyr und Fleisch nicht gerade förderlich. Dann lasse sich das Hautbild selbst mit Isotretinoin nur schwer bessern.
Marketing und Reichweite sind in den sozialen Netzwerken oft wichtiger als wissenschaftlich belegte Wirksamkeit. Das bestätigte auch Rechtsanwalt Dr. Frank Pflüger von Baker McKenzie aus Frankfurt am Main. Schließlich sorge ein zugespitztes Social-Media-Format eher für Aufmerksamkeit. »Aussagen von Prominenten, die oft als Skinfluencer fungieren, haben bei den Usern eine höhere Akzeptanz als Dermatologen.«
Während laut Heilmittelwerbegesetz nicht für Arzneimittel geworben werden darf, ist das bei bestimmten Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetika anders. Werbung sei prinzipiell erlaubt, wenn gesetzliche Vorgaben eingehalten würden. Fließt zum Beispiel Entgelt an den Werbenden, dann muss dies offengelegt werden, indem der Beitrag mit »Werbung« oder »Anzeige« gekennzeichnet ist.
»Bei Selbstpromotion ohne Gegenleistung gibt es weiterhin eine Graufläche. So sind subjektive Werturteile wie »Die Tagescreme ist suuuper, ich liebe sie, die beste überhaupt« erlaubt. Sobald übertriebene Tatsachen-Claims ohne Evidenz getätigt werden wie »wirkt besser als ...« ist das abmahnbar«, erklärte der Rechtsanwalt. Es gebe genügend Influencer, die unzulässig für Trackinguhren, Hormontests oder Vitamininfusionen werben.