Pille danach gegen bakterielle Infektionen |
Der unkritische Einsatz von Antibiotika kann Resistenzen fördern. Experten fordern daher eindeutige Leitlinien für den Einsatz der antibiotischen »Pille danach«. / Foto: Getty Images/ArtistGNDphotography
Im »New England Journal of Medicine« hat ein Team um Dr. Annie Luetkemeyer von der University of California in San Francisco Daten zum Einsatz der DoxyPEP aus einer randomisierten Studie veröffentlicht. Rund 500 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und Transfrauen wurden in die Studie aufgenommen. Alle nahmen eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrEP) ein oder lebten mit einer HIV-Infektion. Zudem war bei allen im Jahr vor Studienstart eine Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit (STI) diagnostiziert worden.
Die Verumgruppe sollte innerhalb von 72 Stunden nach kondomlosem Geschlechtsverkehr einmal 200 mg Doxycyclin einnehmen, die andere Gruppe nicht. Diese »Pille« (genauer gesagt waren es Tabletten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung) wurde in der Verumgruppe durchschnittlich vier Mal pro Monat verwendet, wobei 25 Prozent zehn Dosen oder mehr einnahmen. Primärer Endpunkt der Studie war die Inzidenz von mindestens einer STI pro Nachbeobachtungsquartal. Tests auf Gonorrhö (Tripper), Chlamydien und Syphilis wurden vierteljährlich dazu durchgeführt.
Das Ergebnis: In der PrEP-Kohorte wurde bei 61 von 570 vierteljährlichen Besuchen (10,7 Prozent) in der Doxycyclin-Gruppe und 82 von 257 vierteljährlichen Besuchen (31,9 Prozent) in der anderen Gruppe eine STI diagnostiziert. In der Kohorte mit Menschen mit HIV wurde eine STI bei 36 von 305 vierteljährlichen Besuchen in der Doxycyclin-Gruppe (11,8 Prozent) und 39 von 128 vierteljährlichen Besuchen (30,5 Prozent) in der Vergleichsgruppe diagnostiziert.
Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass die Inzidenz von Tripper, Chlamydien und Syphilis insgesamt bei einer Doxycyclin-Postexpositionsprophylaxe um zwei Drittel im Vergleich zur anderen Gruppe reduziert worden war. Besondere Bedenken hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils, der Sicherheit oder der Akzeptanz formulieren sie nicht.
Das Science Media Center hat Expertenstimmen eingeholt, um dieses Studienergebnis einzuordnen. Privatdozent Dr. Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sagt zum Beispiel: »Die Verwendung einer Einmaldosis von 200 mg Doxycyclin nach kondomlosem Verkehr als Postexpositionsprophylaxe reduziert in der vorgestellten Studie wirksam und klinisch relevant die Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen, sexuell übertragbaren Infektion. Hierbei sind sowohl Chlamydien-, Syphilis- als auch Gonokokken-Infektionen signifikant seltener berichtet worden. Die prospektive Studie ist methodisch gut konzipiert. Bakterielle sexuell übertragbare Infektionen verursachen weltweit weiter eine erhebliche gesundheitliche Belastung für Gesundheitssysteme und einzelne Patientinnen und Patienten.«
Der Mediziner erinnert aber auch daran, dass der unkritische Einsatz von antimikrobellen Substanzen für Resistenzen und Problemkeime mitverantwortlich ist. Für die Übertragung der klinischen Studienergebnisse in den medizinischen Alltag brauche es daher dringend entsprechende Leitlinien und Empfehlungen, insbesondere auch in welchen Konstellationen und Zielgruppen der Einsatz denkbar sein könnte.
Für Professor Dr. Norbert Brockmeyer von der Ruhr-Universität Bochum, Vorsitzender der Deutschen-STI-Gesellschaft, sind die Daten aus den USA nicht eins zu eins auf Europa übertragbar. Er betont, dass die Resistenzraten für Gonokokken in den USA bezüglich Doxycyclin mit etwa 25 Prozent deutlich geringer seien als in Europa mit etwa 60 bis 70 Prozent und in Deutschland mit nahezu 80 Prozent. Man könne in der EU demnach nur mit einer Verringerung der Infektionen bei Chlamydien und Syphilis rechnen. Brockmeyer bringt in seinem Statement auch die Impfung mit einem Meningokokken-B-Impfstoff für Risikopersonen für eine Gonokokken-Infektion ins Spiel.