Pilze sammeln für Einsteiger |
Pilze suchen gilt als attraktive Freizeitbeschäftigung im Freien. Doch passen Sammler nicht richtig auf, kann der Spaß unter Umständen der Gesundheit schaden. / Foto: Adobe Stock/auremar
»Gesammelte Pilze, die man nicht kennt, niemals ohne Absicherung durch einen Pilzsachverständigen essen.« So lautet der wichtigste Rat von Babett Hübler gegenüber PTA-Forum. Die Pilzsachverständige und Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) erinnert sich mit Grauen an den wohlgemeinten Tipp eines Sammlers zurück, zunächst nur wenig von einem Pilzgericht zu probieren und, wenn es bekommen ist, den Rest am Folgetag aufzuessen. Ein fatales und äußerst leichtsinniges Vorgehen, sagt Hübler. Zeige sich doch bei bestimmten Pilzen wie dem Orangefuchsigem Raukopf erst nach zwei bis drei Wochen die giftige Wirkung.
Anfängern rät Hübler deshalb, in den Wald zu gehen und sich zunächst einige wenige Pilzarten für das Kennenlernen auszusuchen. Trifft man auf eine Stelle mit vielen Exemplaren einer Art, wählt man davon einige in verschiedenen Entwicklungsstadien von jung bis alt aus. Daheim bestimmt man den Fund mit Hilfe eines Bestimmungsbuches. Zuletzt lässt man sich das Ergebnis von einem geprüften Pilzsachverständigen bestätigen (Kontaktliste und qualitätsgeprüfte Pilzbücher). Dazu ist es wichtig, dass alle Merkmale des Pilzes vorhanden sind, sonst kann der Sachverständige den Fund nicht zweifelsfrei bestimmen. Etwa ist eine Unterscheidung des beliebten essbaren Stockschwämmchens vom tödlich giftigen Gift-Häubling nur anhand des Stiels möglich. Sind nur die abgeschnittenen Hüte vorhanden, kann auch keine Freigabe zum Verzehr erfolgen.
Für den Start eignen sich sogenannte Röhrlinge. Das sind Pilzarten, deren Fruchtkörper in Stiel und Hut gegliedert werden und deren Hutunterseiten Röhren ausbilden. Beliebte Speisepilze wie die Steinpilze, Maronenröhrlinge oder Rotkappen zählen dazu. Der Vorteil: Es gibt darunter nur wenige giftige Arten, von denen zudem keine Art tödlich ist. Natürlich ist auch beim Sammeln von Röhrlingen darauf zu achten, dass man nur essbare Pilze zubereitet, denn eine Pilzvergiftung mit Magen-Darmbeschwerden möchte niemand erleiden. Mit dieser Herangehensweise lernt man gemäß Hüblers Erfahrung die Pilzarten am besten kennen und kann mit der Zeit das Spektrum der gesammelten Pilze und damit die Artenkenntnis erweitern.
Die Teilnahme an Lehrwanderungen und Pilzkursen unterstütze dabei, pilzkundig zu werden. Auf Bestimmungsabenden und Pilzausstellungen regionaler Pilzvereine lasse sich das Wissen vertiefen. Hübler warnt: »Pilzsammler und besonders Anfänger auf diesem Gebiet sollten sich auf keinen Fall blindlings bei der Bestimmung von Speisepilzen auf die Verwendung von Pilz-Apps verlassen.« Denn bei Erkennungsprogrammen werden wichtige Merkmale wie Geruch, Geschmack und Konsistenz nicht berücksichtigt. Daher handelt es sich lediglich um Vorschläge, aber nicht um eine korrekte Bestimmung des vorliegenden Fundes.
Für den etwas geübteren Sammler können Pilz-Apps jedoch eine Bereicherung sein, denn anders als Bücher enthalten sie in der Regel mehr Fotos, die Fruchtkörper in verschiedenen Altersstadien und aus mehreren Blickwinkeln zeigen. So können Sammler die Merkmale aus Pilz-Apps mit dem eigenen Wissen und der Verwendung von Bestimmungsbüchern kombinieren, um sich der Bestimmung eines Pilzfundes anzunähern. Zugleich frischen sie ihr Wissen auf und steigern ihre Artenkenntnis.
Das Pilzvorkommen hängt in erster Linie von den vorherrschenden Witterungsbedingungen ab. Mäßige Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit nach ergiebigen Regenfällen sind ein guter Zeitpunkt, um auf die Pilzpirsch zu gehen. Hüblers Tipp: Ein Pilz ist dann zur Ernte geeignet, wenn seine Merkmale deutlich ausgeprägt sind, das heißt, er ist weder vollkommen von einer Gesamthülle umschlossen noch ein Winzling. Der Pilz ist frisch genug, wenn man mit einem Finger auf den Hut drückt und sich dieser fest anfühlt und nicht nachgibt. Er ist zu alt, wenn der Fingerdruck eine Delle hinterlässt, sich das Fleisch weich und »wattig« anfühlt. Pilzsachverständige beurteilen auch den Frischezustand von Pilzen.
Der oberirdische, von Fraßstellen freie Fruchtkörper des Pilzes sollte vorsichtig abgeschnitten oder herausgedreht werden, ohne dabei das Pilzmyzel im Untergrund zu beschädigen. Den Pilz grob putzen, bei manchen Arten die schleimige Huthaut abziehen, damit das Sammelgut im Korb nicht zusammenklebt. Den Pilz anschließend in einen luftigen Korb legen. In Stoffbeuteln werden die Pilze leicht zerdrückt, in Plastiktüten schwitzen sie und beginnen die Eiweißzersetzung, wodurch sie unbekömmlich werden.
Unbekannte Pilze sollten getrennt von den zum Verzehr bestimmten Pilzen transportiert werden. Teile eines tödlich giftigen Pilzes etwa der Lamellen oder des Stielringes können absplittern, abbrechen, an andere Pilze anhaften und damit die komplette Ernte kontaminieren. Selbst kleine Stückchen eines tödlich giftigen Pilzes wie der grüne Knollenblätterpilz können bereits eine Leberschädigung bewirken.
Mit dem diesjährigen Pilz des Jahres möchte die DGfM darauf aufmerksam machen, dass alle Lebewesen voneinander abhängig sind. So ist der phallusartige Fruchtkörper der Gewöhnlichen Stinkmorchel (Phallus impudicus) Nahrung, Kinderstube und Jagdrevier für Käfer, Schnecken und Fliegen. Letztere lockt der Pilz durch seinen Aasgeruch an. Nachdem sich die Fliegen an seiner zuckerhaltigen Sporenmasse gelabt haben, verteilen sie die Sporen später über ihren Kot und helfen damit dem Pilz sich auszubreiten. Für Pilzsammler interessant: Das Jungstadium, Hexenei genannt, ist sogar essbar. Geschält und von der Gallertschicht befreit lässt es sich wie Bratkartoffeln zubereiten. Sein weißer Kern erinnert geschmacklich an Rettich oder Kohlrabi und gilt bei manchen Sammlern als Delikatesse.
Gesammelt werden sollte maßvoll. Für viele Speisepilze gelten Sammelbeschränkungen. Einige Pilzarten sind streng geschützt und dürfen nicht gesammelt werden, andere wie Steinpilze, Rotkappen und Pfifferlinge nur für den Eigenbedarf. Ein bis zwei Kilogramm pro Sammler und Tag gelten als Richtwert. Hübler mahnt: »Alle Pilze haben im Ökosystem Wald sehr vielfältige ökologische Funktionen, auch ungenießbare und Giftpilze. Der verantwortungsvolle Naturfreund wird sich daher stets achtsam verhalten und nur Pilze abpflücken, die für die Bestimmung oder zum Verzehr gedacht sind, alle anderen werden geschont und bleiben stehen.«
Daheim angekommen, reinigen Sammler die Pilze mit einem Pinsel von noch anhaftenden Nadeln, Sand und Erde. Angeschimmelte Pilze darf man nicht verwenden, da der ganze Pilz bereits vom Schimmel durchzogen ist. Kann man nicht alle Pilze verwenden, lassen sie sich flach ausgebreitet kühl im Keller oder im Kühlschrank bis zu 24 Stunden lagern. Manche Pilze können durch Trocknen, Einfrieren, Einwecken oder Silieren für eine längere Aufbewahrung haltbar gemacht werden. Welche Pilze sich für welche Art der Haltbarmachung eignen, kann bei Pilzsachverständigen erfragt oder entsprechender Literatur entnommen werden.
Die meisten Waldpilze sind roh giftig oder ungenießbar. Egal, ob man die Pilze nach dem Putzen brät, dünstet oder eine Suppe daraus zubereitet, es ist stets auf eine ausreichende gleichmäßige Erhitzung von mindestens 15 Minuten zu achten, da sich hierbei das thermolabile Gift vieler roh giftiger Pilzarten zersetzt und außerdem Bakterien oder Eier des Fuchsbandwurmes abgetötet werden.
Bei Verdacht auf eine »echte« Pilzvergiftung, sollten Betroffene sofort einen Arzt kontaktieren und die Giftnotrufzentrale informieren. Vergiftungssymptome sind je nach Art und Menge des Giftes etwa Brechdurchfall, Bauchschmerzen, Kreislaufprobleme, Halluzinationen, Schwitzen. Diese Symptome können bereits kurz nach der Pilzmahlzeit, manchmal auch erst nach Stunden oder Tagen auftreten. Unbehandelt drohen bleibende Organschäden oder der Tod. Alle Reste der Pilzmahlzeit inklusive Erbrochenem sowie Putzreste sind sicherzustellen und einem geprüften Pilzsachverständigen zu übergeben. Damit kann er feststellen, welcher Pilz die Vergiftung verursacht hat, was für den behandelnden Arzt eine wichtige Information ist. Auch sollte in Erfahrung gebracht werden, wer noch von den Pilzen gegessen hat, um auf weitere Vergiftungen schnell reagieren zu können beziehunsgweise diese zu verhindern.
Die DGfM bietet auf ihrer Homepage eine Positivliste der Speisepilze zum Herunterladen an. Sie umfasst Arten, die als essbar gelten. Sammler sollten dennoch vorsichtig sein, wenn sie neue Pilzarten verzehren möchten. Auch bei guten Speisepilzen kann der Körper individuell Allergien oder Unverträglichkeiten entwickeln.
Für Laien oft schwer zu unterscheiden ist eine echte Pilzvergiftung von einer »Unechten« durch Speisepilze: Beim Betroffenen lösen sie Unverträglichkeitsreaktionen mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen aus. Gründe können eine zu reichliche Mahlzeit gegebenenfalls in Verbindung mit reichlichem Alkoholgenuss, der Verzehr von ungenügend gegarten oder zu alten Speisepilzen oder auch pure Einbildung – etwa wenn man glaubt, vermeintlich einen Giftpilz gegessen zu haben – sein.