Prävention durch Apotheken wirkt |
Lebensstiländerungen wie eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung spielen bei der Sekundär- und Tertiärprävention von Typ-2-Diabetes eine große Rolle. Apotheken konnten hierbei erfolgreich unterstützen. / Foto: Getty Images/ratmaner
Typ-2-Diabetes betrifft viele Menschen – in Deutschland sind es schätzungsweise sieben Millionen. Die Krankheit bringt ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten und terminale Niereninsuffizienz mit sich. Hinzu kommen Komplikationen wie eine periphere und/oder autonome Neuropathie mit Folgen für Gliedmaßen und Organe oder eine diabetische Retinopathie. Ist der Blutzuckerwert dauerhaft erhöht oder schwankt er stark, was selbst bei einem guten Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) möglich ist, steigt das Risiko für die genannten diabetischen Folgeschäden, die Lebenserwartung sinkt. Prävention – in diesem Fall Sekundär- und Tertiärprävention – spielt daher eine große Rolle.
Dass Apotheken dabei wirksam unterstützen können, zeigt die kürzlich erschienene Studie GLICEMIA 2.0. Eine von der Apotheke systematisch gesteuerte und überwachte Diabetesprävention führte im Durchschnitt zu einem besseren Langzeit-Blutzuckerwert und einer deutlichen Gewichtsreduktion bei Typ-2-Diabetikern. »Die wichtigste Botschaft von GLICEMIA 2.0: Unsere Studie belegt eine statistisch signifikante HbA1c -Senkung durch Präventionsbetreuung aus der Apotheke«, sagt Kristina Friedland, Professorin für Pharmakologie und Toxikologie an der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) in Mainz.
An der randomisierten und kontrollierten Studie waren 26 öffentliche Apotheken in Bayern und insgesamt 198 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer beteiligt. Per Zufall wurden die Teilnehmenden einer Kontroll- und einer Interventionsgruppe zugeordnet.
Etwa ein Jahr lang (2017/2018) berieten Apothekenteams die Personen in der Interventionsgruppe in persönlichen Gesprächen, Gruppenschulungen und Telefonaten zu einer Lebensstiländerung mit mehr Bewegung und Gewichtsreduktion. Darüber hinaus wurde eine umfassende Medikationsanalyse durchgeführt. Die Daten wurden zu Studienbeginn, nach sechs Monaten und nach einem Jahr erhoben.
Der HbA1c-Wert, ein Langzeit-Blutzuckerwert, zeigt, wie hoch der Blutzucker durchschnittlich in den letzten acht bis zwölf Wochen war. Er ist ein Indikator, wie gut der Blutzucker eingestellt ist. Der mit dem Arzt vereinbarte Zielwert sollte laut Nationaler Versorgungsleitlinie »Typ-2-Diabetes« zwischen 6,5 und 8,5 Prozent liegen und hängt von der persönlichen Lebenssituation sowie dem Alter und weiteren Erkrankungen ab. Bei jüngeren, ansonsten gesunden Menschen ist ein niedriger HbA1c-Zielwert günstig, während bei älteren Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Komorbiditäten ein höherer Zielwert in Frage kommt.
Sekundärprävention heißt, dass Betroffene in einem frühen Stadium einer Krankheit unterstützt werden, um die Erkrankung abzuwenden oder den Krankheitsverlauf zu mildern.
Tertiärprävention zielt darauf ab, Folge- und Begleiterkrankungen einer bestehenden Grunderkrankung zu verhindern. Die Krankheit soll sich möglichst nicht verschlimmern. Die Lebensqualität des Patienten soll so hoch wie möglich bleiben. Im Gegensatz zur Sekundär- und Tertiärprävention besteht Primärprävention darin, den Eintritt einer Erkrankung zu unterbinden oder zu verzögern.
Bei den intensiv in der Apotheke betreuten Patientinnen und Patienten sank der HbA1c-Wert im Mittel von 8,00 auf 7,30 Prozent innerhalb eines Jahres. In der Kontrollgruppe war im gleichen Zeitraum eine gemittelte Senkung von 7,90 auf 7,60 Prozent feststellbar.
Der HbA1c-Wert stand zwar im Mittelpunkt der Auswertung, untersucht wurden aber auch weitere Faktoren, die den Erfolg des Präventionsprogramms zeigen. So führte die nachhaltige Betreuung in der Apotheke zu einer gemittelten Gewichtssenkung von 1,65 Kilogramm. Die Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe nahmen demgegenüber im Median nur um 1,10 Kilogramm ab.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Interventionsgruppe profitierten also messbar von der Anwendung des Präventionskonzepts und bewerteten ihren persönlichen Nutzen entsprechend. Mehr als 80 Prozent stuften diesen als hoch bis sehr hoch ein. Auch die große Mehrheit der teilnehmenden Apotheken war mit der Studienanlage und den zur Verfügung gestellten Materialien zufrieden.
»Unsere aktuelle Studie hat einmal mehr wissenschaftlich bewiesen, was präventive Betreuung durch Apothekerinnen und Apotheker zu leisten vermag«, resümiert Dr. Helmut Schlager vom Wissenschaftlichen Institut für Prävention im Gesundheitswesen der Bayerischen Landesapothekerkammer (WIPIG).
Das US-amerikanische Journal »Diabetes Care« veröffentlichte die Studienergebnisse Ende Juni 2021 online. Professor Dr. Friedland hatte im GLICEMIA 2.0-Projekt gemeinsam mit Dr. Helmut Schlager vom WIPIG und der Apothekerin Katja Prax die wissenschaftliche Federführung. GLICEMIA 2.0 ist eine Folgestudie zu einer zuvor durchgeführten Studie (GLICEMIA), die den Einfluss von Apotheken auf die Primärprävention von Typ-2-Diabetes untersuchte.
Die Materialien zum Präventionsprogramm GLICEMIA 2.0 stellt das WIPIG auf seiner Webseite allen Apotheken zur Verfügung. Apotheken in Bayern können sich zudem beim WIPIG melden, wenn sie das Programm für ihre Kunden anbieten möchten.