Prävention für die Seele |
Bewusstes Atmen ist ein bewährtes Mittel, um das Nervensystem zu beruhigen und Stress abzubauen. / © Adobe Stock/Dragana Gordic
Die Pflege der mentalen Gesundheit ist genauso wichtig wie der Erhalt der körperlichen Gesundheit, beide gehören zusammen, erklärt Bianca Büttner, Trainerin für Stressmanagement und Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). »Aufgrund der Arbeitsverdichtung und eines weit verbreiteten Drangs zur Selbstoptimierung in Job, Familie und Beziehung leben aber viele Menschen wie in einem Hamsterrad«, weiß die Psychologin. Gerade sie könnten von Methoden zur Stärkung der mentalen Gesundheit im Alltag profitieren – und resilienter werden.
Das Wort Resilienz geht auf das lateinische Wort »resilire« zurück, was »zurückspringen« oder »abprallen« bedeutet. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Physik: Körper, die nach extremer Spannung wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren, sind resilient. Auch der Begriff »Stress« kommt aus der Physik: Das englische Wort für »Anspannung« oder »Druck« bezeichnet die Wechselwirkung zwischen einer Kraft und einem Widerstand, der dieser Kraft entgegenwirkt. In beiden Fällen geht es also um Widerstandskraft, Belastbarkeit und Flexibilität im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen wie extremem Zeitdruck, aber auch prägenden Ereignissen wie einer schweren Krankheit, einer Trennung oder einem Todesfall im näheren Umfeld.
Resilienz wächst durch persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, die bis in die Kindheit zurückgehen, beispielsweise positive Bindungen an unterstützende Bezugspersonen oder eine gesunde Lebensweise. Aber Resilienz lässt sich auch in späteren Jahren stärken. Zum Beispiel dadurch, dass man sich in einer »stressigen« Situation bewusst macht, welche Handlungsmöglichkeiten man hat und was man mit den eigenen Fähigkeiten bewegen oder verändern kann – Stichwort Selbstwirksamkeit.
»Wenn wir uns dem Stress auf diese Art stellen, ist aber auch ganz wichtig, dass wir uns danach wieder regenerieren können«, betont Heijko Bauer, Diplompsychologe und Mitglied der Fachgruppe Entspannungsverfahren im BDP.
Eine wichtige Voraussetzung für diese Regeneration ist Entspannung. Wer sich wie und wobei am besten entspannt, ist auch eine Typfrage. Während die einen am besten bei Sport und Bewegung »abspannen«, beispielsweise bei Teamsportarten oder auch beim Joggen, setzen andere auf gezielte Entspannungsverfahren. Eine Schlüsselrolle spiele bei jeder Form der Entspannung die Atmung, erläutert Bauer, weshalb auch bewusstes Atmen zu allen Entspannungstechniken dazugehöre.
Die sogenannte 4-7-8-Atemtechnik beispielsweise bezeichnet eine Atemübung, bei der man 4 Sekunden lang durch die Nase einatmet, 7 Sekunden lang den Atem anhält, dann 8 Sekunden lang kräftig durch den Mund ausatmet. Die Übung beruhigt das Nervensystem, senkt den Herzschlag und kann so Stress reduzieren. Ihr zugrunde liegt die Erfahrung, dass die Herzfrequenz synchron mit dem Atemrhythmus schwankt – Fachleute nennen das »respiratorische Sinusarrhythmie (RSA)«. Die Herzfrequenz beschleunigt sich beim Einatmen und verlangsamt sich beim Ausatmen, sodass man sie durch bewusstes, tiefes und rhythmisches Ein- und Ausatmen aktiv beeinflussen und eine beruhigende Wirkung erzielen kann.
»Studien belegen, dass langsames Ausatmen den Parasympathikus – also den Ruhe- und Erholungsnerv – aktiviert«, erläutert Bauer. »Dadurch sinkt in der Regel auch der Cortisolspiegel im Blut und die Muskelspannung geht zurück.« Allerdings brauche es circa 15 bis 20 Minuten ruhige Atmung, um diesen Effekt zu erreichen. Das gelte ebenso für einen erholsamen Spaziergang oder ein entspannendes Gespräch mit Freunden – so viel Zeit braucht der Körper, um »runterzukommen«.
Wenn das Gedankenkarussell dabei absolut nicht aufhören will, sich zu drehen, können Entspannungstechniken wie Fantasiereisen, Meditation, progressive Muskelentspannung oder auch meditative Bewegungsformen wie Qigong, Tai-Chi oder Yoga helfen, die Übungen zur entspannten Konzentration mit Körper- und Atemübungen verbinden. Am meisten profitiert, wer sich dabei zunächst professionell anleiten lässt – etwa durch On- und Offlineangebote vieler gesetzlicher Krankenkassen.