PSA-Screening als Zankapfel |
PSA-Screening ja oder nein? Das ist auch ein bisschen wie das Kräftemessen zwischen Urologen und Krankenkassenvertretern. / Foto: Getty Images/Gannet77
Die umstrittenen Tests messen die Konzentration des Prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blutserum. Dieses Enzym stammt aus dem Drüsenepithel der männlichen Prostata. Harnwegsinfekte, gutartige Prostatavergrößerung, Harnverhalt und Tumoren gehen mit einem Anstieg der PSA-Konzentration einher. Je höher der PSA-Wert, desto wahrscheinlicher liegt eine gutartige Erkrankung der Prostata wie eine benigne Prostatahyperplasie oder eine Prostatitis, aber auch eine bösartige Veränderung wie ein Karzinom vor. Das Problem: Auch mechanische Beanspruchung im Beckenbereich wie Sport, Sex oder medizinische Maßnahmen lassen den PSA-Wert ansteigen und verwässern so seine Aussagekraft.
Schwierig ist außerdem die Definition von Grenzwerten zur bestmöglichen Unterscheidung gut- und bösartiger Prostataveränderungen: Falsch positive Ergebnisse ziehen zur weiteren Abklärung vermeidbare Stanzbiopsien nach sich, falsch negative Ergebnisse lassen Krebserkrankungen unerkannt.
Da mit dem Alter die Menge an Prostatagewebe und damit auch die PSA- Konzentration zunimmt, ist es sinnvoll, altersspezifische PSA-Grenzwerte zu definieren. Kombiniert man die PSA-Wert-Messung mit dem Tastbefund einer rektalen Untersuchung, steigt die Erkennungsrate von Prostatakrebs, der mit fast 25 % häufigsten Krebserkrankung bei Männern. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt in Deutschland bei etwa 72 Jahren; vor dem 45. bis 50. Lebensjahr tritt ein Vorsteherdrüsenkarzinom kaum auf. Prostatakrebs ist bei Männern nach Lungen- und Darmkrebs die dritt häufigste Krebstodesursache. Trotzdem ist der PSA-Test für gesunde Männer in Deutschland keine Kassenleistung, sondern als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) selbst zu bezahlen.
Ob ein PSA-Screening eine Erhöhung der Lebenserwartung durch Früherkennung von Prostatakrebs erzielen kann, bleibt auch nach Durchführung großer Studien umstritten. Wer in Deutschland an Prostatakrebs stirbt, ist sogar drei Jahre älter als das durchschnittliche männliche Sterbealter. Von den Männern über 50, die eines natürlichen Todes gestorben sind, sind ein Drittel nicht an Prostatakrebs verstorben, obwohl sie Prostatakrebs hatten. Männer ab 70 Jahren sterben unter anderem mit Prostatakrebs, nicht an ihm.
Trotzdem empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), ab dem 45. Lebensjahr einen PSA-Test machen zu lassen. Wie oft dieser wiederholt werden solle, hängt nach Einschätzung von Professor Dr. Oliver Hakenberg, Präsident der Gesellschaft, von der Höhe des PSA-Wertes ab, die viel über das weitere Risiko aussage, an Prostatakrebs zu erkranken.
Liegt der erste PSA-Wert mit 45 Jahren zum Beispiel unter 1 ng/ml, reiche es, diesen alle vier bis fünf Jahre zu wiederholen. Liegt er über 3 ng/ml, solle er jährlich wiederholt werden – immer zusammen mit der Tastuntersuchung. Diese Früherkennung solle nur solange erfolgen, wie man Männer mit Prostatakrebs auch aktiv durch Operation oder Bestrahlung behandeln würde, als Faustregel bis zum 75. Lebensjahr. Hakenberg sieht zwei Hauptgründe, weshalb der PSA-Test bisher nicht flächendeckend durchgeführt wird.
Alter | PSA-Grenzwert |
---|---|
bis 40 Jahre | < 2,0 ng/ml |
bis 50 Jahre | < 2,5 ng/ml |
bis 60 Jahre | < 3,5 ng/ml |
bis 70 Jahre | < 4,5 ng/ml |
ab 70 Jahre | < 6,5 ng/ml |
Zum einen wollen die Krankenkassen ihre Kosten begrenzen und bezahlen den Test nur, wenn prostatarelevante Symptome bestehen. Zum anderen könnte die Behandlung diagnostizierter, sehr kleiner und möglicherweise nicht relevanter Krebsherde schädlich sein. Letztere würden jedoch lediglich aktiv überwacht nach klaren Richtlinien von Experten. Der Gesellschaft geht es nicht nur darum, durch frühe Erkennung und Therapie Leben von Prostatakarzinompatienten zu retten. Bedeutend sei auch deren Lebensqualität, die in der Regel bei früher Krebsdiagnose und Therapie besser sei. Für eine Früherkennung sei der PSA-Wert praktisch unverzichtbar, da die Tastuntersuchung im Rahmen der gesetzlichen Vorsorge nur Karzinome entdecken kann, die bereits eine deutliche Größe erreicht haben – nach Meinung einiger Urologen eher eine »Späterkennung«.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat erneut überprüft, ob gesunden Männern als Kassenleistung ein Prostatakarzinom-Screening mit PSA-Test angeboten werden soll. Jedoch: Der im Dezember 2019 veröffentlichte Vorbericht bescheinigt dem Bluttest als Screening mehr Schaden als Nutzen – das Aus für die Kassenleistung.
Ermittelt wurde zwar eine signifikante Verringerung der prostataspezifischen Mortalität, aber kein erheblicher Vorteil bei der Gesamtmortalität. Das Screening kann nach Gutachtenergebnis einige metastasierende Krebserkrankungen zwar verhindern oder verzögern und ermöglicht frühere Therapien mit weniger und kürzeren Nebenwirkungen. Die Schäden würden jedoch überwiegen: Überdiagnosen und falsch positive Screeningbefunde belasteten die Betroffenen unnötig mit Angst und hätten überflüssige Prostata-Biopsien und (operative) Behandlungen zur Folge. Zu möglichen Komplikationen zählen Inkontinenz oder Impotenz in relativ jungem Alter. Die IQWiG stützt seine Nutzenbewertung dabei auf elf randomisierte, kontrollierte Studien mit mehr als 400.000 Männern im Alter von 55 bis 70 Jahren.
An den vom IQWiG präsentierten Ergebnissen übte die DGU scharfe Kritik. Urologen erwarten als Folge einen Shift zu weiter fortgeschrittenen Tumorstadien, die nicht mehr kurativ behandelbar sind, sowie hohe Therapiekosten.
Spannend sind deshalb die ersten Analysen einer Studie, die im Februar beim Deutschen Krebskongress vorgestellt wurden. Diese Studie ist die erste weltweit, die ein risikoadaptiertes PSA-Screening untersucht. Dazu wertet die Studie die Daten von fast 47 000 Männer im Alter von 45 Jahren aus.
Für Professor Dr. Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie der Uni Düsseldorf und Leiter des Zentrums für personalisierte Früherkennung des Prostatakarzinoms am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, zeigen schon erste Analysen dieser Untersuchung, dass ein risikoadaptiertes, altersabhängiges Screening möglich sei und das Potenzial habe, die Problematik der Überdiagnostik eines populationsbezogenen Screenings drastisch zu reduzieren.
Er empfiehlt: Liege der Wert bei einem 50-jährigen unter 1,5 ng/ml, könne man für mindestens 5 Jahre beruhigt sein. Ein PSA-Wert über 3 ng/ml bedürfe aber weiterer Abklärung. Zu beachten sei auch, dass diese Grenze für einen 60-Jährigen höher liegt. Und bei Verdacht auf ein Karzinom sollte diagnostisch zunächst ein MRT gemacht werden, keine Biopsie.
Völlig unumstritten sind PSA-Tests zur Rezidivsuche nach erfolgter Prostatakarzinom-Therapie. Ein Tumorwachstum nach Therapie ohne PSA-Anstieg ist nämlich äußerst selten.