Pseudopsychologie und ihre Folgen |
Ebenso wie man mit seinen Leiden nicht alleine bleiben müsse, sei auch Vorsicht bei Selbstanalysen geboten, so der Psychologe. »Bei meinen Klienten stelle ich immer wieder fest, dass sie sich die Infos aus Social Media besorgen und dann versuchen, es auf ihr eigenes Empfinden anzuwenden«, sagt Schmidt. »Selbstdiagnosen sind aber zweifelhaft bis gefährlich und oft nicht passend.« Wie auch in anderen medizinischen Fragen setze die Diagnose einer psychischen Erkrankung viel Wissen und Handwerkszeug voraus. Es gebe auch keine Patentrezepte, da sich gerade psychische Krankheiten auch sehr individuell ausprägen können. »Viele Ratgeber werden der Komplexität eines Krankheitsbildes nicht gerecht.«
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen rät, die Profile genau zu überprüfen. »Wer gibt die Informationen heraus, welche Interessen können damit verbunden sein, wie seriös und vertraulich ist die Quelle und wie vollständig wird informiert?«, sagt Verbandspräsidentin Thordis Bethlehem. Sie mahnt zur Vorsicht: Menschen sähen in Krisen kaum eigene Stärken, Ressourcen und Chancen. Der Fokus auf Belastungen, Probleme und Defizite aber mache sie empfänglich für Selbstdiagnosen. Therapie »aus der Gießkanne« werde dem, was Menschen brauchen, eben nicht wirklich gerecht.
In Deutschland seien jedes Jahr etwa ein Viertel der erwachsenen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Von diesen 17,8 Millionen Menschen nähmen demnach aber nur rund ein Fünftel (18,9 Prozent) Kontakt zu entsprechenden Experten auf. Den Zahlen von diesem Jahr zufolge gehören Angststörungen, affektive Störungen wie etwa Depressionen sowie Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Menschen mit psychischem Leiden haben statistisch gesehen eine um zehn Jahre geringere Lebenserwartung.
Während der »Woche der Seelischen Gesundheit« vom 10. bis 20. Oktober macht ein Aktionsbündnis auf die Bedeutung des Themas aufmerksam. Die Themenwoche sei ein Aufruf, psychische Belastungen bei sich selbst und bei den Menschen im eigenen Umfeld ernstzunehmen, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Schirmherr der Aktionswoche, in einem Grußwort. Rund 500 Präsenz- und Onlineveranstaltungen im Rahmen der Themenwoche machen auf bestehende Hilfsangebote aufmerksam. Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit will mit der Woche unter dem Motto »Zusammen der Angst das Gewicht nehmen« vor allem auf Ängste in Krisenzeiten eingehen. In der Aktionswoche solle die Hemmschwelle gesenkt werden, »bei Ängsten in Krisenzeiten Hilfe und Unterstützung zu suchen und anzunehmen«, so Lauterbach.