Quartett im September |
Sven Siebenand |
26.09.2024 16:00 Uhr |
Den Beipackzettel gilt es bei jedem neu verordneten Medikament zu studieren. / Foto: Getty Images/Santje09
Der neue Wirkstoff Linzagolix (Yselty® Filmtabletten, Theramex Ireland) ist bei erwachsenen Frauen im gebärfähigen Alter zur Behandlung mäßiger bis starker Symptome von Uterusmyomen zugelassen. Dies sind gutartige Tumoren der Gebärmutter. Ob und welche Beschwerden sie auslösen, hängt von ihrer Größe, Lage und Anzahl ab. Am häufigsten führen sie zu verstärkten vaginalen Blutungen. Linzagolix ist ein Antagonist am Rezeptor für das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH). Als solcher sorgt der Wirkstoff letztlich dafür, dass weniger luteinisierendes Hormon (LH) und weniger follikelstimulierendes Hormon (FSH) freigesetzt werden, was wiederum dazu beiträgt, das Myomwachstum zu bremsen.
Die empfohlene Dosis von Yselty beträgt 100 mg oder 200 mg einmal täglich zusammen mit einer hormonellen Add-back-Therapie (ABT) aus Estradiol und Norethisteronacetat. Frauen, bei denen eine ABT nicht empfohlen wird oder die eine Hormontherapie vermeiden möchten, nehmen 100 mg Linzagolix einmal täglich ein. Zur kurzfristigen Anwendung (< sechs Monate) können 200 mg Wirkstoff einmal täglich in klinischen Situationen zum Einsatz kommen, wenn eine Reduzierung des Uterus- und Myomvolumens erwünscht ist.
Grundsätzlich sollte die Behandlung in der ersten Woche des Menstruationszyklus begonnen werden. Eine Schwangerschaft muss vor Beginn der Behandlung mit Yselty ausgeschlossen werden. Auch Stillzeit ist eine Kontraindikation. Genauso ist der Wirkstoff bei Genitalblutungen unbekannter Ursache und bekannter Osteoporose tabu. Vor Einleitung einer Yselty-Behandlung müssen Patientinnen etwaige hormonelle Kontrazeptiva absetzen.
Bei Patientinnen mit Risikofaktoren für Osteoporose oder Knochenschwund wird vor Beginn der Behandlung eine Knochendichtemessung empfohlen. Nach einjähriger Behandlung wird allen Frauen unter Linzagolix zu einer solchen Untersuchung geraten. Auch danach sollte die Knochendichte kontinuierlich überwacht werden.
Bei schwerer Leberfunktionsstörung ist die Therapie mit Linzagolix zu vermeiden. Gleiches gilt bei mittelschwerer oder schwerer Nierenfunktionsstörung beziehungsweise terminaler Niereninsuffizienz. Sehr häufig treten unter einer Linzagolix-Monotherapie Hitzewallungen auf. In Kombination mit einer ABT verringerte sich diese Nebenwirkung. Häufig beobachtet wurden auch Kopfschmerzen, vermehrt bei höherer Dosis. Auch diese nahmen bei Anwendung einer ABT ab.
Pirtobrutinib (Jaypirca® Filmtabletten, Lilly) wird angewendet als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzelllymphom (MCL), die zuvor bereits mit einem Hemmstoff der Bruton-Tyrosinkinase (BTK) behandelt wurden. Das MCL gehört zu den Non-Hodgkin-Lyphomen. Es verläuft häufig aggressiv. Beim rezidivierten oder refraktären MCL kommen BTK-Hemmer wie Ibrutinib infrage. Es können jedoch durch Mutationen Resistenzen dagegen entstehen. Daher ist es eine gute Nachricht, dass mit Pirtobrutinib nun ein neuer BTK-Inhibitor, der an einer anderen Stelle an der Kinase bindet, als weitere Therapieoption zur Verfügung steht. Anders als andere BTK-Hemmer bindet Pirtobrutinib nicht kovalent an die Kinase. Der neue Wirkstoff bindet sowohl an die Wildtyp-BTK als auch an die BTK mit sogenannten C481-Mutationen.
Die empfohlene Dosis beträgt 200 mg einmal täglich. Die Einnahme soll unterbrochen werden, wenn bestimmte Ereignisse auftreten, etwa Neutropenie mit Fieber und/oder Infektion. Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen zählen Fatigue, Neutropenie, Diarrhö und Prellung. Besondere Warnhinweise sind in Fachinformation von Jaypirca zum Beispiel zum Thema Infektionen, Blutungen sowie Vorhofflimmern/-flattern zu finden.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für fünf Wochen nach der letzten Einnahme von Pirtobrutinib eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Männer sollten angewiesen werden, während der Behandlung und für drei Monate nach der letzten Einnahme des BTK-Hemmers ebenfalls eine zuverlässige Verhütungsmethode zu nutzen und kein Kind zu zeugen. Schwangere dürfen Jaypirca nicht anwenden. Das Stillen sollen Frauen während der Behandlung mit dem Wirkstoff und für eine Woche nach der letzten Dosis unterbrechen.
Bei der seltenen Erkrankung paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist das Komplementsystem des Körpers überaktiv und schädigt eigene Blutzellen. Ein übermäßiger Abbau von Blutkörperchen führt zu Anämie, Thrombosen und dunklem Urin. Mit Iptacopan und Danicopan kamen im Laufe dieses Jahres bereits zwei neue Wirkstoffe für die PNH-Therapie auf den Markt. Nun folgte mit Crovalimab (Piasky® Injektions-/Infusionslösung, Roche) der dritte neue Wirkstoff bei PNH in einem Jahr.
Was den Wirkmechanismus angeht, ist Crovalimab weniger mit Danicopan oder Iptacopan zu vergleichen, sondern vielmehr mit den Antikörpern Ravulizumab und Eculizumab, die schon seit Längerem bei PNH zum Einsatz kommen. Sie richten sich wie Crovalimab gegen den Komplementfaktor C5. Durch die Hemmung von C5 verhindern die drei Antikörper, dass Komplementproteine Zellen schädigen, und hier vor allem rote Blutkörperchen, und tragen so dazu bei, die Symptome der PNH-Erkrankung zu lindern.
Zugelassen ist Crovalimab zur Monotherapie für PNH-Patienten ab zwölf Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg, und zwar sowohl für symptomatische Patienten mit hoher Krankheitsaktivität (Hämolyse) als auch für solche, die unter der Therapie mit einem C5-Inhibitor seit mindestens sechs Monaten klinisch stabil sind.
Anders als Eculizumab und Ravulizumab muss Crovalimab nur bei der ersten Gabe infundiert werden. Danach wird es als subkutane Injektion verabreicht. Das empfohlene Dosierungsschema besteht aus einer intravenös infundierten Initialdosis an Tag 1, gefolgt von vier wöchentlichen subkutanen Initialdosen an den Tagen 2, 8, 15 und 22. Die Erhaltungsdosis wird erstmals an Tag 29 und dann alle vier Wochen subkutan gegeben.
Die zu verabreichenden Dosen basieren auf dem Körpergewicht der Patienten. Nach entsprechender Einweisung können diese sich das Arzneimittel zu Hause ohne ärztliche Aufsicht selbst subkutan injizieren. Es wird empfohlen, in den Bauch zu spritzen und die Injektionsstelle stets zu wechseln. Die Injektionen dürfen niemals in Leberflecken, Narben, blaue Flecken oder Bereiche erfolgen, in denen die Haut empfindlich, geschwollen, gerötet, verhärtet oder verletzt ist.
Wichtig: Bei Patienten mit nicht abgeklungener Neisseria meningitidis-Infektion ist Crovalimab kontraindiziert. Die Patienten müssen mindestens zwei Wochen vor der ersten Antikörperdosis mit einem tetravalenten Meningokokken-Impfstoff geimpft werden oder von Beginn der Antikörper-Behandlung bis zwei Wochen nach der Impfung eine Antibiotikaprophylaxe erhalten.
Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen sind Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, Fieber und Reaktionen im Zusammenhang mit einer Infusion. Sogenannte Typ-III-Immunkomplex-vermittelte Reaktionen traten ebenfalls sehr häufig auf, dies jedoch nur bei Patienten, die von einem anderen C5-Inhibitor zu Crovalimab oder von Crovalimab zu einem anderen C5-Hemmer wechselten.
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) ist eine seltene und schwere Erkrankung, bei der sich die Blutgefäße in der Lunge verdicken und verengen. Das führt zu einem besonders hohen Blutdruck in den Lungenarterien und zu Atembeschwerden, die die Betroffenen in ihrer körperlichen Aktivität stark einschränken. Es gibt schon einige Wirkstoffe aus unterschiedlichen Klassen, die bei PAH zum Einsatz kommen. Mit Sotatercept (Winrevair® Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, MSD) kommen nun ein weiterer Wirkstoff und ein erster Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse bei PAH hinzu. Sotatercept ist der erste Aktivin-Signalweg-Inhibitor im Handel.
Zum Hintergrund: Bei PAH liegt ein Ungleichgewicht zwischen proproliferativer (Activin-IIa-Smad2/3-Weg) und antiproliferativer (BMPR-II-Smad1/5/8-Weg) Signalübertragung vor. Die proproliferative Signalübertragung überwiegt. Das führt zum Umbau von Lungengefäßen. Das Fusionsprotein Sotatercept besteht aus der extrazellulären Domäne des humanen Aktivinrezeptors Typ IIA und der Fc-Domäne von humanem IgG1. Dadurch kann es Liganden des genannten Rezeptors, etwa Activin A, abfangen und binden, bevor diese an den eigentlichen Rezeptor andocken. Das reduziert die proproliferative Signalübertragung und bringt wachstumsfördernde und wachstumshemmende Signale wieder ins Gleichgewicht.
Zugelassen ist Sotatercept in Kombination mit anderen PAH-Therapien für die Behandlung erwachsener Patienten der WHO-Funktionsklasse II bis III zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Sotatercept wird alle drei Wochen als subkutane Einzelinjektion in Abhängigkeit vom Körpergewicht des Patienten gegeben. Der Hämoglobinwert und die Thrombozytenzahl müssen vor Therapiestart und im Laufe der Therapie im Blick behalten werden. Die Applikation von Sotatercept erfolgt in den Bauch, Oberarm oder Oberschenkel. Patienten und Pflegekräfte können das Mittel verabreichen, wenn dies für angemessen erachtet wird und wenn sie von medizinischem Fachpersonal geschult wurden.
Zu den sehr häufigen beobachteten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerz, Nasenbluten, Ausschlag, Durchfall, Schwindel und Thrombozytopenie. Bei Patienten mit einer konstanten Thrombozytenzahl unter 50 x 109/l vor Beginn der Behandlung ist Sotatercept kontraindiziert.
Frauen im gebärfähigen Alter wird ein Schwangerschaftstest vor Therapiestart empfohlen. Sie sollten während der Behandlung und für mindestens vier Monate nach der letzten Dosis eine wirksame Verhütungsmethode anwenden. Die Anwendung von Winrevair bei Schwangeren wird nicht empfohlen. Das Stillen soll während der Behandlung und für vier Monate nach der letzten Behandlungsdosis unterbrochen werden.