Radon als Ursache für Lungenkrebs |
Barbara Döring |
17.01.2023 08:30 Uhr |
Natürliche Strahlung beeinflusst das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Jeder ist gefährdet, doch Raucher besonders stark. / Foto: Adobe Stock/Francesco Scatena
Es ist unsichtbar, nicht zu riechen oder zu schmecken und doch gefährlich für die Gesundheit, wenn zu viel davon eingeatmet wird – Radon ist nach dem Rauchen eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs. Etwa 5 Prozent der Todesfälle durch Lungenkrebs sind nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) in Deutschland auf eine zu hohe Radonbelastung in Wohnräumen zurückzuführen. Pro Jahr sind das etwa 1.900 Todesfälle. Die wenigsten Menschen wissen jedoch über Radon Bescheid, wie eine aktuelle, vom BfS beauftragte Studie, zeigt. »Das Wissen zu Radon ist in der Bevölkerung sehr gering und das Risiko wird unterschätzt«, sagt Dr. Bernd Hoffmann, Leiter des Fachgebiets Radon beim Bundesamt für Strahlenschutz im Gespräch mit PTA-Forum.
Radon ist ein radioaktives Gas, das natürlicherweise überall in der Umwelt vorkommt. »Wir nehmen es mit jedem Atemzug auf, doch erst, wenn es sich in Häusern anreichert, wird es gesundheitlich bedenklich«, erklärt der Radon-Experte. Das Gas entsteht, wenn das Metall Uran, das in Gesteinen im Erdreich vorkommt, radioaktiv zerfällt. Über schlecht isolierte Böden oder undichte Stellen dringt es in Gebäude ein und sammelt sich dann vor allem im Keller und in den unteren Stockwerken an. Über Treppenaufgänge oder Kabelschächte kann es auch in die oberen Etagen vordringen.
Das Gas gelangt beim Atmen in die Lunge und emittiert beim Zerfall Strahlen, die das Erbgut der Lungenzellen schädigen kann. Dass Radon auf diese Weise potenziell in der Lage ist, Lungenkrebs auszulösen, zeigen vor allem Bergarbeiter-Studien, unter anderem eine Studie mit 60.000 ehemaligen Beschäftigten im Uranerzbergbau. Heute weiß man, dass auch Menschen, die über Jahrzehnte in ihrer Wohnung hohen Radon-Konzentrationen ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko haben, an Lungenkrebs zu erkranken. Laut einer Auswertung von 13 europäischen Studien mit mehr als 7.000 Lungenkrebspatienten ist das relative Risiko für Lungenkrebs um 48 Prozent erhöht, wenn jemand etwa 30 Jahre lang einer Radonbelastung von 300 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft (Bq/m3) ausgesetzt war. Becquerel ist nach dem internationalen Einheitensystem die Einheit für Radioaktivität. Sie gibt die Zahl der Atome an, die in einer Sekunde zerfallen.
Die Radonbelastung ist in Deutschland nicht überall gleich, da sie vom Urangehalt der Böden abhängt. Die norddeutsche Tiefebene weist meist niedrige Werte auf. Höhere Konzentrationen kommen im Voralpenland sowie in Mittelgebirgen wie Erzgebirge, Harz, Schwarzwald und bayerischer Wald vor. Wieviel davon in Gebäude eindringt, hängt vor allem von der Bausubstanz ab. Messungen zeigen, dass Innenräume in Deutschland im Jahresmittel Radon-Konzentrationen von durchschnittlich 50 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft aufweisen.
Zum Schutz der Gesundheit sieht das Strahlenschutzgesetz vor, dass die Radon-Konzentration in Innenräumen im Jahresmittel einen Wert von 300 Bq/m3 nicht überschreiten soll. »Für private Haushalte ist dieser Referenzwert eine Empfehlung. Arbeitgeber sind dagegen verpflichtet, Maßnahmen zur Senkung der Radonkonzentration zu ergreifen, wenn der Wert überschritten wird«, sagt Hoffmann. Einen Schwellenwert, unter dem Radon ungefährlich ist, lässt sich nicht benennen. Deshalb kann es sinnvoll sein, bereits bei Werten ab 100 Bq/m3 gegenzusteuern. Allgemein gilt: Je höher die Radonbelastung, je höher das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
Die einzelnen Bundesländer haben seit 2021 sogenannte Radon-Vorsorgegebiete ausgewiesen, in denen mit hohen Radonkonzentrationen in Gebäuden zu rechnen ist. Das heißt, der Referenzwert von 300 Bq/m3 wird hier überdurchschnittlich häufig überschritten. In diesen Gebieten gelten bei Neubauten und am Arbeitsplatz höhere Anforderungen zum Schutz vor Radon. Auch bei privaten Neubauten besteht hier die Verpflichtung, durch besondere bauliche Maßnahmen das Eindringen von Radon zu verhindern.
Jeder kann selbst leicht feststellen, ob die Radonkonzentration in den eigenen vier Wänden noch im grünen Bereich liegt. Für die Messung gibt es Radon-Detektoren, die für einige Monate bis zu einem Jahr in Innenräumen ausgelegt werden. Die Kosten betragen etwa 30 Euro pro Gerät und Messung. Hoffmann empfiehlt, zwei bis drei dieser sogenannten Radon-Dosimeter im Keller und in Räumen, in denen man sich am meisten aufhält, wie Schlaf-, Wohn- oder Arbeitszimmer, aufzustellen. »Damit erhält man bereits einen sehr guten Überblick über die Radonbelastung zu Hause«. Das BfS bietet auf seiner Webseite Adressen von Messlaboren, die Geräte per Post zusenden und die Messung auswerten. Diese entsprechen auch den Anforderungen für Messungen an Arbeitsplätzen. Wer Sorgen hat, sich während der Messung bereits einem gesundheitlichen Risiko auszusetzen, kann beruhigt sein. Radon stellt erst ein erhöhtes Risiko dar, wenn es über einen Zeitraum von mehreren Jahren oder Jahrzehnten in hohen Konzentrationen auf den Körper einwirkt, erklärt der Experte.
Auch wenn Radon überall im Erdreich vorkommt, sind Menschen dem Gas nicht schutzlos ausgeliefert. Um zu verhindern, dass sich in den eigenen vier Wänden hohe Konzentrationen anreichern, kann regelmäßiges, stoßweises Lüften schon helfen. Dafür sollten gegenüberliegende Fenster in der Wohnung mehrmals täglich für mehrere Minuten weit geöffnet werden. Ergeben die Messwerte jedoch erhöhte Konzentrationen über 300 Bq/m3 ist konsequentes Lüften allein nicht ausreichend und nur eine vorübergehende Maßnahme. Das Gebäude sollte dann auf undichte Stellen in Keller und Erdgeschoss untersucht werden. „Eventuell sind Kabeldurchbrüche und Rohrleitungen nicht richtig abgedichtet. Solche Schwachstellen lassen sich oft ohne aufwändige Sanierung selbst verschließen“, erklärt Hoffmann. Bei neuen Bauten ist von vornherein auf eine gute Isolierung zu achten, zum Beispiel durch eine durchgehende Grundplatte aus Beton. Welche bautechnischen Maßnahmen im Einzelnen sinnvoll sind, darüber informiert das Radon-Handbuch Deutschland, das auf der Webseite des BfS zum Herunterladen kostenfrei bereitsteht.
Der ein oder andere Raucher wird sich vielleicht fragen, warum es überhaupt sinnvoll ist, mit dem Rauchen aufzuhören, wo doch die natürliche Radonbelastung ohnehin das Lungenkrebsrisiko erhöht. Mit dem Rauchen aufzuhören, lohnt sich dennoch in jedem Fall. Das Risiko, aufgrund von Radon Krebs zu entwickeln, ist für Raucher sogar besonders hoch. »Das Rauchen einer Schachtel Zigaretten am Tag verstärkt die schädliche Wirkung von Radon ungefähr um den Faktor 25«, weiß Hoffmann. Es ist nach wie vor der mit Abstand größte Risikofaktor für Lungenkrebs und darauf zu verzichten, die wichtigste Maßnahme, um vorzubeugen.
Obwohl Radon potenziell krebserregend ist, wird es auch für medizinische Zwecke genutzt, um Entzündungen zu reduzieren und Schmerzen zu lindern. Diese Eigenschaften des radioaktiven Gases machen sich Radon-Heilkuren zunutze, die etwa für Patienten mit Autoimmunerkrankungen wir Morbus Bechterew in Bad Gastein oder Bad Kreuznach angeboten werden. Die Aufenthalte im Radon-Stollen oder in Radon-Heilbädern für einige Stunden lindert die Schmerzen oft für mehrere Monate, sodass sich der Gebrauch von Schmerzmitteln mitunter über längere Zeit reduzieren lässt. »Ob der Nutzen der Anwendung die Risiken der Radonbehandlung überwiegen, muss der Arzt bei jedem Patienten individuell abwägen«, sagt Hoffmann. Für Wellnessanwendungen, wie sie in früheren Zeiten durchaus üblich waren, sei Radon dagegen definitiv nicht geeignet.
Zeichen, die auf Lungenkrebs hindeuten, sind wenig spezifisch und können auch bei anderen, gutartigen Erkrankungen auftreten. Da die Heilungschancen am besten sind, wenn Krebs in einem frühen Stadium erkannt wird, ist es wichtig, folgende Beschwerden in jedem Fall ärztlich abzuklären: