Raus aus dem Burn-out |
Barbara Döring |
23.01.2023 11:30 Uhr |
Erschöpfung und Frustration sind typische Zeichen eines Burn-outs. / Foto: Adobe Stock/sebra
Sicher machen viele hin und wieder die Erfahrung, abgearbeitet, ausgelaugt und müde zu sein. Doch wenn Menschen in Internetforen über ihre Erfahrungen mit dem Thema Burn-out berichten, sind der Stress und die Erschöpfung fast greifbar: »Ich konnte nach Stressphasen nicht mehr richtig runterkommen und war permanent in einem Anspannungsmodus«, »Ich konnte nicht einschlafen und habe jede Nacht von der Arbeit geträumt«, »Ich fühle nichts mehr, keine Freude, kein Glück, nur noch Schmerz und Leere«, berichten Betroffene.
Burn-out kommt vom englischen »to burn out« und bedeutet so viel wie »ausbrennen«. Der Begriff wurde in den 1970er-Jahren vom US-amerikanischen Psychotherapeuten Herbert Freudenberger geprägt. Er beschrieb damit einen Zustand, in den vor allem Menschen kamen, die mit hohem Engagement und aufopfernd hohen beruflichen Belastungen ausgesetzt waren. Ärzte, Pflegende, Sozialarbeiter oder Lehrer fühlten sich schon damals besonders häufig erschöpft, resigniert oder überfordert.
Die Situation hat sich seitdem nicht verbessert: Untersuchungen zeigen, dass sich fast alle Arbeitnehmer im Gesundheitswesen mindestens einmal in ihrem Berufsleben ausgebrannt fühlen. Auch die Coronapandemie hat ihren Teil dazu beigetragen. In einer Studie über die Auswirkungen von Burn-out im Gesundheitswesen während des letzten Lockdowns gab fast die Hälfte der Teilnehmer in Deutschland an, dass sich bereits vorhandene Überlastungssymptome noch einmal verschlimmert haben. Doch auch in anderen Berufen fühlten sich viele Menschen während der Pandemie stärker gestresst. »Gerade im beruflichen Bereich hat sich in der Coronazeit viel verändert«, betont Thomas Owezarek, Chefarzt an der Oberberg Fachklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Scheidegg im Gespräch mit PTA-Forum.
Viele mussten zu Hause unter ungewohnten Bedingungen im Homeoffice arbeiten, oft gepaart mit Homeschooling der Kinder, ohne die entsprechenden räumlichen Gegebenheiten zu haben. »Die Arbeit fand Einzug in das häusliche Umfeld und machte es schwer abzuschalten«, sagt Owezarek. Die Menschen hatten Angst vor Ansteckung und machten sich Sorgen, wie sich die Dinge entwickeln. »Auf diese Weise hat Corona sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld zu einer größeren psychischen Belastung geführt«, sagt der Resilienz- und Businesscoach.
Nicht nur in helfenden Berufen, auch in der Bevölkerung allgemein hat die Coronapandemie das Problem Burn-out verstärkt. Versichertendaten der Krankenkassen zeigen, dass im Coronawinter 2020/21 die meisten Fehltage auf psychische Erkrankungen zurückzuführen waren. Laut der Kaufmännischen Krankenkasse hat sich die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen Burn-out krankgeschrieben waren, von 2020 auf 2021 um 6,4 Prozent erhöht.
Auch heute wird ein Burn-out vor allem im Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung im Beruf gesehen, wenn auch nicht nur im Gesundheitswesen. So ist Burn-out auch in der neuen, 2022 veröffentlichten Version der internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD 11) als Reaktion auf Stress im beruflichen Zusammenhang definiert. Allerdings wird Burn-out nicht als Krankheit bewertet, sondern vielmehr als Problem bei der Lebensbewältigung, das die Gesundheit beeinflusst.
Sowohl bei der Bewertung als Erkrankung als auch bei der Frage, ob nicht auch bei Menschen, die sich durch Belastungen im privaten Bereich ausgebrannt fühlen, von Burn-out die Rede sein sollte, herrscht Uneinigkeit. Schließlich kann auch die Pflege von Angehörigen sehr belastend sein. Sicher ist, dass nicht jeder, der sich häufiger erschöpft oder müde fühlt, von einem Burn-out betroffen ist. Die Zeichen eines Burn-outs lassen sich ziemlich genau benennen. »Es gibt drei Kardinalsymptome, die ein Burn-out charakterisieren«, sagt Dr. Carolin Stierle, Leitende Oberärztin an der Oberberg Fachklinik: emotionale und körperliche Erschöpfung, Depersonalisierung beziehungsweise berufliche Entfremdung und verringerte Leistungszufriedenheit. »Typisch ist eine Frustration, ein negatives oder auch emotionsloses Verhalten und Gefühle von Inkompetenz in Bezug auf verschiedene Arbeitsaspekte«, weiß die ärztliche Psychotherapeutin zu berichten.
»Eigentlich engagierte Mitarbeiter distanzieren sich von ihrer Tätigkeit und entwickeln oft im Verlauf eine zynische Einstellung dazu, wie es eigentlich gar nicht zu Arbeitnehmern vor allem in helfenden Berufen passt.« Wer ein Burn-out entwickelt hat, ist meist unzufrieden mit der eigenen Leistung und hat das Gefühl, den Anforderungen nicht mehr zu genügen. Typisch ist auch, dass sich das Erschöpfungserleben über Monate bis Jahre hinziehen kann, ein Wochenende oder ein Urlaub zwar kurzfristig Erholung bringt, aber keine langfristig positive Auswirkung auf das Stresserleben hat.
Nicht immer lassen sich die Zeichen eines Burn-outs von einer Depression unterscheiden. »Wichtig ist, in welchem Kontext das Burn-out entstanden ist«, sagt Stierle. »Bei einer Depression gibt es häufig charakteristische Auslöser, die man beim Burn-out so nicht findet, etwa eine Trennung, ein Verlust, eine Trauersituation.« Zudem ist eine Depression mit klaren Zeichen definiert, während im Zusammenhang mit einem Burn-out mehr als 150 Symptome beschrieben sind, die auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten, wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen oder sozialer Rückzug. »Jemand, dem es bei einem Burn-out gelingt, sich im beruflichen Kontext wieder besser darzustellen, dem geht es auch wieder besser«, weiß Owezarek. Dagegen wird eine Depression in der Regel auch weiterbestehen, wenn der Stress auf der Arbeit nachgelassen hat.
Bin ich gefährdet, ein Burn-out zu bekommen oder vielleicht schon betroffen? Der Selbsttest der Oberbergkliniken gibt dazu eine erste Einschätzung (www.oberbergkliniken.de/selbsttest-burnout). Die 32 Fragen zu den Themenbereichen »Stress im Beruf«, »Erschöpfung«, »negative Gefühle gegenüber der Arbeit« und »Leistungseinbußen« sind online mit Ja oder Nein zu beantworten. Der Anbieter weist darauf hin, dass auch bei einem negativen Testergebnis ein Burn-out nicht ausgeschlossen werden kann und bei Verdacht darauf dringend ein Gespräch mit einem Arzt oder Therapeuten zu empfehlen ist.
Immer wieder ist von Burn-out-Persönlichkeiten die Rede. »So klar lässt sich das nicht sagen«, betont Stierle. Prinzipiell kann jeder ein Burn-out erleiden. Allerdings sind Menschen mit Burn-out häufig sehr leistungsorientiert, definieren sich häufig stark über ihren Beruf und haben gleichzeitig wenig sozialen Ausgleich. »Oft sind außer dem Beruf keine tragenden Säulen wie Familie, Freunde, Religiosität oder Spiritualität oder Hobbys vorhanden«, erklärt Stierle.
Bei einem Burn-out spielen jedoch immer die Arbeitsbedingungen eine Rolle, ergänzt Owezarek. Wichtig sei, dass Arbeitgeber gefordert sind, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Arbeitnehmer gesund arbeiten können. Dass Persönliches hineinspielt, hätte auch positive Aspekte: »Wenn es um therapeutische Maßnahmen geht, gibt es bezüglich der Persönlichkeitsmerkmale Hilfsmöglichkeiten«, sagt Owezarek. Welche Arbeitsbedingungen beim Burn-out eine Rolle spielen, dazu hat man inzwischen einiges herausgefunden: hohe Arbeitsanforderungen, Zeitdruck, Hierarchieprobleme. Auch wenn jemand nicht das Gefühl hat, selbst Dinge entscheiden zu können und nie selbstständig arbeiten kann, trägt das zur Belastung bei.
Der Weg aus einem Burn-out gelingt nicht von heute auf morgen. Wichtig ist, die Situation erst einmal als Problem zu erkennen und dann aus der Situation herauszukommen. Doch eine einfache Krankschreibung ohne weitere Hilfe ist keine sinnvolle Maßnahme. »Die Erfahrung zeigt, dass eine Pause allein nicht heilsam ist«, sagt Stierle. Sie schafft zwar kurzzeitig Entlastung, die alten Muster bleiben jedoch, sodass es nach der Krankschreibung im gleichen Modus weitergeht. »Häufig habe ich Patienten in der Klinik gesehen, die sagten, dass plötzlich nichts mehr ging, die sich einfach leer fühlten«, berichtet Stierle. Sie hätten die Situation nicht wahrgenommen und seien sehenden Auges gegen eine Wand gerannt. Jemand, der in einem solchen Tunnel sei, könne nicht mehr selbst realisieren, wo er stehe und wie er sich helfen kann.
Im Idealfall schreibt der Hausarzt den Patienten krank und veranlasst eine psychotherapeutische Behandlung. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: eine ambulante Therapie in der Praxis oder in der Tagesklinik oder einen stationären Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik oder einer Rehaklinik. Zu bedenken sei, dass Patienten für einen ambulanten Termin heute fast überall mindestens ein halbes Jahr Wartezeit in Kauf nehmen müssen. »Da muss gut abgewogen werden, ob die Therapie noch warten kann oder der Patient schnellere und intensivere Hilfe in einer Klinik braucht«, so Stierle.
Für den Aufenthalt in einer Rehaklinik ist zuvor ein Antrag beim Reha-Leistungsträger zu stellen. Der Hausarzt sollte dafür die medizinische Erfordernis begründen und Ziele der Reha formulieren. In der Regel dauert es bis zur Bewilligung drei Wochen, bis zum Rehabeginn dann drei bis acht Wochen.
Nicht immer führt permanenter Stress in ein Burn-out. Manche Menschen hetzen von einer Aufgabe zur nächsten und befinden sich permanent am Limit ihrer Leistungsfähigkeit, ohne dass sie zusammenbrechen. Dennoch leiden sie unter der Situation, bekommen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen und können sich nicht mehr entspannen. Experten sprechen dann von einem »Burn on«. Es ist wie Burn-out keine anerkannte Krankheit. Dennoch sollte rechtzeitig gegengesteuert werden, zum Beispiel mit Entspannungsverfahren, damit der Dauerstress nicht in einer Erschöpfungsdepression endet.
Noch haben viele Vorbehalte, wegen eines Burn-outs in eine Klinik oder Rehaklinik zu gehen. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Situation oft nur zu bewältigen ist, wenn Betroffene aus dem Alltag und dem Arbeitsfluss herauskommen. In einer Klinik kommt der Mensch erst einmal zu sich und erfährt, welche Dinge, wie Musik, Sport, Achtsamkeitsübungen, ihm guttun. »In der Klinik sind die Patienten umsorgt, können sich fallen lassen und müssen sich nicht um die Dinge des Alltags kümmern«, sagt Owezarek. »Nach zwei bis drei Wochen sind sie meist angekommen und die Erholung setzt ein.«
Bei der Therapie des Burn-outs geht es darum, erst einmal zu erkennen, was den Stress verursacht, und Wege zu finden, die Situation zu bewältigen. Dabei sind alle Maßnahmen geeignet, die helfen, Stress abzubauen. Sport ist dafür ein gutes Beispiel. »Wichtig ist, das Training auch wirklich zum Stressabbau zu nutzen und nicht ein neues Leistungsgebiet damit aufzumachen«, sagt Owezarek.
Resilienzübungen helfen zudem, ein Bewusstsein für das eigene Energielevel zu finden. Das Smartphone liefere hier einen sehr guten Vergleich: Die meisten hätten ein sehr gutes Bewusstsein dafür, wie es um das Energielevel des Akkus steht und würden es rechtzeitig ans Ladekabel hängen, bevor es runterfährt. Genauso müssten Patienten lernen, ein Gefühl für die eigenen Energiereserven zu bekommen. Wer außerdem weiß, was ihm Energie raubt, kann solche Situationen besser verhindern. Wichtig sei außerdem, für sich selbst herauszufinden, was einem im Leben guttut und was Kraft und Energie gibt.
Nicht immer lässt sich eine belastende Situation am Arbeitsplatz vermeiden. Dennoch ist es wichtig, mit seinem Vorgesetzten darüber zu sprechen und möglichst Ideen einzubringen, was verbessert werden könnte. Viele Arbeitgeber haben bereits Maßnahmen zur beruflichen Gesundheitsförderung etabliert, etwa Achtsamkeitstage oder Räume für Mitarbeiter, wo sie sich ausruhen oder ihre Mittagspause verbringen können. »Bei uns in der Klinik ist es gang und gäbe, in der Mittagspause einmal rauszugehen, sich ein paar Minuten die Füße zu vertreten, die Natur in sich aufzusaugen, durchzuatmen«, berichtet Stierle. Solche kleinen Maßnahmen können schon helfen. Auch sich Termine mit sich selbst in den Kalender einzutragen und fünf Minuten Achtsamkeitstraining zu machen. »Zum Beispiel nimmt man die Postkarte aus dem letzten Urlaub aus der Schublade und versetzt sich für zwei, drei Minuten an diesen Ort, um wieder runterzukommen«, erklärt Stierle. Oder man atmet kurz durch, wenn eine Aufgabe erledigt ist und nimmt diese Situation ganz bewusst wahr, bevor man sich der nächsten Aufgabe widmet. So kann schon eine Minute Pause helfen, das Stresserleben erheblich zu reduzieren und zu einem ausgeglichenen Arbeitsalltag beitragen. /