Recherche zu Individualrezepturen meistern |
Verena Schmidt |
20.06.2023 14:00 Uhr |
Studienportale, Datenbanken, Rezepturforen: Viele Informationen zu unbekannten Rezepturen lassen sich mit einer strukturierten Suche im Internet finden. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Bei neuen Rezepturformeln müsse man viele Themen hinterfragen, bekräftigte Melhorn. Man müsse sie unter anderem auf Plausibilität prüfen (Sind Anwendung und Dosierung korrekt, gibt es rechtlich etwas zu beachten?), klären, welche Techniken und Geräte man zur Herstellung braucht und wo man die Ausgangsstoffe bekommen kann und wie diese geprüft werden müssen.
»Dazu brauchen wir Recherchemedien«, so die Expertin. Arzneibücher und das DAC/NRF sowie Fachbücher und Fachzeitschriften ständen in vielen Apotheken in kleinerem Umfang zur Verfügung. Elektronische Medien, beispielsweise im Internet frei zugängliche Studienportale, Datenbanken, Rezepturforen und Lehrvideos, gewinnen laut der Expertin immer mehr an Bedeutung. Informationen zu rechtlichen Fragen wie dem Verschreibungsstatus liefern etwa die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sowie gesundheitsrechtliche Textsammlungen (zum Beispiel Wilson/Blanke: »Apotheken- und Arzneimittelrecht«).
»Man muss sich auch die Anwendung anschauen, ist das verschriebene Arzneimittel für den jeweiligen Patienten und das Anwendungsgebiet geeignet?«, sagte Melhorn. Gute Anlaufstellen seien hier die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die für viele Indikationen Therapieleitlinien erarbeitet haben. In Altmeyers Enzyklopädie, einem Online-Lexikon für Fachkreise für die Dermatologie, ist nach kostenloser Registrierung der Zugriff auf einen Volltext pro Tag möglich. Hinweise zur Anwendung der verordneten Rezeptur können auch die Fach- und Gebrauchsinformationen von vergleichbaren Fertigarzneimitteln liefern, da in diesen die zugelassenen Indikationen genannt sind (www.fachinfo.de, www.rote-liste.de).
Wer dort nicht fündig werde, könne online auch nach Studien suchen. Das Portal PubMed ist eine Suchmaschine für medizinisches Studienmaterial (auf Englisch suchen!). Bei PubPharm kann auch auf Deutsch nach pharmazeutischer und medizinischer Literatur gesucht werden. »Die Studien-Abstracts sind frei zugänglich, seltener die Volltexte. Die Abstracts reichen aber meist aus, um zu schauen, ob es die Anwendung/Indikation überhaupt gibt«, sagte Melhorn.
Informationen zur Dosierung/Konzentration finden PTA etwa in den Tabellen für die Rezeptur (Govi). Hier sind Wirkstoffe zur lokalen Anwendung gelistet einschließlich der oberen Richtkonzentrationen. Melhorn wies darauf hin: »Diese sollten nicht ohne Weiteres überschritten werden. Ansonsten muss der Arzt das auf der Verordnung kenntlich machen.« Für den Pädiatrie-Bereich liefert etwa die unabhängige Datenbank kinderformularium.de Dosierungen und Informationen zur Anwendung.
Hinweise zur galenischen Plausibilität einer Rezeptur geben Tabellenwerke für die Plausibilitätsprüfung: etwa die Tabellen für die Rezeptur beim DAC/NRF-Werk, die Rezepturscheibe (Govi) oder auch der Caelo-Rezeptur-Fächer, der die Kompatibilität von 79 Wirk-, Hilfs- und Konservierungsstoffen zeigt. »Bei Fertigprodukten in der Rezeptur lohnt es sich auch, online direkt beim Hersteller zu gucken«, so Melhorns Tipp. Umfangreiche Informationen zu Kompatibilität und Rezepturen bieten unter anderem die Firmen Ichthyol, Chiesi und Dr. Wolff.
Online werden beim DAC/NRF-Rezepturenfinder Rezepturformeln kommentiert und mithilfe eines Ampelsystems bewertet: standardisiert/geprüft (grün), galenisch fehlerhaft oder nicht geprüft (gelb) und inkompatibel/bedenklich (rot). Melhorn erklärte: »Dort sind auch viele freie Formeln aufgeführt, die oft angefragt werden, auch schlechte.« Man sollte bei gelben Formeln den entsprechenden Kommentar lesen (zum Beispiel: »muss noch konserviert werden« oder »Puffer muss zugesetzt werden«). »Hier ist auch immer noch eine Alternative verlinkt, die man dem Arzt vorschlagen kann.« Rote Rezepturen gingen gar nicht, hier müsse man auf jeden Fall eine Alternative suchen. »Sprechen Sie mit dem Arzt: Ich kann diese Rezeptur nicht herstellen, da sie bedenklich ist, ich kann Ihnen aber diese Alternativen vorschlagen«, so Melhorns Rat.