Reiche Ernte im Oktober |
Sven Siebenand |
17.10.2023 12:00 Uhr |
Gute Ernte: Im Oktober kamen drei neue Arzneistoffe in Deutschland auf den Markt. / Foto: Getty Images/Valeriya Tikhonova
Bei Letztgenanntem handelt es sich um Ritlecitinib (Litfulo®, Pfizer), das für die Behandlung von schwerer Alopecia areata ab einem Alter von zwölf Jahren zugelassen ist. Charakteristisch für Alopecia areata sind kreisrund ausfallende Haare. Es handelt sich um eine immuninflammatorische Form des Haarausfalls. Das Immunsystem greift die Haarfollikel an und die Haare fallen schließlich aus.
Im vergangenen Jahr wurde der Januskinase(JAK)-Hemmer Baricitinib (Olumiant®) zur Behandlung der schweren Alopecia areata zugelassen. Nun folgt mit Ritlecitinib ein zweiter JAK-Hemmer. Er blockiert die JAK-3. Zudem hemmt der Wirkstoff Enzyme aus der Familie der TEC-Kinasen. Man geht davon aus, dass sowohl JAK3- als auch TEC-Familie-vermittelte Signalwege bei der Pathogenese der Alopecia areata eine Rolle spielen.
Ritlecitinib wird einmal täglich in einer Dosis von 50 mg oral eingenommen. Die Behandlung sollte unterbrochen oder abgesetzt werden, wenn schwere Infektionen auftreten oder die Anzahl der Blutzellen niedrig ist. Wenn nach 36 Wochen keine Besserung der Symptome feststellbar ist, wird dazu geraten, den Wirkstoff wieder abzusetzen.
Vor Beginn der Behandlung mit Ritlecitinib wird empfohlen, alle Immunisierungen in Übereinstimmung mit den geltenden Impfempfehlungen auf den aktuellen Stand zu bringen. Dies gilt auch für prophylaktische Herpes-zoster-Impfungen, heißt es in der Fachinformation von Litfulo. Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen sind Durchfall, Akne, Infektionen der oberen Atemwege, Urtikaria, Ausschlag, Follikulitis und Schwindelgefühl.
Litfulo darf nicht bei Patienten mit aktiven schweren Infektionen oder schweren Leberproblemen zum Einsatz kommen. Ebenso besteht eine Kontraindikation bei Schwangeren und Stillenden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für einen Monat nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
Seit Anfang Oktober gibt es eine neue Enzymersatztherapie zur Behandlung der lysosomalen Speicherkrankheit Morbus Fabry. In Elfabrio® von Chiesi ist der Wirkstoff Pegunigalsidase alfa enthalten.
Bei Morbus Fabry besteht ein Mangel an α-Galaktosidase A, das für den Abbau von Globotriaosylceramid (Gb3) verantwortlichen ist. Ist das Enzym nicht vorhanden, kann Gb3 nicht abgebaut werden und reichert sich in den Organen, etwa in Niere und Herz, an, was zu Nierenversagen und Herzproblemen führt.
Seit einigen Jahren gibt es glücklicherweise die Möglichkeit einer Enzymersatztherapie mit Agalsidase alfa und Agalsidase beta. Bei einigen Patienten kommt auch der Wirkstoff Migalastat infrage. Nun ist das Therapiespektrum um eine Enzymersatztherapie erweitert worden: Pegunigalsidase alfa ist eine pegylierte rekombinante Form der menschlichen α-Galaktosidase A. Es besitzt eine lange Halbwertszeit.
Zum Einsatz kommen darf das neue Präparat bei erwachsenen Morbus-Fabry-Patienten. Es wird wie die anderen Enzymersatztherapien alle zwei Wochen verabreicht. Die Gabe erfolgt als intravenöse Infusion. Die empfohlene Dosierung beträgt 1 mg/kg Körpergewicht. Während und bis zwei Stunden nach der Infusion sind die Patienten auf infusionsbedingte Reaktionen zu überwachen. Eine Vorbehandlung mit Antihistaminika und/oder Corticoiden kann laut Fachinformation für Patienten ratsam sein, bei denen zuvor Überempfindlichkeitsreaktionen auf Elfabrio oder auf eine andere Enzymersatztherapie aufgetreten sind. Die Heiminfusion von Pegunigalsidase alfa kann der Arzt in Betracht ziehen, wenn der Patient die Infusionen gut verträgt und über mehrere Monate keine mittelschweren oder schweren infusionsbedingten Reaktionen entwickelt hat.
Als häufigste Nebenwirkungen werden neben infusionsbedingten Reaktionen Überempfindlichkeit und Kraftlosigkeit gemeldet. Als Vorsichtsmaßnahme sollte Elfabrio während der Schwangerschaft vermieden werden, es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit dem neuen Medikament verzichtet werden soll. Elfabrio ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern.
Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. Der neue Wirkstoff Epcoritamab (Tepkinly®, Abbvie) ist für die Monotherapie bei Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (r/r DLBCL), die mindestens zwei vorangegangene systemische Therapien erhalten haben, zugelassen. Damit kommt der neue Antikörper in der gleichen Indikation zum Einsatz wie Glofitamab (Columvi®), das im August 2023 in den Handel kam.
Es gibt noch weitere Parallelen: Wie Glofitamab handelt es sich bei Epcoritamab um einen bispezifischen Antikörper. Beide Antikörper binden an CD20 auf malignen B-Zellen und CD3 auf T-Zellen. So werden die körpereigenen Abwehrzellen in die Nähe von Krebszellen gebracht, was dann zu deren Abtötung führen soll.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Glofitamab und Epcoritamab ist der Applikationsweg. Während Glofitamab intravenös verabreicht wird, erfolgt die Gabe bei Epcoritamab subkutan. Das Medikament darf nur unter Aufsicht eines in der Krebstherapie erfahrenen Arztes angewendet werden. Die subkutanen Gaben sollten vorzugsweise in den unteren Bauchbereich oder in den Oberschenkel erfolgen. Ein Wechsel der Injektionsstelle wird empfohlen.
In der Fachinformation von Tepkinly ist das Dosierungsschema genau erklärt. Im ersten Zyklus wird die Dosis aufdosiert, die erste volle Dosis (48 mg) ist bei der dritten Gabe vorgesehen. Während in den ersten drei Zyklen wöchentliche Gaben empfohlen werden, sind es im vierten bis neunten Zyklus zweiwöchentliche und ab dem zehnten Zyklus vierwöchentliche Gaben.
In der Fachinformation gibt es detaillierte Informationen, etwa zur Vormedikation und zu Dosisanpassungen und Behandlung von Nebenwirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), Fatigue, Neutropenie, Reaktionen an der Injektionsstelle, Schmerzen des Bewegungsapparates, Abdominalschmerzen, Pyrexie, Übelkeit und Durchfall. Tepkinly sollte nur bei ausreichend hydrierten Personen angewendet werden und die Patienten sollten auf Anzeichen oder Symptome eines CRS überwacht werden.
Frauen im gebärfähigen Alter sind anzuweisen, während der Behandlung und für mindestens vier Monate nach der letzten Anwendung von Epcoritamab eine zuverlässige Verhütungsmethode anzuwenden. Der Einsatz des neuen Arzneimittels in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Während der Behandlung und für mindestens vier Monate nach der letzten Anwendung von Epcoritamab sollte nicht gestillt werden. Tepkinly ist kühl zu lagern und zu transportieren (2 bis 8 °C).