Resilienz ist trainierbar |
Caroline Wendt |
03.07.2025 08:00 Uhr |
Resilienz bedeutet, trotz harter Umstände nicht unterzugehen. / © Adobe Stock/Enso
Resilienz bezeichnet grundsätzlich die Fähigkeit, trotz widriger Umstände psychisch gesund zu bleiben oder sich rasch von Krisen zu erholen. Früher nahm man an, es handelt sich dabei um eine angeborene Eigenschaft der Persönlichkeit. »Heute weiß man, dass es ein multifaktorieller Prozess ist«, erklärte Dr. Isabella Helmreich, Leiterin des Bereichs Wissenstransfer am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR), im Gespräch mit PTA-Forum. Zwar gebe es auch genetische Komponenten, doch sei der Prozess sehr komplex und lasse sich nicht auf einzelne sogenannte Resilienz-Gene reduzieren.
Neben der genetischen Grundausstattung eines Menschen sei von großer Bedeutung, welche Resilienzfaktoren ein jeder mitbringe. Diese auch als Schutzfaktoren bezeichneten Verhaltensweisen unterteilt die Psychologin weiter: Zu den resilienzfördernden Grundhaltungen zählen unter anderem Optimismus und Selbstwirksamkeit – also die Überzeugung, schwierige Situationen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Hilfreich ist zudem ein ausgeprägter Kohärenzsinn. Dabei handelt es sich um ein psychologisches Konzept, dem zufolge Menschen die Welt als verstehbar, handhabbar und sinnhaft erleben. »Mit diesen Grundhaltungen hat man gewissermaßen eine Resilienzbrille auf und kann besser mit schwierigen Situationen umgehen«, so Helmreich.
»Und dann hat man noch seinen Werkzeugkasten mit verschiedenen Handlungsprinzipien«, erläutert die Expertin weiter. Zu diesen Prinzipien zähle beispielsweise das aktive Coping: »Was kann ich aktiv tun, um eine Situation zu verändern – oder, falls sich die Situation nicht ändern lässt, wie kann ich meine Haltung dazu verändern?« Dazu gehöre, eine neue Perspektive auf die Situation einzunehmen, herauszufinden, was derart belastet und offen für neue Strategien und Lösungswege zu sein. »An all dem kann man arbeiten – Resilienz ist trainierbar«, so Helmreich. Bei den Grundhaltungen dauere es manchmal etwas länger, und aus einem überzeugten Pessimisten werde zwar kein unerschütterlicher Optimist, doch könne jeder lernen, positiver in die Zukunft zu blicken.
Resilienz lasse sich zudem nur schwer vorhersagen. »Auch wenn man die Strategien zur Stressbewältigung kennt, muss man in der konkreten Situation auch das passende Werkzeug aus dem Kasten holen können«, schränkte Helmreich ein.
So wie es den Probanden einer Pionierin der Resilienzforschung, Emmy Werner, gelungen ist, sich trotz widriger Kindheitsumstände ein erfolgreiches Leben aufzubauen. Die Wissenschaftlerin setzte mit ihrer 40 Jahre andauernden Langzeitstudie Maßstäbe. Seitdem hat sich in der Forschung zur inneren Widerstandskraft viel getan; manche ihrer Erkenntnisse gelten bis heute.
In der Studie beobachtete Werner rund 700 Kinder, die 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauaʻi geboren wurden. Etwa ein Drittel dieser Kinder wuchs in Familien auf, die von Armut, Kriminalität, Drogen oder Alkohol geprägt waren. Dennoch gelang es einem Teil von ihnen, den Teufelskreis zu durchbrechen, eine Arbeit zu finden und ohne Suchtprobleme durchs Leben zu gehen. Was aber unterschied diese resilienten Kinder von den anderen? Dabei war ein Punkt wesentlich: Sie alle hatten eine Vertrauensperson, die an sie glaubte und ihnen zur Seite stand. Die Unterstützung eines Lehrers, eines Freundes oder eines nahen Verwandten konnte helfen, die häuslichen Probleme zu überbrücken.
Und so gilt bis heute soziale Unterstützung als einer der wichtigsten Resilienzfaktoren. »Wenn man Stress hat, kann man andere um Rat fragen oder einfach mal seine Sorgen loswerden«, so Helmreich. Idealerweise lerne man das bereits in der Kindheit. Eltern sollten ihren Kindern Flügel verleihen, sie ermutigen, Dinge auszuprobieren und zugleich als verlässliche Rückfalloption präsent sein. »Kinder müssen lernen, dass es nicht so schlimm ist, auch einmal zu scheitern«, erklärte die Expertin. Nur so könnten sie erkennen, welches Werkzeug aus ihrem Resilienzkasten sie in welcher Situation einsetzen können. Dasselbe gilt natürlich auch für Erwachsene, die ihre Resilienz stärken möchten. »Wenn ich das gelernt habe, komme ich auch leichter wieder aus schwierigen Situationen heraus«, so Helmreich. »Man muss auch mal die eigene Comfortzone verlassen, schwierige Dinge angehen und ein eventuelles Scheitern in Kauf nehmen.«
Resilienz würde allerdings häufig in die Schublade der Selbstoptimierung gesteckt – als müssten lediglich persönliche Ressourcen und Fähigkeiten gestärkt werden, um allen Herausforderungen gewachsen zu sein. »Das wiederum ist eine völlig falsche Annahme«, so die Psychologin. »Es gibt Dinge im Leben, die wirklich belastend sind – und dann muss man seinen Gefühlen auch den nötigen Raum geben«, betont sie. Es sei wichtig, sich Zeit zu nehmen und auch mal traurig, wütend oder frustriert zu sein. »Wir sind nicht immer nur Strahlemenschen, unangenehme Gefühle gehören zum Leben.« Würden traumatische Erlebnisse immer nur verdrängt, tauchten sie irgendwann im Leben wieder auf. Verdrängung könne zwar kurzfristig helfen, um eine unangenehme Situation zu überstehen und kurz Luft zu schnappen, langfristig sei sie jedoch keine hilfreiche Strategie.
Resiliente Menschen zeichne zudem aus, dass sie ihre Gefühle gut regulieren könnten, das heißt, dass sie zwar Gefühle zulassen, aber nicht zu lange in einer depressiven Phase verweilen und durch aktives Coping zurück ins Leben finden. Ein weiterer Baustein der Resilienz sei eine gute Selbstfürsorge, verbunden mit der Frage: »Wie geht es mir, was brauche ich gerade?« Gleichzeitig sei es entscheidend, Grenzen zu setzen und zu lernen, auch einmal »Nein« zu sagen. »Deshalb ist Resilienz auch ein gesamtgesellschaftlicher Prozess«, erklärte die Expertin vom LIR. Nur wenn Einzelne nicht alles mitmachen, kann sich auch eine Gesellschaft verändern.
Am Arbeitsplatz hänge vieles von der Führungskraft ab. »Lebt diese ein resilienzförderliches Arbeitsverhalten vor, kann sie auch besser auf die Mitarbeitenden achten«, erläuterte Helmreich. Doch auch unter Kollegen sei es wichtig, aufmerksam zu sein: Wie geht es den anderen? Braucht jemand Unterstützung? Werden Fehler toleriert? »Auch Verbundenheit ist wichtig – nur so entsteht ein echtes Teamgefühl.« Zudem sei es auch hier entscheidend, optimistisch an Herausforderungen heranzugehen und in regelmäßigen Teamsitzungen gemeinsame Ziele zu vereinbaren. Weitere zentrale Faktoren seien Ehrlichkeit und Transparenz sowie die Möglichkeit, dass sich jeder weiterentwickeln könne, ohne dabei überfordert zu werden.
»Eine resiliente Gesellschaft wiederum besteht aus resilienten Individuen«, erklärte Helmreich weiter. Es sei entscheidend, Resilienz auf verschiedenen Ebenen zu stärken – nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in Organisationen und Gemeinden. Um ein so großes System wie die gesamte Gesellschaft krisenfest zu machen, müsse man vorbereitet sein. »Während der Coronapandemie waren wir hingegen weitgehend unvorbereitet. Doch es wurde intensiv geforscht, und wir haben viel gelernt sowie Krisenpläne für zukünftige Pandemien entwickelt«, berichtete die Psychologin.
In der Kommunikation sollte weder Angst geschürt noch etwas verharmlost werden. »Pro und Kontra sollten offen dargelegt und den Menschen eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden«, so Helmreich.
Zudem müsse eine resiliente Gesellschaft auf lokale Ressourcen und Strukturen zurückgreifen. Bestehende Netzwerke und Beziehungen sollten erhalten und gestärkt werden. »Die Coronapandemie hat gezeigt, dass Menschen Einsamkeit und das Abgeschnittensein von anderen nur schwer ertragen.« Deshalb müsse die Gesellschaft wieder näher zusammenrücken – etwa durch Nachbarschaftsprojekte oder neue Formen des Austauschs. »Mit Zusammenhalt und einem positiven Spirit sind auch große Herausforderungen zu meistern.«