Resistente Stärke hilft beim Abnehmen |
Juliane Brüggen |
28.02.2024 10:30 Uhr |
Kartoffeln enthalten einen höheren Anteil resistenter Stärke, wenn sie nach dem Kochen einmal abgekühlt waren. / Foto: Getty Images/Westend61
Anders als übliche Stärke durchläuft resistente Stärke (RS) den Dünndarm unverändert und dient den Mikroorganismen im Dickdarm als »Futter«. Die daraus entstehenden Stoffwechselprodukte wie Butyrat haben positive Effekte auf den Körper. So deuten einige Studien darauf hin, dass sich durch die Aufnahme von resistenter Stärke das Mikrobiom verändert und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes positiv beeinflusst werden.
»Am Menschen durchgeführte randomisiert-kontrollierte Studien zu resistenter Stärke haben bislang gezeigt, dass diese Form von Ballaststoffen einige Entzündungswerte, den Nüchternblutzucker, den Langzeitblutzucker HbA1c, die Insulinresistenz sowie vor allem den Cholesterinspiegel im Blut (insbesondere das schlechte LDL-Cholesterin) senken kann«, bestätigt Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité Berlin. »Diese Wirkungen sind umso ausgeprägter, je höher die Dosis, je länger die Therapiedauer und je gesundheitlich vorbelasteter die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sind.«
Ob sich die RS-Zufuhr auch auf das Gewicht auswirken kann, haben chinesische und deutsche Forschende in einer randomisierten klinischen Crossover-Studie untersucht. Die Ergebnisse sind aktuell im Fachjournal »Nature Metabolism« erschienen. Eingeschlossen wurden 37 übergewichtige Personen, die einen Body-Mass-Index (BMI) von 24 oder größer hatten. Sie erhielten über 20 Wochen eine isoenergetische und ausgewogene Ernährung mit drei Mahlzeiten am Tag, die den Leitlinien für Prävention und Behandlung von Übergewicht und Adipositas entsprach.
Die Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen geteilt: Eine Gruppe erhielt acht Wochen lang 40 Gramm resistente Stärke (RS) pro Tag als Nahrungsergänzungsmittel, eingenommen jeweils 10 bis 15 Minuten vor der Mahlzeit. Nach einer vierwöchigen Auswaschphase setzten sie die Ernährung acht Wochen lang mit einer Kontrollstärke ohne RS fort. Die andere Gruppe startete mit der Kontrollstärke und erhielt zuletzt die RS.
Die RS-Diät offenbarte positive Effekte: Das Körpergewicht reduzierte sich um durchschnittlich 2,8 Kilogramm und die Insulinempfindlichkeit verbesserte sich. Auch die Struktur des Mikrobioms änderte sich. Bei der RS-induzierten Gewichtsabnahme schien das Bakterium B. adolescentis eine wesentliche Rolle zu spielen.
Warum die Effekte nur so lange anhielten, wie RS zugeführt wurde, erklärt Dr. Olga Ramich, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke, so: »Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Effekt nicht anhält, wenn die Supplementierung mit RS beendet wird. Dafür müssen die ›richtigen‹ Bakterien ständig das entsprechende ›Futter‹ durch den konstanten RS-Konsum erhalten. In der vorliegenden Studie konnte man sehen, dass die positiven Effekte von RS schon nach vier Wochen der Washout-Phase verschwinden. Deshalb betonen die Autoren die Wichtigkeit der Diätadhärenz, das heißt des täglichen Konsums von RS.« Fraglich ist ihr zufolge allerdings, warum die Umstellung auf die bei Übergewicht empfohlene Diät in der Studie allein – also ohne RS-Supplementation – keine Effekte auf das Gewicht der Teilnehmenden und die metabolischen Parameter gezeigt hat.
Die in der Studie täglich zugeführte RS-Menge sei im Alltag nur schwer zu erreichen, kritisieren Expertinnen und Experten. Kabisch bezeichnet sie gar als »extrem« und gibt zu bedenken: »Dass RS auch das Körpergewicht senken, liegt vermutlich an der sehr hohen Dosis und der geringen Ballaststoffzufuhr vor der Diät. Trotz der unerwartet deutlichen Gewichtsreduktion blieben Effekte auf die Blutfettwerte aus, auch wenn andere günstige Entwicklungen, wie Besserung der Insulinresistenz und Entzündungsprozesse wie erwartet eintraten.« Eine Supplementation empfiehlt er nicht.
Nichtsdestotrotz ist eine ballaststoffreiche Ernährung inklusive RS empfehlenswert, wie Professor Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, betont: »RS als Ballaststoff-Lieferanten sind gut in der Häuslichkeit umsetzbar, zum Beispiel erkaltete Kartoffeln wieder aufwärmen. Dies kann uns dabei helfen, auf die empfohlene tägliche Menge von 30 Gramm Ballaststoffe zu kommen. Dass dies langfristig positive Effekte auf unseren Stoffwechsel haben könnte und gegebenenfalls auch in einer (leichtgradigen) Gewichtsreduktion resultiert, erscheint mir plausibel.« Letztlich müssen größere Studien den Effekt von RS auf das Gewicht bestätigen, wie auch die Studienautoren betonen.
*mindestens 12 Stunden abgekühlt
Gut zu wissen: Auch wenn sich durch Abkühlen einiger Lebensmittel ein höherer Anteil an RS bildet, ist die Kaloriendifferenz relativ gering. Was sich durch den höheren Anteil an RS ändert, ist der glykämische Index: Der Blutzucker steigt weniger schnell an.