Retax verboten |
Juliane Brüggen |
31.08.2023 13:00 Uhr |
Das Rezept geht in die Abrechnung, wenn der Patient das Arzneimittel bereits erhalten hat. Hat die Apotheke vertragliche Vorgaben nicht beachtet, kann eine Retaxation folgen. / Foto: ABDA
Wartende Kunden, ein klingelndes Telefon und die Kollegin hat eine Frage – im Trubel des täglichen Geschäfts scheint es manchmal schier unmöglich, jeden noch so kleinen Fehler auf dem Rezept zu entdecken. Schnell ist übersehen, dass die Dosierung fehlt oder vergessen, dass man noch ein Sonderkennzeichen ergänzen wollte.
Genau aus diesem Grund gibt es in vielen Apotheken eine Rezeptkontrolle, bei der Mitarbeitende die Rezepte im Nachhinein durchsehen. Ganz schön zeitaufwändig, mag man denken – dennoch notwendig, um Retaxationen möglichst auszuschließen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen haben eigene Rezeptprüfstellen oder Dienstleister, die die eingereichten Rezepte auf Fehler prüfen und, falls sie fündig werden, eine Retaxation aussprechen. Das bedeutet, dass die Apotheke entweder keine oder nur teilweise eine Vergütung für die erbrachte Leistung erhält.
Lange musste über Gerichtsverfahren und Urteile geklärt werden, welche Beanstandung rechtens war und welche nicht. Am bekanntesten ist wohl das Nullretax-Urteil aus dem Jahr 2013 (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Juli 2013), mit dem entschieden wurde, dass Apotheken bei unbegründeter Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels kein Geld von den Kassen erhalten.
Im Jahr 2015 nahm sich der Gesetzgeber den Formfehler-Retaxationen an – mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Apotheker und GKV-Spitzenverband sollten sich bis zum 1. Januar 2016 einigen, in welchen Fällen, insbesondere Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt. Es dauerte etwas länger, aber nach einigem Hin und Her und einer drohenden Schiedsstellen-Entscheidung einigten sich die Parteien zum 1. Juni 2016 auf eine Liste, die in den Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V einging und dort immer noch zu finden ist (siehe Kasten).
Ganz aktuell hat sich wieder etwas getan: Mit dem Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) sind nicht nur einige der Austauschfreiheiten bei Lieferengpässen geblieben, auch Retaxationen wurden weiter eingeschränkt. Erstmals wurde das Nullretax-Thema angegangen. Die neuen Regeln finden sich in § 129 Abs. 4d Sozialgesetzbuch V und gelten seit dem 27. Juli 2023. Demnach dürfen Krankenkassen nicht mehr retaxieren, wenn
Außerdem sind Nullretaxationen nicht mehr erlaubt, wenn die Apotheke
Gestrichen werden können dann nur noch die Zuschläge auf den Apothekeneinkaufspreis des Arzneimittels nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung wie die 3-Prozent-Marge oder die 8,35-Euro-Pauschale.
Laut § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag erhält die Apotheke trotz eines Fehlers eine Vergütung, wenn es sich um einen »unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler« handelt, der Arzneiliefervertrag der jeweiligen Krankenkasse in dem Fall eine Vergütung vorsieht oder die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotzdem ganz oder teilweise zu vergüten.
Beispiele für unbedeutende Fehler laut § 6 Rahmenvertrag:
Über die bundesweit geltenden Verträge und Gesetze hinaus sind die kassenspezifischen Arzneimittellieferverträge zu beachten. Hier können noch weitere Regeln zu Retaxationen getroffen sein.