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Besondere Abgaberegeln

Rezepte beliefern im Akutfall

Im Notdienst oder bei einer Akutversorgung gilt vor allem eines: den Patienten so schnell wie möglich zu versorgen. Doch einige Abgaberegeln sind einzuhalten – ein Überblick.
Juliane Brüggen
19.01.2024  14:30 Uhr

In einer Notsituation schnell zu helfen, ist das oberste Gebot. So einfach das Prinzip, so schwierig gestaltet sich die Versorgung manchmal in der Praxis – nicht zuletzt, weil rechtliche und vertragliche Regelungen zu beachten sind. So kann es vorkommen, dass die auf dem Rezept notierte Darreichungsform nicht vorrätig ist, der Arzt einen AV-Artikel aufgeschrieben hat oder die verordnete Packungsgröße nicht existiert. Schwierig wird es, wenn der verordnende Arzt zusätzlich nicht erreichbar ist. Was darf die Apotheke?

Hätten Sie’s gewusst?

Der dringende Fall ist in Gesetzen und Verträgen definiert als eine Situation, die die unverzügliche Anwendung eines Arzneimittels erforderlich macht. Dies beschränkt sich nicht auf den Notdienst, sondern kommt jeden Tag vor – man spricht auch von Akutversorgung. Typischerweise geht es um Medikamente wie Antibiotika, Schmerzmittel oder bronchienerweiternde Mittel, eine Akutversorgung ist aber nicht an bestimmte Arzneimittelgruppen gebunden – PTA und Apotheker beurteilen jeden Fall individuell. Auch das Datum der Ausstellung muss nicht zwingend mit dem Datum der Einlösung übereinstimmen, eine entsprechende Vorgabe existiert nicht. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Arzt vorsorglich ein Rezept für den Akutfall ausstellt.

Was die abgebende Person im dringenden Fall tun darf und was nicht, ist unter anderem in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) festgehalten. Rechnet die Apotheke mit den gesetzlichen Krankenkassen ab, ist zusätzlich der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V relevant.

Was tun bei fehlerhaftem Rezept?

Fehler auf dem Rezept sind keine Seltenheit. Apotheken können diese in vielen Fällen in Rücksprache mit dem Arzt korrigieren. Was aber tun, wenn der Arzt nicht erreichbar ist? Für den Notfall gibt es Ausnahmen: So ist im Rahmenvertrag, der für die gesetzlichen Krankenkassen gilt, festgelegt, dass die Pflicht zur Rücksprache in dringenden Fällen entfallen kann, wenn sich das verordnete Arzneimittel zweifelsfrei aus der Verschreibung ergibt (§ 6 Abs. 2 c). Das gilt nur, wenn eine Arztrücksprache nicht möglich ist. Vorgeschrieben ist außerdem, dass der Apothekenleiter den verschreibenden Arzt unverzüglich über die Abgabe informiert.

Was grundsätzlich erlaubt ist, zeigt ein Blick in die entsprechenden Verordnungen. In der Arzneimittelverschreibungsverordnung ist geregelt, dass ein Apotheker das Geburtsdatum, das Ausstellungsdatum, die Darreichungsform, die Dosierung und bei Rezepturen die Gebrauchsanweisung eigenständig ergänzen darf, wenn ein dringender Fall besteht und eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich ist (§ 2 Abs. 6 AMVV). Auch den vorgeschriebenen Hinweis, dass ein Esketamin-Nasenspray nur direkt an eine Arztpraxis oder Klinik abgegeben werden darf, kann ein Apotheker entsprechend ergänzen (§ 2 Abs. 3a AMVV).

Für Betäubungsmittel gibt es ähnliche Regelungen: Ist das BtM-Rezept fehlerhaft ausgestellt, der Arzt aber nicht erreichbar, darf im Akutfall das verordnete Mittel oder eine Teilmenge von diesem abgegeben werden (§ 12 Abs. 2 BtMVV). Fehlerhaft ausgestellt heißt, dass das Rezept einen erkennbaren Irrtum enthält, einzelne Angaben nicht leserlich sind oder fehlen. Der Apothekenleiter muss den Arzt unverzüglich über die Abgabe informieren und die ausstehenden Korrekturen vornehmen.

Gut zu wissen: Bei T-Rezepten muss immer eine Arztrücksprache erfolgen und entsprechende Besonderheiten sind zu beachten. Hier darf zum Beispiel nur der Arzt das Ausstellungsdatum eintragen.

Was, wenn das verordnete Mittel nicht vorrätig ist?

Während der Covid-19-Pandemie war die Akutversorgung erleichtert – mit dem Hintergrund, mehrmalige Apothekenbesuche der Patienten zu vermeiden. Es war beispielsweise unkompliziert möglich, in Wirkstärke oder Packungsanzahl abzuweichen, wenn das verordnete Medikament nicht vorrätig war. Diese Möglichkeiten gibt es seit dem Auslaufen der Sonderregelungen nur noch, wenn Arzneimittel nicht lieferbar sind (siehe Kasten). Hinsichtlich der Auswahl von Packungsgrößen gibt es spezielle Regelungen für den dringenden Fall in § 17 Rahmenvertrag.

Für den Apotheken-Notdienst gibt es außerdem eine Sonderregelung (§ 17 Abs. 5a ApBetrO): Ist das verordnete Arzneimittel nicht vorhanden, darf der Apotheker im Akutfall ein anderes, in Darreichungsform und Qualität vergleichbares Arzneimittel abgeben. Anwendungsgebiet sowie Art und Menge der wirksamen Bestandteile müssen identisch sein.

Abgabe ohne Rezept möglich?

In einer Notsituation, die keinen Aufschub erlaubt, darf ein Apotheker gemäß § 4 Abs. 1 AMVV ausnahmsweise ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne Rezept abgeben, wenn der Arzt ihn »in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt« informiert hat und das Rezept »unverzüglich« nachreicht. Dabei muss Gewissheit bestehen, dass die Identität der verschreibenden Person stimmt.

Kommt es in der Apotheke zu einem akuten medizinischen Notfall, muss ein Apotheker im Einzelfall entscheiden: Reicht es aus, den Notruf zu alarmieren? Ist ein Arzt erreichbar? Oder kann ein Arzneimittel, sofort angewendet, das Leben der Person retten? Eine schwierige Abwägung – denn hier gibt es einen Konflikt zwischen der Pflicht zur Ersten Hilfe und dem Verbot, ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne Rezept abzugeben.

Abgaberangfolge auch im Akutfall?

Auch im dringenden Fall ist bei Kassenrezepten die Abgaberangfolge einzuhalten, wobei es nur um die vorrätigen Arzneimittel geht. Das heißt, Nummer 1 bei der Prüfung sind die Rabattarzneimittel. Falls von diesen keines vorrätig ist, folgen im Aut-idem-Bereich die vier preisgünstigsten Arzneimittel, wobei das abgegebene Präparat nicht teurer als das verordnete sein darf. Im Import-Bereich stehen Original- und Importarzneimittel zur Auswahl, die nicht teurer als das verordnete Präparat sind – bevorzugt aber preisgünstige Importarzneimittel, die zum Import-Einsparziel zählen. Präparate mit keinen oder möglichst geringen Mehrkosten sind hierbei zu bevorzugen, auch wenn dadurch die Preisgrenze überschritten wird. Sind all die vorgegebenen Optionen nicht am Lager, bleibt schließlich die Abgabe des nächstpreisgünstigsten, vorrätigen Arzneimittels – sowohl im Aut-idem- als auch im Import-Bereich.

Zu beachten ist, dass es bei Verordnungen mit Aut-idem-Kreuz, Arzneimitteln der Substitutionsausschlussliste und Biologika keine Sonderregeln für den Akutfall gibt.

Die Abweichung von der Abgaberangfolge aufgrund einer Akutversorgung wird auf dem Papierrezept mit der Sonder-PZN 02567024 und einem passenden Faktor gekennzeichnet (siehe Tabelle). Die abgebende Person vermerkt außerdem eine Begründung auf dem Rezept. Liegt ein E-Rezept vor, erfolgt die Kennzeichnung im elektronischen Abgabedatensatz und wird mittels elektronischer Signatur abgezeichnet.

Faktor zur Sonder-PZN 02567024 Aut-idem-Bereich Importbereich
5 Rabattarzneimittel im dringenden Fall nicht vorrätig Rabattarzneimittel im dringenden Fall nicht vorrätig
6 Rabattarzneimittel (sofern vorhanden) + preisgünstiges Arzneimittel im dringenden Fall nicht vorrätig Rabattarzneimittel (sofern vorhanden) nicht vorrätig + Abweichung von der Importabgabe aufgrund eines dringenden Falles
Faktoren zur Sonder-PZN 02567024, die eine Akutversorgung auf dem Papierrezept kennzeichnen, zusätzlicher Vermerk erforderlich

Was gilt für Packungsgrößen?

Grundsätzlich gelten die bekannten Regeln zur Packungsgrößenauswahl. Das heißt, PTA und Apotheker geben im Idealfall die Packungen wie verordnet ab. Für den Fall, dass der Arzt ungenau verordnet hat oder eine Packungsgröße nicht vorrätig ist, finden sich in § 17 Rahmenvertrag besondere Regelungen für den dringenden Fall:

  • Passen verordnete Stückzahl und verordnete N-Bezeichnung nicht zusammen, ist die Stückzahl ausschlaggebend. → Siehe Rezeptabbildung: Im Beispiel ist eine Stückzahl verordnet, die dem N2-Bereich entspricht, aber N1 vermerkt. Die Apotheke darf die verordnete Stückzahl (20 St.) abgeben.
  • Finden sich keine Mengenangaben auf dem Rezept, ist die kleinste vorrätige Packung abzugeben, deren Menge aber das kleinste gemäß Packungsgrößenverordnung (PackungsV) definierte Normkennzeichen nicht überschreiten darf.
  • Ist nach Normgröße verordnet und die entsprechende Packung nicht vorrätig, ist eine Packung aus dem nächstkleineren Normbereich abzugeben. Sollte diese auch nicht vorrätig sein, darf die kleinste vorrätige Packung abgegeben werden. Die verordnete Menge darf nicht überschritten werden. Existiert die verordnete Normgröße nicht, gilt der nächstkleinere definierte Normbereich als Obergrenze.
  • Ist nach Stückzahl verordnet und die entsprechende Packung nicht vorrätig, ist die nächstkleinere vorrätige Packung abzugeben.
  • Ist die verordnete Packungsgröße eines nicht verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels nicht vorrätig, darf die der verordneten Menge nächstliegende Packungsgröße abgegeben werden.
  • Ist eine Stückzahl oberhalb des größten definierten Normbereichs verordnet, darf nur die nach der geltenden PackungsV aufgrund der Messzahl bestimmte größte Packung, ein Vielfaches dieser Packung, aber nicht mehr als die verordnete Menge, oder die der verordneten Menge nächstliegende kleinere vorrätige Packungsgröße abgegeben werden.
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