Rheumatherapie in Corona-Zeiten – ein Update |
Etwa 2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland leiden unter entzündlich-rheumatischen Beschwerden. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
»Auch das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 scheint nicht erhöht zu sein«, sagte Professor Hendrik Schulze-Koops, Präsident der DGRh, anlässlich der Veröffentlichung dieser Empfehlungen. Es gelte jedoch, einige Besonderheiten zu beachten.
So seien bei Rheumapatienten generelle Risikofaktoren für schwere Verläufe wie ein höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, Rauchen, Diabetes mellitus, starkes Übergewicht oder vorbestehende Lungen-, Herz- und Nierenerkrankungen häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt zu beobachten. Diesem Tatbestand müsse sowohl in der Prävention als auch in der Therapie Rechnung getragen werden.
Circa 2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland leiden unter entzündlich-rheumatischen Beschwerden. Allein von einer RA als eine der autoimmun bedingten chronisch-inflammatorischen Leiterkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind circa 550.000 Menschen betroffen. Sie leiden unter zum Teil starken Schmerzen, Schwellungen und (Morgen-)Steifigkeit sowie Fehlstellungen, fortschreitender Zerstörung und Funktionsausfällen der meist symmetrischen, überwiegend körperstammfernen Gelenke aufgrund Entzündungen des Bindegewebes und hier insbesondere der Gelenkinnenhaut. Die Rede ist von 20 bis 40 RA-Neuerkrankungen pro 100.000 Personen pro Jahr.
Das Corona-Risiko könne zudem bei einer schlecht eingestellten Rheuma-Medikation steigen. Auch wenn eine Immunmodulation beziehungsweise -suppression nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) potentiell gefährdend sei: Eine Glucocorticoid-Therapie sollte daher ebenso wie eine Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder konventionell synthetischen »Disease-Modifying Anti-Rheumatic Drugs« (csDMARDs) wie Methotrexat, Sulfasalazin oder Leflunomid unverändert fortgesetzt werden.
Ebenso sollte eine Therapie mit »targeted synthetic«, also auf spezifische Molekularstrukturen abzielenden DMARDs (tsDMARDs) wie Tofacitinib beziehungsweise mit »biologic DMARDs“« (bDMARDs) wie Adalimumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab oder Abatacept aus Furcht vor einer SARS-CoV-2-Infektion nicht beendet werden. Gleiches gelte für Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Cyclophosphamid.
Im Gegenteil: Ein Umstellen oder gar Pausieren der Medikation gehe oftmals mit einem Aufflammen der rheumatologischen Erkrankung einher und erhöhe das Risiko umso mehr. Bei rheumatologischen Indikationen sei auch Hydroxychloroquin (HCQ) wie bisher einzusetzen. Ein vermuteter protektiver Effekt bei Covid- 19 konnte bislang nicht belegt werden.
Für Rituximab (RTX) gibt es widersprüchliche Daten hinsichtlich des Verlaufs von COVID-19 bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen, heißt es in dem aktualisierten Statement weiter. Da auch über fatale Verläufe berichtet werde, könnte hier insbesondere bei Indikationen ohne potenziell lebensbedrohliche Manifestationen wie zum Beispiel der unkomplizierten rheumatoiden Arthritis (RA) unter Abwägung des Rezidiv-Risikos eine Verschiebung der RTX-Gabe erwogen werden. In keinem Fall sollte der Einsatz von RTX zur Remissionsinduktion bei organbedrohenden Systemerkrankungen wie der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) vertagt werden.
Zwar könne keine Empfehlung für ein bestimmtes DMARD bei Neueinstellung gegeben werden könne: Doch sollte eine antirheumatische Therapie aufgrund Covid-19 auch hier keinesfalls unterbleiben beziehungsweise verzögert oder minimiert eingeleitet werden. Gegebenenfalls könne erwogen werden, den Einsatz von Substanzen mit kurzer Halbwertszeit zu bevorzugen. Auch die Gabe von RTX zur Remissionsinduktion bei Systemerkrankungen wie zum Beispiel ANCA-, also mit antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern assoziierten Vaskulitiden sollte aus Sorge vor Covid-19 nicht unterbleiben.
Die Autoren des aktualisierten DGRh-Statements betonen abschließend, dass eine immunmodulierende oder -suppressive Rheumamedikation lediglich bei Patienten mit positivem SARS-CoV-2-Abstrich oder bereits beginnenden Covid-19-Symptomen gegebenenfalls unterbrochen werden muss. Eine Therapie mit Glukokortikoiden unter 10 Milligramm pro Tag könne dagegen fortgesetzt werden.
Eine Arbeitsunfähigkeit im Kontext der Covid-19-Pandemie allein wegen der rheumatischen Erkrankung und ihrer Behandlung sei nicht gerechtfertigt. Bei besonderer Gefährdung sollten die Risiken individuell beurteilt werden. Es sollte allerdings gegebenenfalls ein Attest dahingehend ausgestellt werden, dass eine immunmodulatorische beziehungsweise -suppressive Therapie durchgeführt wird.
Damit, so heißt es, könnten Patienten sich an Betriebs- oder Amtsärzte beziehungsweise Arbeitgeber wenden, um einen Arbeitsplatz mit der Möglichkeit der Kontaktminimierung zu erhalten. Auf www.dgrh.de ist unter dem Suchwort »Attest« eine entsprechende Vorlage zu finden. Ob Pneumokokken oder Influenza: Entsprechend den STIKO-Empfehlungen sollte der Impfstatus aktualisiert werden, sobald die Impfstoffe für die Saison 2020/2021 verfügbar sind.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.