Richtig essen bei Diabetes |
Isabel Weinert |
09.02.2023 12:00 Uhr |
Auch wenn es so verlockend ist – kleine und große Diabetiker sollten sich riesige Eisportionen besser nicht gönnen. / Foto: Adobe Stock/Fotowerk
Ja, Diabetiker dürfen auch Süßigkeiten essen, allerdings nicht maßlos. Laut Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) sollten nicht mehr als 50 Gramm freie Zucker pro Tag konsumiert werden. Damit ist nicht nur der pure Haushaltszucker gemeint, sondern vor allem auch der in jeder Art von Süßigkeiten und (industriellen) Backwaren. Der Zucker in Obst und Gemüse, Milch und Milchprodukten zählt hier nicht mit hinein. Verzichten sollten Diabetiker trotz der 50 erlaubten Gramm Zucker täglich auf jeden Fall auf gezuckerte beziehungsweise mit Glucose- oder Fructosesirup versetzte Softdrinks. Auch mit Süßstoffen gesüßte Softdrinks eignen sich nicht wirklich als Alternative.
Diabetikern tut gut, was ihren Blutzuckerspiegel möglichst gleichmäßig hält, möglichst keine Gewichtszunahme fördert und viele sekundäre Pflanzenstoffe enthält. Zu diesen Nahrungsmitteln gehört Gemüse in jeder Form (Süßkartoffeln und Kartoffeln sind eine Ausnahme, weil deutlich stärkehaltig). Zudem dürfen und sollten Hülsenfrüchte öfter auf dem Speiseplan stehen. Sie liefern sehr langsam resorbierte Kohlenhydrate, viel Eiweiß und Ballaststoffe. Bei den Nahrungsmitteln, die Kohlenhydrate enthalten, wählen Diabetiker am besten immer die Vollkornvarianten und auch davon nicht zu viel.
Ein richtig klarer Zusatznutzen ist für keine der beiden Ernährungsformen bekannt. Experten tendieren eher zu Low Carb, was eine Einschränkung der Kohlenhydratzufuhr bedeutet. Allerdings dürfen weniger Kohlenhydrate nicht mit mehr Fett ausgeglichen werden, sondern der Fokus liegt auf Gemüse, Hülsenfrüchten, magerem Fleisch, Fisch und gesunden Öle. Genau auf diese zu verzichten, ist nicht ratsam, weshalb Low fat für Diabetiker eine weniger gute Wahl zu sein scheint.
Typ-2-Diabetiker ohne Insulintherapie können fasten, wenn sie vorab mit ihrem Arzt besprochen haben, was sie dabei beachten müssen. Allerdings müssen sie auch dann vorsichtig bleiben, denn eine Unterzuckerung durch das Fasten bei gleichzeitiger antidiabetischer Therapie ist nie völlig auszuschließen. Das heißt, auch während des Fastens sollte der Draht zum Arzt aufrechterhalten werden. Für Typ-1-Diabetiker galt mehrtägiges Fasten lange Zeit als Tabu. Mediziner befürchteten Probleme mit der Stoffwechseleinstellung.
Eine kleine Studie der Universität Witten-Herdecke unter der Leitung von Dr. med. Bettina Berger aus dem vergangenen Jahr zeigt nun erstmals, dass Typ-1-Diabetiker nicht nur auch mehrtägig fasten, sondern auch davon profitieren können. Allerdings bedarf es hier dringend eines Arztes, um die Fastenperiode und die Therapie in dieser Zeit zu planen. Dann jedoch schwankten die Blutzuckerwerte der auch während des Fastens kontrollierten Typ-1-Diabetiker nicht mehr als die der gesunden Probanden. Sie lagen überwiegend im Normbereich. Die Typ-1-Diabetiker verloren zudem an Gewicht, was sich über die Fastenwoche hinaus fortsetzte. Es fiel ihnen in der Nachbeobachtung leichter, den Anforderungen ihres Diabetes gemäß zu essen. Einige Probanden führten regelmäßiges Fasten in intermittierender Form fort.
Die Antwort kann nicht allgemein ausfallen. Sehr stark übergewichtige Typ-2-Diabetiker brauchen ein strukturiertes Ernährungsprogramm, das auf die jeweils individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Um die Motivation hoch zu halten, starten entsprechende Programme häufig mit einigen Wochen Formuladiät. Dabei verlieren die Betroffenen gut an Gewicht, ohne zu viel Muskulatur abzubauen. Das motiviert dazu, dranzubleiben. Im Anschluss folgt der lange Weg einer kalorienreduzierten, gesunden Mischkost, auf dem die Pfunde mal purzeln und mal hartnäckig festsitzen.
Kombiniert wird die Ernährungsumstellung mit möglichst mehr Bewegung als zuvor. Über einen längeren Zeitraum ist es auf diese Weise möglich, etliche überflüssige Kilos loszuwerden. Schon fünf Prozent Gewichtsverlust reichen aus, damit sich Stoffwechselparameter verbessern. Das Problem besteht sehr häufig darin, das neue Gewicht auf Dauer zu halten. Daran scheitern viele Menschen, und es bedürfte an dieser Stelle langfristigerer strukturierter Programme.
Auch unter den Typ-1-Diabetikern gibt es solche mit Übergewicht. Im Rahmen einer Insulintherapie ist es nicht ganz so einfach, das Gewicht loszuwerden. Auch diese Diabetiker brauchen ein strukturiertes Programm, in dem darauf geachtet wird, dass Unterzuckerungen so selten wie möglich vorkommen. Denn diese sind Gift fürs Gewicht. Wer unterzuckert, hat Heißhunger und neigt deshalb dazu, zu viel zu essen. Das ist kein bewusster Prozess, sondern ein lebensnotwendiges Programm des Körpers. Zucker zu tief? Iss! Und zwar sofort und genug.
Wer häufiger unter Unterzucker leidet, muss lernen, den Heißhunger bewusst wahrzunehmen und sofort gegenzusteuern, aber das rational, also mit vier Traubenzuckertäfelchen etwa und im Anschluss noch einer Kohlenhydrateinheit aus Brot, um einer nächsten Unterzuckerung vorzubeugen. Wer immer wieder in die Unterzucker-Fressfalle gerät, setzt ganz schnell Fett an. Deshalb ist es mitunter sinnvoll, für die Dauer einer Gewichtsreduktion den Zielblutzucker etwas höher anzusetzen, nicht oberhalb der Nierenschwelle, aber bei 160 mg/dl zum Beispiel.
In der Therapie mit oralen Antidiabetika suchen Wissenschaftler nicht nur Arzneistoffe, die den Blutzucker zuverlässig senken, sondern solche, die möglichst keine Unterzuckerungen auslösen können, die außerdem das Herz-Kreislauf-System und die Nieren schützen und zudem aus sich heraus für eine Gewichtsabnahme sorgen. Zu den Arzneistoffen, die das Gewicht senken, zählen neben dem Klassiker Metformin die GLP-1-gonisten und SGLT-2-Hemmer. Einen Gewichtsanstieg beobachtet man eher beim Einsatz von Sulfonylharnstoffen und sehr oft bei Insulin.
Steigen Typ-2-Diabetiker von oralen Antidiabetika auf Insulin um, dann nehmen sie meistens (vorübergehend) an Gewicht zu. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sinken hohe Blutzuckerwerte unter Insulin auf Normalniveau. Das bedeutet, es wird kein Zucker und damit Energie mehr über die Nieren ausgeschieden, wie es bei zu hohen Blutzuckerwerten der Fall ist. Bleibt die Energie im Menschen, so, wie es die Natur vorsieht, steigt das Gewicht bei unverändertem Ess- und Bewegungsverhalten wieder an. Außerdem verliert der Körper nicht mehr zu viel Wasser über den Urin, wie bei zu hohen Blutzuckerwerten. Eine wieder ausgeglichene Wasserbilanz des Körpers durch die Insulintherapie führt auch zu mehr Gewicht, ein normaler und gesunder Prozess.
Ungesund ist es allerdings, wenn Diabetiker die Insulingaben als Freifahrtschein für ungehemmtes Essen von Kohlenhydraten betrachten. Diese Gefahr ist besonders bei mahlzeitenadaptierten Insulingaben vorhanden. Bei dieser Intensivierten Insulintherapie passen Diabetiker die Insulingaben der Kohlenhydratmenge in den Mahlzeiten an. Daraus kann sich – wenn man es nutzt, um möglichst viel zu essen – ein Prozess einstellen, der dem Mästen gleicht. Darüber hinaus kann Insulin Unterzuckerungen mit sich bringen und gegen sie anzuessen, kann auch dick machen. Werden Diabetiker also auf Insulin umgestellt, sollten sie sich ganz besonders penibel an Ernährungsvorgaben halten, um nicht in die Zunehmfalle zu tappen.
Hafer enthält zwar viele Kohlenhydrate, aber diese gehen nur langsam ins Blut über, der Blutzuckerspiegel steigt also nur langsam an. Das liegt am für Hafer typischen Ballaststoff Betaglucan. Es reguliert den Blutzuckerspiegel und den Fettstoffwechsel. Deshalb können Diabetiker von Hafertagen deutlich profitieren. Dabei essen sie dreimal am Tag 75 Gramm Haferflocken, die mit 300 bis 400 Milliliter Wasser oder fettfreier Brühe warm oder kalt zubereitet werden. Der Effekt der Hafertage: Gewichtsabnahme, bessere Blutzuckerwerte durch gesteigerte Insulinsensivität. Aber auch Hafertage müssen Diabetiker vorab mit dem sie behandelnden Diabetologen besprechen.
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. So sollte der BMI gleich oder größer 40 kg/m2 sein. Dann, so zeigen Studien, führt die sogenannte „metabolische Chirurgie“ zu besseren Blutzuckerwerten als eine konventionelle Therapie der Adipositas. Auch Diabetiker mit einem BMI zwischen 30 und 39,9 kg/m2 können eine Operation bekommen, wenn sich ihre Blutzucker-Zielwerte anders partout nicht erreichen lassen. Allerdings müssen die behandelnden Ärzte im Vorfeld klären, ob dem Übergewicht nicht andere Ursachen als Überernährung zugrunde liegen und ob psychische Probleme existieren, auch solche, die zum Beispiel eine Essstörung bedingen.