Richtig mit Kritik umgehen |
Wer kritisiert wird, fühlt sich meist schnell gekränkt. Ein souveräner Umgang mit konstruktiver Kritik ist aber vor allem im Berufsleben wichtig. / Foto: Adobe Stock/Antonioguillem
Eine Kränkung bedeutet, dass ein Mensch in seinem Selbstwert oder in seinen Gefühlen verletzt wird. Was als Kränkung empfunden wird, kann individuell unterschiedlich sein. Für manche Menschen genügt bereits ein kritischer Blick oder eine negative Bemerkung über ihre Verhaltensweise oder ihr Aussehen.
Im Berufsleben entstehen Kränkungen auch, wenn sich Mitarbeitende von ihrem Chef ungerecht behandelt fühlen, wenn sie bei Beförderungen übergangen werden oder wenn andere Kollegen bei der beruflichen Tätigkeit bevorzugt werden. Aber auch durch unsachlich formulierte Kritik, persönliche Beleidigungen, fehlende Wertschätzung der geleisteten Arbeit oder Ungleichbehandlung bei der Höhe des Gehalts können Kränkungen entstehen.
Bei den Betroffenen überwiegen dann zunächst Gefühle wie Enttäuschung, Traurigkeit oder Wut. Anschließend kommt es häufig zu Selbstmitleid oder Rachegedanken. Diese Emotionen wirken sich in vielen Fällen negativ auf die zukünftige Arbeitsleistung aus. Der Betroffene macht etwa »Dienst nach Vorschrift« oder reicht wiederholt Krankmeldungen ein, weil er den Kontakt zu Personen meiden möchte, die ihn gekränkt haben. Auf diese Weise verschlechtern sich oft die Stimmung und die Zusammenarbeit im gesamten Team. Wer von Kränkungen am Arbeitsplatz betroffen ist, kann diese unangenehme Situation mit einigen Maßnahmen in den meisten Fällen dauerhaft beseitigen.
Fragen Sie sich zunächst, ob eine kränkende Aussage vielleicht aus Gedankenlosigkeit oder fehlendem Einfühlungsvermögen entstanden ist und der Kollege oder Chef Sie nicht absichtlich verletzen wollte. Manche Menschen verhalten sich generell oft taktlos oder sogar beleidigend gegenüber vielen Mitmenschen. Vielleicht hatte der Kollege auch einfach nur einen schlechten Tag, weil er unter Stimmungsschwankungen leidet oder weil es in seinem Privatleben negative Ereignisse gegeben hat. Das berechtigt ihn zwar nicht, seine schlechte Laune an anderen auszulassen. Umgekehrt muss man selbst aber auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Entscheiden Sie im Einzelfall, ob es sich lohnt, eine Diskussion oder einen Streit mit dem Kollegen zu beginnen. Das kostet viel Energie und führt eventuell zu einer Eskalation der Situation.
Fragen Sie sich bei kränkenden Bemerkungen auch einmal selbstkritisch, ob es sich auch um berechtigte Kritik handeln könnte. Wer nie gelernt hat, mit Kritik umzugehen, empfindet auch berechtigte Kritik als Angriff auf die eigene Person. Unter konstruktiver Kritik versteht man sachliche Kritik, die neben der Darstellung des Kritikpunkts auch einen Lösungs- oder Verbesserungsvorschlag beinhaltet.
Nutzen Sie konstruktive Kritik also, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern und aus Fehlern zu lernen. Hören Sie Ihrem Gesprächspartner zunächst genau zu und versuchen Sie, seine Meinung zu verstehen. Werten Sie konstruktive Kritik nicht als Angriff auf ihre Person oder als Bevormundung, sondern trennen Sie ganz bewusst zwischen der Sach- und der Beziehungsebene. Bedenken Sie, dass es Ihrem Gesprächspartner vielleicht auch nicht leicht fällt, Sie auf Fehler oder Schwächen hinzuweisen. Auch wenn die Aussage nicht besonders taktvoll formuliert wird, sollten Sie im Gegenzug nicht emotional reagieren. Ihr Gesprächspartner glaubt vermutlich, eine nachvollziehbare und konstruktive Kritik zu äußern und erkennt nicht, dass seine Aussagen aufgrund der Wortwahl anders wahrgenommen werden könnten.
Wenn Ihr Gesprächspartner fertig ist, können Sie reagieren. Wiederholen Sie bei Bedarf seine Aussagen und fragen Sie, ob Sie alles richtig verstanden haben. So vermeiden Sie mögliche Missverständnisse und Ihr Gesprächspartner erkennt, dass Sie sich ernsthaft mit seinen Aussagen auseinandersetzen. Überlegen Sie dann, ob die genannten Argumente tatsächlich zutreffen. Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst und gestehen Sie mögliche Fehler ein. Sie zeigen damit, dass Sie konstruktive Kritik annehmen und umsetzen können. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Es zeugt vielmehr von persönlicher Stärke und einem guten Selbstbewusstsein, wenn Sie eingestehen können, dass Sie nicht perfekt oder fehlerfrei sind.
Wenn Sie die Aussagen für unzutreffend halten, sollten Sie dennoch sachlich bleiben und nicht verärgert oder wütend reagieren. Sagen Sie, aus welchen Gründen Sie die Aussagen nicht nachvollziehen können. Wenn Ihr Gesprächspartner unsachlich und persönlich wird oder sogar vor Beleidigungen nicht zurückschreckt, sollten Sie ihn sofort darauf hinweisen, dass Sachlichkeit und eine konstruktive Verhaltensweise für beide Beteiligten sinnvoller und produktiver sind.
Wenn sich sein Verhalten trotzdem nicht ändert, können Sie das Gespräch beenden. Zum Beispiel könnten Sie sagen: »Herr Müller, wir können gerne weiter über dieses Thema sprechen. Aber ich bin nicht bereit, mich weiterhin in diesem Ton mit Ihnen zu unterhalten.«
Machen Sie sich bewusst, dass eine Kränkung in den meisten Fällen nicht durch die eigentliche Aussage einer anderen Person entsteht, sondern vor allem durch die eigene Beurteilung dieser Aussage. Was von sensiblen Menschen als tiefe Kränkung empfunden wird, geht an anderen Menschen mit einem »dicken Fell« oft spurlos vorbei. Die Ursache für das Gefühl der Kränkung liegt also in der eigenen inneren Einstellung. Oft sind sich gekränkte Personen dieser eigenen Empfindlichkeit gar nicht bewusst. Menschen, die gelassen auf Angriffe und Kritik reagieren, verfügen meist über ein gutes Selbstbewusstsein.
Stärken Sie daher gezielt Ihr Selbstbewusstsein, indem Sie sich klarmachen, dass kritische Aussagen immer nur die subjektive Meinung eines anderen Menschen sind, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen müssen. Die Meinung einer anderen Person ist nicht besser oder schlechter ist als Ihre eigene Meinung – eben nur anders. Trennen Sie daher unbedingt zwischen der subjektiven Meinung eines anderen Menschen und tatsächlich überprüfbaren Behauptungen. Machen Sie sich auch bewusst, dass niemand perfekt ist, dass jeder Mensch individuelle Schwächen hat und gelegentlich Fehler macht. Betrachten Sie negative Kommentare anderer Menschen daher nicht als »persönliche Katastrophe« sondern als normale Begleiterscheinung des menschlichen Zusammenlebens. Überall, wo Menschen zusammenarbeiten, wird es immer wieder Meinungsverschiedenheiten oder Ungerechtigkeiten geben. Die Suche nach einem Arbeitsplatz, an dem es immer nur harmonisch und gerecht zugeht, ist aussichtslos. Wenn Sie diese Sichtweise akzeptieren, werden Sie mit problematischen Situationen am Arbeitsplatz vermutlich gelassener umgehen.
Bemühen Sie sich, mit zurückliegenden Kränkungen gedanklich möglichst schnell abzuschließen. Wer Kränkungen nicht vergessen kann, sich auch nach langer Zeit noch an jedes Detail erinnert und die negative Situation gedanklich immer wieder durchlebt, schadet sich mit seinen negativen Emotionen nur selbst. Treffen Sie daher im Interesse des eigenen Wohlbefindens die bewusste Entscheidung, mit der zurückliegenden Situation abzuschließen – nach dem bewährten Motto »Schwamm drüber«.