Risiko je nach Irisfarbe |
Menschen mit braunen Augen erkranken öfter am Katarakt als Menschen mit blauen Augen. Umgekehrt ist es bei der altersbedingten Makuladegeneration. / Foto: Getty Images/Carlos Barquero
Melanin ist der schwarz-bräunliche Farbstoff, der die Haut- und Haarfarbe sowie die Augenfarbe der Menschen bestimmt. Das biologische Pigment wird vor allem in den Melanozyten und im retinalen Pigmentepithel gebildet und schützt die Haut vor den UV-Strahlen des Sonnenlichts. Es wandelt die aufgenommene Lichtenergie in Bruchteilen einer Millisekunde in Wärmeenergie um und beugt so einer Zellschädigung durch Radikale vor.
Die verschiedenen Augenfarben beruhten auf Lichtbrechungseffekten, die bei verschiedenen Melaningehalten zum Tragen kämen, erklärt Professor Dr. Claus Cursiefen, Direktor des Zentrums für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Köln und Generalsekretär der DOG, in einer Pressemitteilung der Gesellschaft. Bei Menschen mit der angeborenen Pigmentstörung Albinismus blieben die Augen sehr hell, da aufgrund eines Gendefekts kein Melanin produziert werde. Da Melanin nicht nur in der Iris, sondern auch im Pigmentepithel der Netzhaut enthalten sei, entwickelten die Betroffenen aufgrund von Fehlentwicklungen im Augenhintergrund häufiger Sehstörungen und reagierten besonders empfindlich auf Lichteinfall.
Wie in der Haut filtert Melanin auch in der Iris sowohl den sichtbaren Teil des Lichtspektrums als auch dessen UV-Anteil. Bei einem niedrigen Melaningehalt steigt deshalb das Risiko, an einem aggressiven Tumor der Aderhaut (uveales Melanom) zu erkranken. »Dieser seltene Krebstyp findet sich bei helläugigen Menschen 20 bis 30 Mal häufiger als bei Menschen mit dunklen Augen«, erläutert Professor Dr. Nikolaos Bechrakis, Präsident der DOG und Direktor der Universitätsaugenklinik Essen.
Ebenso sei der niedrigere Melaningehalt wahrscheinlich ein Risikofaktor für das Auftreten der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). »Bei der Entstehung der AMD spielen freie Radikale, oxidativer Stress und die Ansammlung von Abfallprodukten im Bereich der Netzhaut eine Rolle – Prozesse, die durch UV-Licht verstärkt werden«, sagt Cursiefen.
Bei Menschen mit braunen Augen entwickele sich eine Katarakt (Linsentrübung oder Grauer Star) zwei- bis viermal so häufig wie bei blauäugigen Menschen. Da die Iris dunkeläugiger Menschen mehr Melanin enthalte, absorbierten ihre Augen mehr Licht. Das führe zu einer höheren Temperatur in der vorderen Augenkammer, was wiederum ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung eines Grauen Stars sei, so Cursiefen. Die hitzebedingte Katarakt sei als Berufskrankheit anerkannt – etwa bei Schweißern.
Auch bei operativen Eingriffen sollte die Augenfarbe berücksichtigt werden. Abstoßungsreaktionen nach einer Hornhauttransplantation würden bei dunkler Iris häufiger beobachtet. »Hier wird ein Einfluss des Melanins auf das Immungeschehen in der vorderen Augenkammer vermutet«, sagt der Augenarzt. Womöglich verstärke das Pigment entzündliche Prozesse. Die Häufigkeit dieser Komplikation lasse sich jedoch mittlerweile durch Anwendung von schonenderen Techniken reduzieren.
Cursiefen und Kollegen haben in einer eigenen Arbeit die Komplikationsrate bei der minimal invasiven DMEK (Descemet Memrane Endothelial Keratoplasty) untersucht und keinen Effekt der Augenfarbe auf das Transplantatüberleben nachweisen können. Bei diesem Verfahren wird die Hornhaut nicht in ihrer gesamten Dicke ausgetauscht, sondern lediglich die innerste Schicht der Hornhaut transplantiert. Offenbar ist es durch diesen Ansatz gelungen, eine Immunaktivierung im Auge zu vermeiden und den Einfluss des Melanins auszuschalten.
»Die Beispiele zeigen, dass scheinbar unbedeutende Faktoren wie die Augenfarbe im klinischen Alltag durchaus relevant sein könnten«, resümieren die Experten.