Salz ist lecker und lebenswichtig |
Barbara Döring |
19.08.2025 12:00 Uhr |
Eine Prise Salz sorgt bei Speisen für den letzten Schliff – schmeckt es versalzen, ist das ein Warnsignal. / © Adobe Stock/Vasiliy
Das Essen ist angerichtet, auf den Punkt gegart und appetitlich serviert – doch ob es auch wirklich schmeckt, hängt oft von der richtigen Dosis Natriumchlorid (NaCl) ab, die per Salzstreuer im Kochtopf landet. Frische, geschmacksintensive Produkte sind zwar das A und O der guten Küche. Doch für den letzten Schliff sorgen oft ein paar weiße Körnchen Kochsalz. Dass wir bei ungewürzten Speisen das Salz vermissen und einen leichten Salzgeschmack als angenehm empfinden, hat einen guten Grund: Speisesalz liefert dem Körper mit Natrium und Chlorid zwei Elektrolyte, die für zahlreiche Stoffwechselfunktionen unentbehrlich sind und etwa den Flüssigkeitshaushalt aufrechterhalten oder den Blutdruck regulieren.
Auch für das Nervensystem, die Verdauung und den Knochenaufbau ist Natriumchlorid unentbehrlich. Der Körper ist auf kontinuierlichen Nachschub über die Nahrung angewiesen, da mit jeder Ausscheidung Elektrolyte verloren gehen. Nicht ohne Grund ist vom »Salz in der Suppe« die Rede, wenn etwas einer Sache den besonderen Reiz verleiht. Schließlich ist Salz auch ein Geschmacksträger, indem es den Eigengeschmack von Lebensmitteln verstärkt.
Der Mensch nimmt Salzgeschmack wahr, wenn die Natriumionen des Natriumchlorids durch den stets geöffneten epithelialen Na⁺-Kanal (ENaC) ins Zellinnere der Geschmackssensoren strömen. Bei anderen Salzen als Kochsalz spielen vermutlich andere Kationkanäle eine Rolle und die anionischen Bestandteile des Salzmoleküls beeinflussen den Geschmack. Natriumcarbonat, das Salz der Kohlensäure, auch Soda genannt, schmeckt seifig, Ammoniumchlorid (Salmiak) eher sauer, das giftige Bleiacetat süß und Magnesiumsulfat bitter – daher auch Bittersalz genannt. Dagegen lösen andere Salze wie Kaliumchlorid, Natriumbromid, Natriumjodid oder Magnesiumsalze ebenso wie NaCl ebenfalls einen salzigen Geschmack aus.
Meist entstehen dabei Mischeindrücke wie »vorwiegend salzig« oder »salzig und bitter« oder es kommt ein metallischer Eindruck hinzu. Das ist auch der Grund, warum sich manche Menschen mit Salzersatz-Produkten wie Kaliumchlorid schwertun. Natriumchlorid gilt als einziges Salz, das den rein salzigen Geschmack vermittelt, wobei manche Menschen es in sehr niedriger Konzentration als süß empfinden. Dabei könnten nach neueren Studien die Chlorid-Ionen eine Rolle spielen, wie japanische Forscher herausfanden. Der Salzgeschmack wird übrigens auf der gesamten Zunge wahrgenommen. Zungenspitze und -ränder reagieren allerdings etwas intensiver.
Wie jede andere Geschmacksrichtung hat also auch die Wahrnehmung von Salzigem eine eigene Funktion. Während süß und umami Proteine und Kohlenhydrate anzeigen und Bittergeschmack vor Giftigem warnt, ist es mit dem Salzgeschmack ebenso wie bei Saurem allerdings etwas komplexer. Für beide gilt, dass der Mensch sie nicht rundweg ablehnt oder mag. So wird ein milder saurer oder salziger Geschmack als angenehm empfunden, hohe Konzentrationen schmecken dagegen widerlich. Forschende haben den möglichen Grund dafür herausgefunden: Bei Mäusen aktivieren hohe Salzkonzentrationen zusätzlich die Rezeptoren für Saures. Sie vermuten, dass es bei Menschen genauso ist.
Das Salz aktiviert jedoch nur einen Teil des Säurerezeptors, sodass kein saurer, sondern eher ein ionisch-metallischer Geschmack entsteht. Untersuchungen zeigen zudem, dass Bitterrezeptoren ebenfalls bei der Wahrnehmung von zu viel Salz mitspielen. Sowohl Säure, die bakterielle Zersetzung anzeigt, wie übermäßig viel Salz stellen potenzielle Gefahren für die Gesundheit dar. Durch zu viel Salz verliert die Suppe deshalb schnell ihren Reiz und wird als versalzen wahrgenommen – der direkte Hinweis, dass sie dem Körper nicht guttut.
Würden dem Organismus akut große Mengen NaCl zugeführt, wäre das ein Fall für den Notarzt. Bereits 0,5 bis 1 g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht sind für Menschen potenziell tödlich. Das Salz gelangt ins Blut, bindet dort Wasser und führt dazu, dass zum Ausgleich Wasser aus den Zellen in den Blutkreislauf strömt.
Erste Symptome einer Salzvergiftung sind Herzrasen, Erbrechen und Müdigkeit. In schweren Fällen besteht die Gefahr von Gehirnschwellung, Krampfanfällen und Kreislaufstörungen bis hin zum Kreislaufschock.
Doch bereits deutlich kleinere Mengen können sich bekanntlich schädlich auf den Körper auswirken, wenn sie kontinuierlich über einen längeren Zeitraum konsumiert werden. Neben Bluthochdruck und den damit verbundenen Risiken sind inzwischen zahlreiche weitere Folgen für die Gesundheit identifiziert.
So zeigen Studien, dass ein hoher Salzverzehr das Immunsystem schwächen kann, indem er den Energiehaushalt von Monozyten und Makrophagen stört. Den Grund haben Forschende des Max-Delbrück-Centers in Berlin kürzlich herausgefunden: Natriumionen hemmen effizient ein zentrales Enzym der Atmungskette in den Mitochondrien.
Auch das Mikrobiom scheint über zu viel Salz nicht erfreut zu sein. So nahm in einer Untersuchung die Zahl der günstigen Lactobacillus-Arten ab, während sich gleichzeitig vermehrt Anzeichen von Entzündungen im Körper zeigten. Für die tägliche Zufuhr empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) maximal 6 g Kochsalz pro Tag. Das entspricht etwa einem Teelöffel. 70 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer in Deutschland nehmen laut der »Studie zur Gesundheit in Deutschland« (DEGS) allerdings größere Mengen zu sich.
Salz zu schmecken, ist nicht wie der Bitter- oder Süßgeschmack angeboren. Die Wahrnehmung von Salzigem entwickelt sich erst mit der Zeit. Sobald Babys anfangen, feste Nahrung zu sich zu nehmen, müssen sie lernen, ob die Speise bekömmlich oder unverträglich ist. In dieser Zeit bilden sich auch individuelle Vorlieben und Abneigungen aus. Verursacht die Nahrungsaufnahme keine Beschwerden und ist sie mit dem angenehmen Gefühl von Sättigung verbunden, bringt das Kind dieses Erleben mit dem Geschmack der Speise in Zusammenhang. Im Erwachsenenalter ist die Empfindlichkeit für alle Geschmacksrichtungen am größten, mit zunehmendem Alter nimmt sie wieder ab. Davon ist vor allem die Empfindung für Salziges betroffen. Saurer und bitterer Geschmack bleibt besser erhalten und dominiert dann über Süß und Salzig. Hinzu kommt im Alter oft Mundtrockenheit, die ebenfalls die Geschmackswahrnehmung verändern kann.
Nicht nur das Alter wirkt sich auf das Geschmackserleben aus. Wer über längere Zeit kräftig nachsalzt, gewöhnt sich an die höheren Salzkonzentrationen und nimmt den Salzgeschmack ebenfalls nicht mehr so intensiv wahr. Wer der Gesundheit zuliebe seinen Salzkonsum zurückschrauben möchte, muss deshalb nicht darben. Die Zunge und der Gaumen gewöhnen sich an die Sparmaßnahme und nehmen mit der Zeit Salziges in niedrigerer Konzentration wieder intensiver wahr. Gering gesalzene Speisen schmecken dann oft wieder genauso gut wie die zuvor normal gesalzenen.
Salz intensiver zu schmecken, könnte auch im Hinblick auf Übergewicht von Vorteil sein. So zeigte eine Studie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), dass übergewichtige Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren weniger empfindlich für Süßes und Salziges sind, aber empfindlicher auf Bitteres reagieren als Gleichaltrige ohne Übergewicht. Die Forschenden vermuten, dass die weniger geschmackssensiblen Kinder mehr salz- oder zuckerhaltige Lebensmittel verzehren, weil sie den Geschmack weniger wahrnehmen. Salz- oder zuckerhaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten oder Chips enthalten darüber hinaus eine Menge Fett. Eltern sollten eine einseitige Ernährung ihrer Kinder vermeiden und ihnen viele unterschiedliche Lebensmittel anbieten, damit sie alle Geschmacksrichtungen kennen und mögen lernen, empfehlen die Forschenden.
Einen weiteren Trick für mehr Salzgeschmack bietet die Physik: Wer fein gemahlenes Salz zum Würzen wählt, hat geschmacklich mehr davon, da die feinere Vermahlung der Salzkristalle mehr Salz für die Sensoren verfügbar macht. Ein grobes Salzkorn liefert dagegen im Verhältnis zum enthaltenen NaCl deutlich weniger Geschmack. Um Speisen auch ohne zu viel Salz genussvoll zu gestalten, bieten sich darüber hinaus zahlreiche Gewürze und Kräuter an. Köche geben diese am besten immer zuerst ans Gericht und schmecken ab, bevor das Salz an der Reihe ist. Auch Gewürzsalz, das neben Natriumchlorid Natrium-Glutamat enthält, kann mehr Würze bringen.
Eine originelle Idee, um Salz intensiver zu schmecken und so den Salzkonsum leichter einzuschränken, hatte ein Forscher der japanischen Meiji University. Er entwickelte mit einem Getränkekonzern Essstäbchen, die mit einem am Handgelenk befestigten Minicomputer verbunden sind und mithilfe eines schwachen elektrischen Stroms beim Essen Natriumionen in den Mund leiten. Der Salzgeschmack der Speise wird so um das Eineinhalbfache erhöht. Ob die elektrischen Stäbchen unbedenklich sind und bei Genießern gut ankommen, bleibt abzuwarten.
Zu mehr Genuss trägt auch bewusstes Essen in der richtigen Umgebung bei. Tatsächlich spielt auch die Akustik beim Geschmackserleben eine Rolle. So haben Psychologen der Universität Oxford herausgefunden, dass ein hoher Lärmpegel beim Essen die Fähigkeit, Salziges zu schmecken, herabsetzt. Das gilt ebenso für Süßes. Die Wissenschaftler vermuten, dass Lärm die Aufmerksamkeit der Speisenden auf sich zieht, die sich so nicht mehr auf Geschmack und Geruch konzentrieren können. Tischdecken, die Geräusche dämpfen, könnten im Hinblick auf das Geschmacksempfinden also durchaus ihre Berechtigung haben.
Die Fähigkeit, Salz zu schmecken, kann durch weitere äußere Einflüsse gestört sein. Neben Infektionen wie mit Sars-CoV-2, bei der die Geschmacksempfindung insgesamt beeinträchtigt sein kann (Hypogeusie), sind auch bestimmte Medikamente in der Lage, die Sinneswahrnehmung durcheinanderzubringen. Dazu zählen manche Antibiotika, Antidepressiva, Diuretika, Antirheumatika, Schilddrüsenmedikamente oder Antihistaminika. Darüber hinaus ist bekannt, dass bei einer Chemo- oder Strahlentherapie im Kopf-, Hals- oder Brustbereich einzelne Geschmacksqualitäten vorübergehend verfälscht sein können. Bitteres schmeckt dann mitunter bitterer als sonst, Süßes süßer oder weniger süß und gewohnte Speisen salziger als sonst oder im Gegenteil fade. Auch dann kann es helfen, mit Gewürzen den Geschmack auszugleichen.
Nicht weniger, sondern mehr Salzgeschmack – auch ohne Essen – kann bei Sodbrennen auftreten. Bei manchen Patienten löst die Reizung der Schleimhäute durch den rückfließenden Magensaft entsprechende Missempfindungen aus. Auch Seifengeschmack in Mund und Rachen ist möglich. Salziger Geschmack entsteht mitunter ebenso bei Flüssigkeitsmangel, schlechter Mundhygiene oder einem viralen Infekt der Nasennebenhöhlen. In der Regel verschwindet die Missempfindung, sobald die Ursache beseitigt ist. Zum stärkeren Nachsalzen sei dann dennoch nicht geraten.
Der Salzstreuer war nicht richtig zugeschraubt oder der Koch ist verliebt? Wenn versehentlich einmal zu viel Kochsalz im Topf landet, lässt sich so manche Speise noch retten. Bei Suppen, Eintöpfen, Schmorgerichten oder Soße empfiehlt die Verbraucherzentrale, eine geschälte, rohe Kartoffel, Karotten oder ein Stück Brot zehn Minuten mitzugaren. Mit etwas Glück nehmen sie das überschüssige Salz auf und können dann wieder entfernt werden. Flüssige Gerichte lassen sich auch mit Wasser, Sahne oder Milch verdünnen. Wenn es nicht zu wässrig werden soll, können es stattdessen Quark, Frischkäse, Crème fraîche oder entsprechende vegane Ersatzprodukte sein. Auch Süße oder Säure sind in der Lage, den Salzgeschmack zu neutralisieren. Dafür Zucker, Honig oder Agavendicksaft beziehungsweise Zitronensaft oder Essig vorsichtig zugeben, damit der Geschmack am Ende nicht dominiert.