Schadet der Koalitionsbruch den Apotheken? |
Mit dem Ende der Ampel-Koalition dürften auch die geplanten Reformen im Gesundheitswesen allesamt verschwinden. / © Adobe Stock/roibu
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen und damit das Ende der Ampel eingeläutet. Am 15. Januar will Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Möglicher Termin für Neuwahlen: der 9. März. Doch nun müssen erst einmal die Posten der weiteren zurückgetretenen FDP-Minister neu verteilt werden.
Scholz zeigte sich noch gestern entschlossen, die Regierungsarbeit nicht ruhen lassen zu wollen. Dazu zählt er den Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, eine schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie. »Bis zur letzten Sitzung des Bundesrates in diesem Jahr, am 20. Dezember, sollten diese Beschlüsse gefasst sein«, so Scholz. Das Problem bei allen aktuellen Vorhaben: der nicht gesicherten Haushalt für das nächste Jahr. Im Grunde verhandeln die Parteien mit ungedeckten Schecks und wechseln schon in den Wahlkampfmodus.
Der Fokus der Regierungsarbeit liegt also jetzt auf absolut prioritären Themen, die beispielsweise den Haushalt oder die Sicherheit betreffen. Fraglich ist, ob die Regierung auch noch kleinere Vorhaben durchbringt, die zwischen den Ampelkoalitionären konsentiert waren und sich auf den letzten Metern im Gesetzgebungsverfahren befinden.
Was bedeutet das für die Gesundheitspolitik und die Apotheken im Speziellen? Gesundheitsthemen zählen zu den B-Themen, sind also generell nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Und Vorhaben wie das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zählen eher nicht zu den existenziellen Themen der Ampel.
Dieses ohnehin wackelige Projekt dürfte nach dem gestrigen Tag also endgültig Geschichte sein. Zwar ist mit Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auch die öffentliche Gegnerin des Vorhabens aus dem Kabinett ausgeschieden, doch SPD und Grüne würden für das Vorhaben die Stimmen der Union im Bundestag benötigen.
Beim Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit waren die zweite und dritte Lesung im Bundestag für nächste Woche geplant, der zweite Durchgang im Bundesrat am 20. Dezember. Doch auch wenn die Fachpolitiker in den Ausschüssen weiter für ihre Themen kämpfen werden: Nach dem Rücktritt der FDP-Minister gilt als wahrscheinlich, dass im Bundestag für die FDP-Abgeordneten Fraktionszwang gilt und die Liberalen keinem Ampel-Projekt mehr zustimmen.
Bei der Reform der Notfallversorgung (NotfallG) fand gestern erst die Anhörung im Bundestag statt, das Gesetz dürfte also ebenfalls auf der Strecke bleiben – zumal das Inkrafttreten erst für Juli 2025 vorgesehen war.
Beim Gesundes-Herz-Gesetz sollte am 27. November oder 4. Dezember die Anhörung im Bundestag angehalten werden, die zweite Beratung im Bundestag hätte noch vor Weihnachten stattfinden können. Doch ob sich die zerfallende Koalition tatsächlich noch mit der Prävention befassen wird, ist mehr als fraglich. Dasselbe dürfte für das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) gelten, zumal der geplante Umbau der Gematik auch eine strategische Entscheidung ist.
Bei der ebenfalls noch laufenden Krankenhausreform waren die Widerstände aus den Ländern so groß, dass ein Abschluss kaum denkbar scheint, von Lauterbachs geplanter großen Pflegereform ganz zu schweigen.
Gestern noch vom Kabinett beschlossen wurde dagegen die Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2025, mit der die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Lohnentwicklung turnusgemäß angepasst werden. Nach Veröffentlichung könnte diese Verordnung noch in Kraft treten.
Und immerhin hat Lauterbach in diesem Jahr schon fünf Gesetze durchgebracht: Das Medizinforschungsgesetz (MFG), das Digital-Gesetz (DigiG), das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDAG), das Krankenhaustransparenzgesetz und das Cannabisgesetz.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sieht im Bruch der Ampelkoalition ein Risiko für die Apotheken und warnt vor Stillstand: »Die aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitspolitik sind riesig – insbesondere im Bereich der Arzneimittelversorgung.« So müssten die Apothekenteams die Patientinnen und Patienten täglich aufgrund der bestehenden Lieferengpässe vertrösten. Sie verwies zudem auf die ungebremst sinkenden Apothekenzahlen und forderte, das Apothekensystem endlich wirtschaftlich zu stärken. Denn während die Kosten der Apotheken seit 2013 um etwa 60 Prozent gestiegen seien, sei das Honorar nicht erhöht worden – und die Vergütung durch die Anpassung des Kassenabschlags sogar gekürzt worden.
»Klar ist, dass die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken ein schnelles, politisches Handeln erfordert«, so Overwiening weiter. Die ABDA werde die Stabilisierung der Apotheken sowohl gegenüber der noch amtierenden als auch gegenüber der neuen Bundesregierung deutlich einfordern, kündigte die ABDA-Präsidentin an.