Schadstoff-Funde oft unnötig dramatisiert |
Katja Egermeier |
13.05.2025 16:00 Uhr |
In vielen Medienberichten über Schadstoffe geht eine wichtige Information unter: die Dosis. Und häufig ist die gefundene Menge völlig unbedenklich – wie bei den festgestellten Weichmachern in Urinproben von Kindern, über die im April berichtet wurde. / © Getty Images/Aitor Diago
Auf diesem Wege hat es eine Münchner Tageszeitung mit einem Bericht über Weichmacher in Kinderurin sogar bis zur »Unstatistik des Monats April 2025« geschafft. Wie das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) berichtet, ging es konkret um ein Abbauprodukt des Weichmachers DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat), der seit 2019 in Kosmetik, Lebensmittelverpackungen und Spielzeug verboten ist, und der »trotzdem in vielen Kinderurinproben nachgewiesen worden« sei.
Das Problem? Das Blatt meldete nur die Existenz des Stoffes, nicht jedoch seine Konzentration. Erst ganz am Ende des Berichts habe gestanden, dass die Belastungen bei über 99 Prozent der 250 untersuchten Kinder »unterhalb der Schwelle für eine gesundheitliche Besorgnis« lagen. »Doch viele Leser kommen bis dahin gar nicht mehr«, so die Befürchtung des RWI.
Heutzutage könnten kleinste Mengen nachgewiesen werden. Früher lag die Grenze des Messbaren bei einem Milligramm pro Kilogramm (ppm), in den 80er-Jahren ließen sich Schadstoffkonzentrationen von 1:1 Milliarde, heute von 1:1 Trillion aufspüren. Inzwischen seien sogar einzelne Moleküle nachweisbar, so das RWI. Und solche kleinsten Mengen, die oft völlig ungefährlich sind, würden häufig für alarmierende Schlagzeilen ausgeschlachtet.
»Doch eine Substanz wird erst dann zur Gefahr, wenn ihre Dosis einen gesundheitlich kritischen Wert überschreitet«, so das RWI. Und das sei in den meisten Fällen nicht gegeben. Die Analyse eines kompletten Jahrgangs der Zeitschrift Ökotest habe zeigt, dass in mehr als der Hälfte der Berichte die entscheidende Angabe zur Dosis unterschlagen werde. Dass diese jedoch entscheidend ist, zeige sich schon daran, dass selbst reines Trinkwasser in der falschen Dosis tödlich sein könne – wenn der extreme Konsum zu einer Wasservergiftung führt zum Beispiel.
Die »Unstatistik des Monats« ist ein Projekt des RWI-Vizepräsidenten und Ökonoms Thomas Bauer, des Psychologen Gerd Gigerenzer, des Statistikers Walter Krämer und der Gründerin von STAT-UP Katharina Schüller. Es soll zu einem sachlichen und vernünftigen Umgang mit Daten und Fakten beitragen jeden Monat die Interpretation von Statistiken durch die Medien. Alle »Unstatistiken« finden sich unter www.unstatistik.de.