Schadstoffe aus Gewässern |
Häufig nur im Labor sichtbar: Auch wenn Gewässer für das menschliche Auge sauber erscheinen, können sie mit sogenannten Mikroverunreinigungen belastet sein. / Foto: Adobe Stock/hedgehog94
Nitrate und Phosphate aus der Landwirtschaft, Schwermetalle und organische Schadstoffe aus der Industrie, Rückstände von Arzneimitteln oder auch mit Schadstoffen angereicherte Mikroplastikteilchen: All diese Stoffe gelangen in unsere natürlichen Gewässer. Experten bezeichnen sie auch als Mikroverunreinigungen. Das Problem: Sie können nicht nur der Umwelt schaden, sondern auch der menschlichen Gesundheit, warnt das Umweltbundesamt in seinen »Empfehlungen zur Reduzierung von Mikroverunreinigungen in den Gewässern«.
Die Wege, auf denen solche Verunreinigungen in Grundwasser, Flüsse, Seen und Meere gelangen, sind vielfältig etwa durch Abwässer aus Kläranlagen, Abschwemmung aus Böden, Auswaschung über Niederschläge oder auch durch Versickerung. Ebenso mannigfaltig sind die Ursachen. Besonders die intensive Landwirtschaft trägt ihren Teil zur Verunreinigung des Wassers bei. So ist laut Umweltbundesamt die intensive Stickstoffdüngung (sowohl organisch als auch mineralisch) in Deutschland die weitaus größte Quelle für Nitratbelastungen des Grundwassers und für die Nährstoffüberversorgung (Eutrophierung) von Flüssen, Seen und Meeren. Beim Menschen wandelt der Körper Nitrat zu Nitrit um, welches den Sauerstofftransport beeinträchtigt und besonders für Säuglinge schädlich sein kann. Darüber hinaus bedrohen Pflanzenschutzmittel und in Düngemitteln enthaltene Schwermetalle (Cadmium, Uran) das Ökosysteme an Land und im Wasser.
Durch die industrielle Produktion wiederum gelangen Schwermetalle wie Quecksilber aus Kohlekraftwerken und Dioxine oder auch Polychlorierte Biphenyle (PCB) aus der Chemie- und Elektroindustrie ins Wasser – und über die Nahrungskette auch auf den Teller. So warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass Fische aus Flüssen, in deren Sedimenten erhöhte Dioxin- und PCB-Gehalte nachgewiesen wurden, mit eben diesen Chemikalien belastet sein können. »Im Einzelnen wurde festgestellt, dass besonders Aale in der Regel höhere Gehalte an Dioxinen und PCB aufwiesen als andere Fischarten«, heißt es in einer Stellungnahme. »Über die Hälfte (64 Prozent) aller untersuchten Proben überschritten den in der EU gültigen Höchstgehalt.« Aus diesem Grund warnt das Institut: Der Verzehr von fettreichem Fisch – wie zum Beispiel Aal – könne erheblich zur Aufnahme von Dioxinen und PCB beim Menschen beitragen und sollte daher allenfalls gelegentlich stattfinden.
Die perfluorierten Industriechemikalien Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA) sind zwar seit 2010 (PFOS) beziehungsweise 2020 (PFOA) in Europa verboten. Da sie sich aber nur schwer abbauen, sind sie in der Umwelt noch allgegenwärtig und damit auch in Gewässern und in Nahrungsmitteln nachweisbar. Studien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergaben Zusammenhänge zwischen der Höhe an PFOS und PFOA im Blut und Veränderungen des Fettstoffwechsels etwa der Erhöhung des Gesamtcholesterins im Serum. Für PFOS wird außerdem die verminderte Antikörperbildung nach bestimmten Impfungen bei Kindern kritisch gesehen. Für andere Beeinträchtigungen etwa der hormonellen Entwicklung, des Schilddrüsenstoffwechsels, der Nierenfunktion oder auch des Harnsäurespiegels sieht die EFSA dagegen keine ausreichende Evidenz.
Verstärkt wird die negative Wirkung der Mikroverunreinigungen dadurch, dass sie sich im Wasser gern an winzige Partikel binden, die dort in rapide wachsenden Mengen herumschwimmen, an sogenanntes Mikroplastik. Darunter versteht man feste und unlösliche Kunststoffteilchen die im Durchmesser kleiner als 5 Millimeter sind und die durch Reifenabrieb, Kunststoffgranulat, synthetische Textilien, Kosmetika, aber auch durch den Zerfall von Plastikartikeln in die Gewässer gelangen. »Diese winzigen Plastikteilchen ziehen Giftstoffe aus dem Wasser wie Magnete an, sodass um sie herum die Schadstoffkonzentration um ein Vielfaches höher ist als im übrigen Wasser«, berichtet Nadja Ziebarth, Leiterin des Meeresschutzbüros beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Über Plankton und Quallen, die von Fischen gefressen werden, gelangen die »Giftbällchen« auch in die Nahrungskette. Trotz all dem sei der Weg von Mikroplastik über das Wasser zum Menschen eher zu vernachlässigen: Eine Studie der University of Newcastle in Australien aus dem Jahr 2018 belege, dass die Konzentration von Mikroplastik in der Luft viel höher sein kann als im Wasser, berichtet die Meereswissenschaftlerin. »Pro Woche nimmt ein Mensch demnach über Luft, Wasser und Essen im Durchschnitt 5 Gramm Plastik auf – das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.«
Das BfR beantwortet die Frage nach einer möglichen Gefahr für Verbraucher durch die Aufnahme von Mikroplastik zurückhaltend. »Eine Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt findet nur in geringem Maße und nur bei Partikeln von wenigen Mikrometern Größe statt«, betont BfR-Sprecher Jürgen Thier-Kundke gegenüber dem PTA-Forum. »Der überwiegende Teil der Partikel wird über den Stuhl ausgeschieden. Dass sich während der Passage durch den Magen-Darm-Trakt gesundheitlich relevante Mengen an Ethylen aus den Polyethylen-Mikrokunststoffpartikeln freisetzen, ist nach derzeitigem Erkenntnisstand unwahrscheinlich.«
Zu der Frage, was zwischen der Aufnahme und dem Ausscheiden von Mikroplastikteilchen im menschlichen Organismus geschieht und welche Wechselreaktionen möglich sind, gibt es allerdings bislang keine Untersuchungen.
Um den Eintrag von Kunststoffen in Gewässer, Boden und Luft zu verringern und so auch die Entstehung von Mikroplastik zu vermeiden, rät Ziebarths Kollegin Dr. Dorothea Seeger, »auf Plastik zu verzichten, wo immer es geht – besonders auf Einwegplastik«. Glas, Metall und auch Holz bieten im Haushalt und für unterwegs oftmals gute Alternativen. »Und wenn es schon Plastik sein muss, dann am besten hochwertiges Plastik mit dem Glas-und-Gabel-Symbol. Das kennzeichnet EU-weit solches Plastik, das für Küchenutensilien geeignet ist und beispielsweise keine Schadstoffe an Lebensmittel abgibt.«
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Rückstände von Arzneimittelwirkstoffen und ihren (Zwischen-)Produkten gelangen vor allem über Ausscheidungen von Mensch und Tier in Gewässer und Böden. Bei Humanarzneimitteln geschieht das über das Abwasser und Kläranlagen. In deren Nähe würden in Gewässern immer wieder Arzneimittelrückstände nachgewiesen, erklärt Ziebarth. Diese können sich dann unter Umständen negativ auf das umliegende Tier- und Pflanzenreich auswirken. »Studien belegen zum Beispiel, dass sich das Fluchtverhalten von Fischen verzögert. Besonders starke Effekte haben Medikamente zur Behandlung von Depressionen. Bei ihnen verlieren die Fische ihr natürliches Angstverhalten und werden zu einer leichten Beute für Raubfische.«
Auch die Massentierhaltung trägt zum Problem der Arzneimittelrückstände in Gewässern bei. Denn wenn Gülle und Mist intensiv gehaltener Nutztiere ausgebracht werden, reichern sich im Oberboden Tierarzneimittelrückstände beispielweise Antibiotika wie etwa Tetracycline oder Sulfonamide an und gelangen über Regen und Versickerung ins oberflächennahe Grundwasser.
Um dem Problem von Arzneimittelrückständen entgegenzuwirken, sprechen sich Fachleute für eine flächendeckende vierte Reinigungsstufe in den Klärwerken aus, die gezielt Spurenstoffe aus dem Abwasser herausfiltert. Doch auch das pharmazeutische Personal in der Apotheke kann einen Beitrag zum Gewässerschutz leisten, indem es ihre Kundschaft lieber einmal mehr darauf hinweist: »Arzneimittelreste gehören in den Hausmüll und auf keinen Fall in die Toilette!«