Schilddrüse auf Hochtouren |
Verena Schmidt |
18.11.2024 08:30 Uhr |
Eine Struma, also eine Vergrößerung der Schilddrüse, ist eines der Leitsymptome des Morbus Basedow. / © Adobe Stock/Andriy Blokhin
Beim Morbus Basedow handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Der Körper bildet Antikörper, die sich gegen die TSH-Rezeptoren auf den Follikelzellen der Schilddrüse richten. Diese Antikörper binden an die Rezeptoren und imitieren dabei die natürliche Wirkung von TSH. Die ständige Stimulation löst einen Wachstumsreiz aus und die Schilddrüsenzellen produzieren vermehrt die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) – so entwickeln sich dann eine Struma und eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose).
Welche Ursachen hinter der Erkrankung stecken, ist nicht genau geklärt. Genetische Veränderungen spielen wohl eine Rolle, auch äußere Einflüsse wie etwa Rauchen oder Viruserkrankungen werden als Mitauslöser diskutiert. Als unbestritten gilt auch eine psychische Komponente. Dem Ausbruch der Erkrankung gehen oft einschneidende, mit Stress verbundene Lebensereignisse voraus. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.
Der Morbus Basedow betrifft nicht nur die Schilddrüse, sondern im weiteren Verlauf auch andere Organe. Bei etwa 60 Prozent der Patienten kommt es etwa zur Entwicklung einer endokrinen Orbitopathie: Die TSH-Antikörper binden auch an die Gewebezellen in den Augenhöhlen. Sie führen dort zu einer Entzündungsreaktion und schließlich zum Gewebeumbau. Das Volumen der Augenhöhle nimmt zu und die Augäpfel treten hervor. Die Betroffenen klagen häufig über ein Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl, haben Schmerzen beim Bewegen der Augen und empfinden ein Druckgefühl. Häufig ist auch das Sehen von Doppelbildern. Durch den seltenen Lidschlag trocknen die Augen zudem aus. In seltenen Fällen kann auch der Sehnerv durch die Schwellung und den Druck in der Augenhöhle geschädigt werden.
Die Symptome sind zu Beginn der Erkrankung oft dezent und unspezifisch. Das klinische Vollbild eines Morbus Basedow mit den drei Leitsymptomen Struma, Tachykardie und Exophthalmus entwickelt schließlich die Hälfte der Betroffenen. Diese Symptomkombination wird als Merseburger Trias bezeichnet, nachdem sie in Deutschland erstmals im Jahr 1840 von dem Arzt Carl von Basedow aus Merseburg beschrieben wurde.
Weitere Symptome entsprechen im Prinzip denen einer Hyperthyreose:
In schweren Fällen kann es zu einer Vergiftung mit Schilddrüsenhormonen – auch thyreotoxische Krise genannt – kommen. Es handelt sich um eine akute und lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, bei der der Patient in ein Koma fallen und schlimmstenfalls versterben kann.
Eine manifeste Hyperthyreose muss auf jeden Fall behandelt werden. In Deutschland wird meist zunächst ein konservativer Therapieversuch mit Thyreostatika gestartet, Mittel der ersten Wahl sind Thiamazol und Carbimazol. Manchmal ergibt sich relativ schnell eine Besserung, in anderen Fällen kann dies wiederum mehrere Monate dauern. Nach etwa 12 bis 18 Monaten wird eine Therapiepause unter regelmäßiger Kontrolle der Schilddrüsenwerte eingelegt. Bei etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten kommt es dann zu einer Besserung der Schilddrüsenüberfunktion, sodass sie zukünftig keine Thyreostatika mehr einnehmen müssen.
Interessant: Eine Publikation, die vor einigen Monaten im »Journal of the Endocrine Society« erschienen ist, zeigt, dass ein Morbus Basedow unter bestimmten Voraussetzungen auch ganz ohne Therapie wieder verschwinden kann. Die Forschenden aus den Niederlanden berichten dabei von elf Patienten, die nach einer großen emotionalen Belastung an Morbus Basedow erkrankten, die Behandlung mit Thyreostatika jedoch ablehnten. Dennoch normalisierten sich bei neun der Betroffenen der Hormonspiegel im Blut und die klinischen Symptome wieder, nachdem die Stresssituation beendet war. In fünf Fällen habe dieser Zustand dauerhaft angehalten, bei vier Betroffenen sei die Erkrankung nach ein bis vier Jahren zurückgekehrt. Ob es allerdings generell sinnvoll ist, bei einigen Basedow-Patienten auf eine medikamentöse Therapie zu verzichten, müssen weitere Untersuchungen zeigen.
Bei rund der Hälfte aller Patienten ist die Thyreostatika-Gabe nicht erfolgreich, es tritt nach dem Absetzen der Medikamente erneut eine Schilddrüsenüberfunktion auf. Dann sollte eine sogenannte definitive Therapie erwogen werden. Das bedeutet, dass das erkrankte Gewebe entweder durch eine Radiojodtherapie zerstört oder im Rahmen einer Operation entfernt wird. Ärzte streben heute meist eine vollständige Zerstörung beziehungsweise Entfernung der Schilddrüse an, denn das verbleibende Schilddrüsengewebe könnte später zu einem Wiederauftreten der Erkrankung führen. Nach einer totalen Thyreoidektomie müssen die Betroffenen zwar ein Leben lang Levothyroxin einnehmen; das ist im Vergleich zur dauerhaften Einnahme von Thyreostatika allerdings deutlich verträglicher und lässt sich gut steuern. Da bei vielen Patienten eine Besserung durch die medikamentöse Behandlung ausbleibt und sie dann doch definitiv behandelt werden müssen, wird etwa in Nordamerika und Asien bei Morbus Basedow die Schilddrüse meist frühzeitig entfernt.
Bei Patienten mit endokriner Orbitopathie können Tränenersatzmittel und/oder Salben, etwa mit Hyaluronsäure oder Vitamin A, Trockenheit und Fremdkörpergefühl der Augen lindern. Die Einnahme von Selen kann zudem das Fortschreiten der Erkrankung verhindern. Bei schwereren Symptomen rät die europäische Leitlinie (»Clinical Practice Guidelines for the Medical Management of Graves’ Orbitopathy«) zu Methylprednisolon-Infusionen über zwölf Wochen plus Einnahme des Immunsuppressivums Mycophenolat für sechs Monate. Alternativ ist auch eine alleinige, wöchentliche Cortisol-Hochdosistherapie über drei Monate möglich.
Schlägt die Therapie nicht an, ist auch der Einsatz von zwei Biologika möglich: Tocilizumab und Rituximab sind eigentlich zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen, die Anwendung bei der endokrinen Orbitopathie erfolgt off Label. In den USA gibt es seit 2020 zudem den Antikörper Teprotumumab, der erste Wirkstoff, der speziell zur Behandlung der endokrinen Orbitopathie indiziert ist. Für die EU gibt es derzeit noch keine Zulassung.
Korrekturmaßnahmen wie etwa spezielle Brillen mit Prismenfolien, die das Sehen von Doppelbildern korrigieren, können ebenso angezeigt sein. Bei schwerwiegenden Verläufen kann überschießendes Weichteilgewebe zudem in einer augenärztlichen Operation entfernt werden beziehungsweise die Augenhöhle mit harter Röntgenstrahlung bestrahlt werden.
Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen wie Morbus Basedow oder Hashimoto-Thyreoiditis wird oft die Einnahme von Vitamin D empfohlen. Einige Studien haben beispielsweise gezeigt, dass bei Menschen mit einer zu niedrigen Vitamin-D-Versorgung die Zahl an Antikörpern gegen ein zentrales Enzym im Schilddrüsenstoffwechsel, die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK), erhöht ist. Auch wurden in Untersuchungen bei Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion infolge einer Hashimoto-Thyreoiditis erniedrigte Vitamin-D-Werte gemessen. Es gibt jedoch keine belastbaren Anhaltspunkte, dass ein Vitamin-D-Mangel eine Hashimoto-Thyreoiditis auslöst.
Wissenschaftliche Belege, dass Vitamin D speziell bei Schilddrüsenerkrankungen positive Effekte zeigt, gibt es nicht. Allerdings: Eine entsprechende Unterversorgung mit Vitamin D durch Supplemente auszugleichen, kann generell natürlich sinnvoll sein.