Schlafprobleme im Alter – was tun |
Juliane Brüggen |
18.08.2023 11:30 Uhr |
Übermäßige Tagesschläfrigkeit ist ein Warnzeichen und behandlungsbedürftig. / Foto: Getty Images/Shannon Fagan
Schlaf beeinflusst viele Parameter, die bei älteren Menschen relevant sind, zum Beispiel Funktionalität, Kognition und Emotion. Anerkannt ist mittlerweile, dass gestörter Schlaf das Risiko für demenzielle Entwicklungen erhöht. Gleiches gelte für eine übermäßige Tagesschläfrigkeit, betonte Frohnhofen: »Schläfrigkeit zu einem Zeitpunkt, an dem man eigentlich Wachheit erwartet, ist pathologisch und muss abgeklärt werden.« Hinzu kommt, dass das Schlafen am Tage zusätzlich den Schlafdruck reduziert.
Weitgehend unbekannt ist, warum wir schlafen. Sicher ist aber, dass während des Schlafs wichtige Prozesse ablaufen. Gedächtnisinhalte werden konsolidiert, Beta-Amyloide entsorgt – es wird »aufgeräumt«. Unsere Vigilanz – also die Wachheit – ist das Ergebnis aus circadianem Rhythmus und dem vorhandenen Schlaf- und Wachdruck. »Wenn wir wach sind, steigt der Schlafdruck«, erklärte Frohnhofen. Entscheidend hierfür ist die Substanz Adenosin, die sich tagsüber anreichert und müde macht. Beim Schlafen wird sie abgebaut. Neben diesem homöostatischen Prozess läuft der circadiane Rhythmus ab – unsere »innere Uhr«. Funktionieren die komplexen, ineinandergreifenden Systeme nicht mehr richtig, kommt es zu Ein- oder Durchschlafstörungen.
Umweltbedingungen können die Regulationssysteme beeinflussen, zum Beispiel Licht: »Sonnenlicht ist der stärkste Zeitgeber, den wir kennen«, so der Mediziner. Einfluss haben außerdem physische Stimuli wie Sport, kognitive und emotionale Stimuli, zum Beispiel Stress, sowie viszerale Stimuli (Essen, »Suppenkoma«).
Mit dem Alter verändert sich der Schlaf. Man habe festgestellt, dass die Konzentration des extrazellulären Adenosins zu- und die Rezeptordichte abnehme, so Frohnhofen. Das bedeutet, dass der Schlafdruck nicht mehr so hoch ist wie bei jüngeren Menschen. Auch die Tiefschlafphasen werden weniger. Während sich die Einschlafzeit nur minimal ändert, reduziert sich einer Metaanalyse zufolge die Gesamtschlafzeit vom 40. bis zum 70. Lebensjahr etwa um eine Minute pro Jahr.
Wichtige Neurotransmitter, die für Wachheit sorgen, sind Noradrenalin, Acetylcholin und Histamin – letzteres ist laut Frohnhofen die »stärkste wachmachende Substanz im Gehirn«. H1-Antihistaminika wie Doxylamin oder Promethazin »blockieren« Histamin-Rezeptoren und reduzieren die Wirkung des Histamins. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren duale Orexin-Rezeptor-Antagonisten (DORA), die die Wirkung der wachheitsfördernden Orexin-Neuropeptide (Orexin A und Orexin B) vermindern. Ein Vertreter dieser neuen Wirkstoffgruppe ist Daridorexant. Im Gegensatz zu anderen Behandlungsoptionen reduzieren DORA aber die überaktive Wachheit und bewirken keine allgemeine Sedierung im Gehirn.
Zu den hemmenden Neurotransmittern gehört GABA (γ-Aminobuttersäure), dessen Wirkung beispielsweise Benzodiazepine verstärken.
Eine ernsthafte Schlafstörung ist laut Frohnhofen vor allem daran zu erkennen, dass die Befindlichkeit am Tag beeinträchtigt ist. »Das ist ein ganz wichtiger Parameter, um die Relevanz einer Schlafstörung zu beurteilen.« Und weiter: »Gestörten Schlaf zu erkennen und effektiv zu behandeln, davon profitieren Patienten ganz nachhaltig.«
Schlaflosigkeit (Insomnie) ist unter den Schlafstörungen die häufigste. Betroffene leiden darunter, über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten mehrmals in der Woche nicht einschlafen und/oder nicht durchschlafen zu können und/oder frühmorgendlich zu erwachen, ohne wieder einschlafen zu können. Es entsteht ein hoher Leidensdruck – der Tag ist gestört und das soziale, ausbildungs- und berufliche Leben leidet. »Alles, was davon abweicht sind insomnische Beschwerden – oft ist dann der Tag nicht gestört«, machte Frohnhofen deutlich. Diese etwas leichteren Beschwerden könne man »gelassener angehen«, die Insomnie habe hingegen Krankheitswert. Den Schweregrad einer insomnischen Störung kann man über den »Insomnia Severity Index« ermitteln.
Schlafstörungen werden nach den Diagnosekriterien ICSD-3 in sechs Gruppen unterteilt:
Mittlerweile haben Forschende fünf Subtypen der Insomnie identifiziert. »In Zukunft werden wir uns viel differenzierter mit der Insomnie auseinandersetzen müssen und differenzierter therapieren«, so Frohnhofen. Insomnie-Patienten, die innerhalb von drei bis sechs Monaten nicht auf eine Therapie ansprechen, sollten ihm zufolge ein Schlaflabor aufsuchen. Oftmals werde dann eine andere Ursache entdeckt, wie die Schlafapnoe. Bei Menschen, die nicht oder kaum lichtexponiert sind, könne auch eine chronobiologische Störung vorliegen, die sich durch Verhaltensmaßnahmen und Lichtexposition beheben lässt.
Die Therapie erfordert vor allem eines – Geduld. Basis ist immer eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT-I). Diese besteht zusammenfassend aus »Entspannungsmethoden, Psychoedukation, Methoden der Schlaf-Wach-Strukturierung wie Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion sowie kognitiven Techniken zur Reduktion nächtlichen Grübelns und zur Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen« (vgl. S3-Leitlinie »Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen« 2017, aktuell in Überarbeitung).
Eine gute Schlafhygiene sei empfehlenswert, reiche aber allein nicht aus, um eine manifeste Schlafstörung zu behandeln, so Frohnhofen. Zur Schlafhygiene zählen Maßnahmen wie
Einen Schritt weiter geht die Stimuluskontrolle, die laut Frohnhofen »sehr wirksam« ist. Diese beinhaltet unter anderem, nur bei Schläfrigkeit zu Bett zu gehen, das Bett nur zum Schlafen zu benutzen (sexuelle Aktivität ausgenommen), das Bett nach 15 bis 30 Minuten Wachliegen zu verlassen, am Morgen zu einer festen Zeit aufzustehen und tagsüber nicht zu schlafen. Erste Effekte träten allerdings erst nach zwei bis drei Wochen auf, so der Mediziner. Eine weitere Maßnahme ist die Schlafrestriktion, die für geriatrische Patienten jedoch zu belastend sein könne.
Stark wirksame Hypnotika wie Benzodiazepine sollten Patienten »nur kurzfristig und intermittierend« erhalten, betonte Frohnhofen. Ihre Einnahme ist laut Zulassung auf maximal vier Wochen beschränkt. Am besten sei es, den Zeitraum direkt mit dem Patienten abzustecken. Zu bedenken sei, dass die Langzeiteinnahme von Benzodiazepinen mit einer Übersterblichkeit und einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert ist.
Nicht ganz unkritisch bedachte er die Tatsache, dass Doxylamin und Diphenhydramin ohne Rezept erhältlich sind. Bei älteren Patienten können diese aufgrund ihrer anticholinergen Nebenwirkungen zu Problemen führen. H1-Antihistaminika sind bei Schlafstörungen nur für einen kurzfristigen Einsatz gedacht, in der Selbstmedikation sind es maximal zwei Wochen.
Pflanzliche Sedativa punkten Frohnhofen zufolge vor allem durch die von den Patienten selbst wahrgenommenen Effekte. Ihre vollständige Wirkung tritt oft erst nach Wochen regelmäßiger Einnahme ein. Studien zufolge kann auch eine akustische Stimulation (Frequenz 1 Hz) oder ein in dieser Frequenz schwingendes Bett den Schlaf verbessern. Eine einfache umzusetzende Maßnahme ist außerdem Wärme: Beim Zubettgehen sollte der Körper, vor allem die Hände und Füße, warm sein (Wannen- oder Fußbad, Socken tragen).
Laut Frohnhofen besteht die Treppe der Behandlung bei Schlafstörungen aus folgenden Stufen: