Schlechter Atem, schlechte Karten? |
Mundgeruch ist peinlich. Mit ein paar einfachen Maßnahmen kann den Betroffenen jedoch meist gut geholfen werden. / Foto: Adobe Stock/Mangostar
Niemand will ihn, doch jeder kennt ihn: Foetor ex ore oder schlicht Mundgeruch. Nach stark gewürzten Speisen, Zigaretten oder Knoblauch ist der Geruch bekanntermaßen selbstlimitierend und vergeht nach kurzer Zeit. Auch direkt nach dem Aufstehen am Morgen ist ein unangenehmer Geruch normal, denn nachts wird weniger Speichel produziert. Besteht der Geruch jedoch dauerhaft, kann er das Leben stark beeinflussen.
Ärzte sprechen dann von »Halitosis« (Latein: Halitus = Dunst, Hauch). In der Regel sind flüchtige Schwefelverbindungen, die als »volatile sulphur compounds« (VCS) bezeichnet werden, verantwortlich für den üblen Geruch. Sie entstehen bei der bakteriellen Zersetzung von schwefelhaltigen Aminosäuren wie Cystein und Methionin. Je nach Ursache variieren die geruchsbildenden Bestandteile in der Atemluft. So tritt Methylmercaptan hauptsächlich im Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen wie Parodontitis und Gingivitis auf, während Schwefelwasserstoff typischerweise in einer schlechten Mundhygiene begründet liegt. Einige Patienten leiden auch an einer Pseudohalitosis, das heißt sie glauben zwar, einen schlechten Atem zu haben, dieser ist objektiv allerdings vollkommen normal. In der Diagnostik ist die Nase des Arztes dabei obligat. Auch eine instrumentelle Messung und Differenzierung der flüchtigen Gase ist möglich und erlaubt dadurch sogar Rückschlüsse auf die Ursache. Diese lassen sich unterteilen in:
Tatsächlich fand eine Studie mit 2000 Patienten bei 76 Prozent die Ursache im Mund. Dabei entpuppte sich die Zunge als Übeltäter Nummer eins. Kein Wunder, denn die Oberfläche der Zunge bietet einen idealen Nährboden für anaerobe gramnegative Bakterien und beherbergt viel organisches Material. Insbesondere das hintere Drittel des Zungenrückens ist betroffen. In der Studie konnte in 11 Prozent der Fälle eine Gingivitis/Parodontitis für den schlechten Atem verantwortlich gemacht werden, bei sogar 18 Prozent die Kombination aus entzündlichen Prozessen plus starkem Zungenbelag. Natürlich können auch schlecht gepflegter Zahnersatz oder Zahnzwischenräume zur Brutstätte für Mikroorganismen und damit zum Verursacher von Mundgeruch werden.
Erster Schritt bei Mundgeruch ist daher immer der Gang zum Zahnarzt. Denn nur er kann entzündliche Prozesse diagnostizieren und behandeln sowie offene kariöse Stellen versorgen oder beispielsweise undichte Füllungen und Kronen ersetzen. Die fachmännische Sanierung stellt die Basis für eine gute Mundhygiene dar.
Neben einer optimierten Zahnputztechnik ist bei Mundgeruch die zusätzliche Reinigung der Zunge eine wesentliche Säule der Therapie. Mittlerweile konnten viele klinische Untersuchungen belegen, dass dadurch weniger flüchtige geruchsbildende Schwefelverbindungen entstehen, der Mundgeruch also abnimmt.
Zungenbürsten lösen Beläge. Sie sollten bei Mundgeruch Bestandteil der täglichen Mundhygiene sein. / Foto: Adobe Stock/Christoph Hähnel
Grundsätzlich dienen Borsten zum Auflockern und Herauslösen von Zungenbelägen, die dann mit einem Schaber von vorne nach hinten entfernt werden. Patienten sollten am Zungengrund beginnen und darauf achten, dass sie insbesondere das hintere Zungendrittel intensiv reinigen. Moderater Druck genügt, denn die Zunge und ihre Papillen dürfen dabei nicht verletzt werden. Bei einigen Patienten ist der Würgereiz am Morgen stärker ausgeprägt, sodass es einen Versuch wert ist, die Zungenreinigung am Abend durchzuführen.
Zungenbürste, Zungenschaber oder sogar beides? Das ist Typsache und laut einer aktuellen Studie wohl auch gar nicht so wichtig. Hauptsache die Beläge auf der Zunge werden reduziert – und das möglichst regelmäßig, also täglich. Auf dem Markt sind ergänzend spezielle Gele und Pasten für die Zungenreinigung erhältlich.
Ergänzend zur Zungenreinigung werden unterschiedliche Mundspüllösungen eingesetzt. Sie können geruchsbildende Verbindungen neutralisieren oder maskieren und/oder reduzieren chemisch die Anzahl gramnegativer Bakterien. Eine antibakterielle Wirksamkeit ist insbesondere bei begleitender Parodontitis oder Gingivitis interessant, da es auch die Entzündung bekämpft. Wirkstoffe, die nachweislich Mundgeruch reduzieren, sind Aminfluorid, Zinnfluorid, Zink, Chlorhexidin und Cetylpyridiniumchlorid. Die Kombination verschiedener Inhaltsstoffe wirkt synergistisch und ermöglicht teilweise einen langanhaltenden Effekt über mehrere Stunden.
Chlorhexidin ist wohl der bekannteste Wirkstoff und in verschiedenen Konzentrationen im Handel. Bei langfristiger Anwendung droht allerdings eine reversible Verfärbung von Zähnen und Zunge, außerdem treten vereinzelt Überempfindlichkeitsreaktionen auf. Auch die Kombination von insbesondere Zinnfluorid und Aminfluorid wirkt antibakteriell. Im Zusammenhang mit Mundgeruch haben Metallionen wie Zink oder Zinn aber einen anderen Wirkmechanismus: Die zweiwertigen Metallionen können die freien Thiolgruppen oxidieren und damit geruchsneutral ausfällen, also neutralisieren.
Beispiele aus dem apothekenüblichen Sortiment sind exemplarisch Meridol® Zahnfleischschutz und frischer Atem Mundspüllösung (Zinnfluorid, Aminfluorid, Zink), CB12® Mundspüllösung mild (Natriumfluorid, Chlorhexidin, Zink), GUM ® HaliControl Mundspülung (Cetylpyridiniumchlorid, Zink). Von einigen Marken sind auch entsprechende Lutschtabletten oder Kaugummis erhältlich. Letztere regen zusätzlich den Speichelfluss an, was sich ebenfalls positiv auf Mundgeruch auswirkt.
Setzen Mundwasser hingegen auf Menthol oder Pfefferminze, wirken diese nur maskierend und überdecken den Geruch allenfalls kurzfristig. Selbstverständlich können diese ebenso wie pflanzliche Präparate oder Mundsprays im Einzelfall ausprobiert werden. Zum Einnehmen stehen auch Dragees mit Chlorophyllin-Kupfer (Stozzon®) zur Verfügung. Der grüne Blattfarbstoff vermindert die Aktivität eiweißspaltender Enzyme und wirkt so desodorierend und geruchsneutralisierend. Er wird zu den Mahlzeiten eingenommen und ist als traditionell angewendetes Mittel zur Vorbeugung von Mund- und Körpergeruch zugelassen.
Findet der Zahnarzt keine Erklärung für den Mundgeruch, wird er den Patienten an den Hausarzt oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt verweisen. In 10 bis 15 Prozent der Fälle steckt nicht der Mund hinter dem unangenehmen Geruch, sondern etwa der Gastrointestinaltrakt oder auch eine Ursache aus dem Hals-Nasen-Ohren-Bereich oder internistischer Natur. Magenerkrankungen wie eine chronische Gastritis können beispielsweise ebenso zu einem sauer-fauligen Geruch führen wie Divertikel der Speiseröhre, eine Mandelentzündung oder ein Abszess der Tonsillen.
Auch eine »Stinknase«, die als Ozäna oder Rhinitis atrophicans cum foetore bezeichnet wird, kann mit Mundgeruch verwechselt werden. Sie wird als Nebenwirkung bei Dauergebrauch von abschwellenden Nasensprays gefürchtet, denn bei dieser atrophiert die Nasenschleimhaut, bildet sich zurück und wird zum idealen Nährboden für Bakterien. Patienten klagen über Borkenbildung sowie eine gereizte Schleimhaut. Tückisch: Die Betroffenen selbst bemerken die übelriechenden Gase nicht – ihre Mitmenschen jedoch schon.
Schließlich können auch internistische Erkrankungen von Lunge, Leber oder Niere sowie ein unbehandelter Diabetes mellitus den Atemgeruch charakteristisch verändern. Diese dürfen einerseits nicht unbehandelt übersehen werden. Andererseits darf auch der Leidensdruck von akutem Mundgeruch mit „harmloser“ Ursache nicht unterschätzt werden. Denn er stört die soziale Interaktion und kann bis zur sozialen (Selbst-)Isolation und Depression führen.