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Beim Experten nachgefragt

Schluss mit trockener Diabetiker-Haut

Diabetes ist auch Hautsache, mindestens jeder zweite Diabetiker hat eine Hauterkrankung. Mit einer angepassten Pflege lässt sich vorbeugen. PTA-Forum hat bei Dr. Joachim Kresken von der Gesellschaft für Dermopharmazie gefragt, welche Präparate geeignet sind.
Elke Wolf
14.11.2022  08:30 Uhr

Mindestens jeder zweite Diabetiker hat mit Hautproblemen als Folge seiner Erkrankung zu kämpfen. Laut Schätzungen der Deutschen Diabetischen Gesellschaft (DDG) zeigen zwischen 30 und 70 Prozent der Zuckerkranken dermatologische Symptome oder Erkrankungen. Die genauen physiologischen Zusammenhänge, wie sich eine Diabeteserkrankung auf die Haut wirkwirkt, sind vielfältig und bis dato noch nicht vollständig geklärt. 

Gut zu wissen: Diabetiker können selbst etwas für ihre Hautgesundheit tun. Das zweimal tägliche Cremen mit geeigneten Pflegepräparaten hilft dem angegriffenen Hydrolipidmantel, sich zu regenerieren und das Risiko für Infektionen und Ekzeme zu minimieren. »Zur Pflege sollte man keine stark wasserhaltigen Öl-in-Wasser Emulsionen wählen. Besser geeignet sind Wasser-in-Öl-Emulsionen oder lamellare Systeme mit Lipiden, die auch natürlicherweise in der Haut vorkommen und dem Wiederaufbau der epidermalen Barriere dienen sollen«, sagt Apotheker Kresken. Als Lipidkomponente empfiehlt er Phospholipide, Ceramide oder Ceramid-Derivate, etwa aus Jojoba-, Weizenkeim- oder Traubenkernöl, »auf keinen Fall Talgdrüsenlipide«.

Auch Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl hält er in der topischen Variante für sinnvoll. Anders sieht es mit deren systemischer Applikation aus. »Der Hype zu diesen Ölen ist vorüber. Vor mehr als zwanzig Jahren hat man die systemische Applikation dieser Öle empfohlen. Doch placebokontrollierte Doppelblindstudien sind enttäuschend geendet. Nichtsdestotrotz sind sie durchaus zur topischen Applikation als Bestandteil von Mitteln für die Pflege der trockenen Haut empfehlenswert.«

Die Wahl der richtigen Grundlage ist deshalb so wichtig, um den transepidermalen Wasserverlust im Rahmen zu halten. Dieser ist bei trockener Haut – und folglich auch bei vielen Diabetikern – erhöht und setzt der Hautbarriere zu. »Der normale transepidermale Wasserverlust liegt bei Menschen mit normaler Haut etwa bei einem halben bis dreiviertel Liter Wasser pro Tag bezogen auf die gesamte Körperoberfläche«, erklärt der Hautexperte das unbemerkte Schwitzen. »Wenn die epidermale Hautbarriere gestört ist, wenn Kälte und trockene Luft der Haut zusetzen oder bei großflächiger Anwendung einer ungeeigneten, stark wasserhaltigen Emulsion kann das schnell auf Werte bis über zwei Liter ansteigen. Das würde die Hautaustrocknung nur verstärken.«

Laut Kresken sollten die Hersteller dermokosmetischer Präparate deshalb durch Studien belegen können, dass der transepidermale Wasserverlust durch ihre Formulierung nicht gesteigert wird. Sein Rat: »Empfehlen Sie nur solche Formulierungen, zu denen die Hersteller Studien nicht nur durchgeführt, sondern auch veröffentlicht haben. Und nehmen Sie die Studie mal genauer unter die Lupe.«

Bäder nur zur Reinigung

Sind medizinische Ölbäder, die reich an Lipid-Komponenten sind, für Diabetiker eine Pflege-Option? »Ja, wenn man sie nicht zum Zwecke der Hautpflege einsetzt. Eine trockene Haut gesund baden zu können, ist eine Illusion, die sich nicht realisieren lässt. Gerade wenn die Haut schon ausgetrocknet ist, der transepidermale Wasserverlust erhöht und der Anteil an Natural Moisturizing Factor (NMF) vermindert ist, und man dann noch ein Wannenbad nimmt, dann wird der Effekt des Öles durch die Menge an Wasser, der man ausgesetzt ist, mehr als überkompensiert.«

Als sinnvoll erachtet Kresken medizinische Ölbäder zur Hautreinigung. »Das ist ein Feld in der Beratung, das häufig vernachlässigt wird. Dabei ist die Hautreinigung ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Haut vor Trockenheit zu bewahren beziehungsweise sie wieder in einen besseren Zustand zu versetzen.« Auch die Verwendung eines Duschöls ist möglich, weil Duschöle immer mindestens 50 Prozent Lipide enthalten. Bei Ölbädern und Duchölen stelle sich jedoch die Frage nach der Akzeptanz dieser Formulierungen durch den Verbraucher: »Zum einen ergibt sich durch die hohe Lipid-Konzentration ein erhöhtes Rutschrisiko. Das ist vor allem bei älteren Menschen ein Problem. Zum anderen verbleiben immer Rückstände auf der Haut – was ja der gewünschte Effekt ist -, die dann eingerieben werden müssen. Alles in allem ist das eine zeitaufwändige Prozedur, die nicht von jedem gemocht wird.«

Wasser in der Haut halten

Pflegepräparate für trockene Haut sollten neben einer geeigneten Grundlage über wasserbindende Inhaltsstoffe verfügen. Substanzen, die den NMF nachstellen wie Harnstoff, Glycerol oder Milchsäure, können die Restfeuchte an epidermalem Wasser in der Haut zurückhalten und erhöhen. Harnstoff, der auch natürlicherweise in der Haut vorkommt, kann in Konzentrationen von 5 bis 10 Prozent Wasser länger in der Haut halten und ist deshalb bei trockener Haut sinnvoll. Seine Wirkung kommt jedoch nur in fettreicheren Präparaten zum Tragen. Warum?

»Harnstoff in hydrophilen Formulierungen erzielt nur einen kurzzeitigen Effekt: eine schnelle, aber nur kurz anhaltende Hydratation und auch einen kurzzeitigen Abfall des transepidermalen Wasserverlustes. Bereits nach wenigen Minuten ist dieser Effekt jedoch vorüber. Ist Harnstoff dagegen in eine lipidreichere Formulierung eingearbeitet, die quasi nur semipermeabel ist, erzielt er zwar einen nicht so starken initialen Effekt, die Wirkung hält aber viel länger, oft über mehrere Stunden an«, erklärt der Dermopharmazie-Spezialist.

Sind lipidreichere Urea-Formulierungen etwa für die Füße ideal, gilt es, die Hydratation im Gesicht auf andere Weise zu erzielen. Gut geeignet ist laut Kresken zum Beispiel niedermolekulare Hyaluronsäure. Sie bindet schon in Konzentrationen von 0,2 bis 0,4 Prozent große Mengen Wasser in der Haut. Wichtig ist allerdings ihr Fragmentierungsgrad und damit ihr Vermögen, in die Haut zu penetrieren. »Ob auch Substanzen wie Aquaporin, Allantoin oder Mikrosilber einen Zusatznutzen bei trockener Haut haben, ist dagegen wissenschaftlich noch nicht eindeutig erwiesen.«

Für Kresken sind individuelle Wirksamkeitsnachweise sehr wichtig. »Das ist oft das Problem, dass die Industrie mitunter Daten vorlegt, die die Rohstoffhersteller mit einer Modellformulierung gemacht haben. Diese müssen nicht unbedingt mit denen für die verwendete Formulierung übereinstimmen. Deshalb ist die Basisforderung der Gesellschaft für Dermopharmazie, dass ein individueller Wirksamkeitsnachweis für die jeweilige Formulierung unverzichtbar ist. Das haben wir auch in der Leitlinie »Dermokosmetika zur Reinigung und Pflege der trockenen Haut« so formuliert. Selbst kleinste Änderungen in der Galenik können zu Wirksamkeitsunterschieden führen.«

Schaum, Creme und Co.

Braucht man für jede Körperregion eine andere Darreichungsform? »Für den Körper sollten Lotionen oder Schaumsprays bevorzugt werden, da sie sich gut verteilen lassen, rasch einziehen und bei geeigneten Formulierungen keine klebrigen Rückstände hinterlassen. Fürs Gesicht sind dagegen Cremes besser geeignet, weil sie besser haften und deshalb nicht so leicht in Auge gelangen können. Zur Fußpflege bei Diabetikern müssen die Formulierungen deutlich fester sein. Sie dürfen nicht fließen, damit sie zum Beispiel nicht in Zehenzwischenräumen zurückbleiben, wo es durch okklusive Effekte zur Verschlechterung des Hautzustandes bis hin zu Fußpilz kommen kann. Allein schon durch den hohen Harnstoff-Gehalt von 10 bis 12 Prozent lassen sich die Cremes oder Schäume deutlich schlechter verteilen als Lotionen.«

Laut Kresken gibt es keine direkten Vergleichsstudien zwischen Schäumen und Lotionen. »Schäume bieten keine nennenswerten Vorteile hinsichtlich ihres Zwecks.« Dennoch hält er »die heutigen Schäume von ihrer kosmetischen Akzeptanz her für ganz gelungen«. Er empfiehlt sie Menschen, denen das Eincremen schwerfällt, oder für behaarte Hautareale. »Manche Menschen empfinden es aber auch als Nachtteil, die Schaumberge wegzuarbeiten. Sie ziehen aber in der Regel gut weg.«

Bei Diabetikern, bei denen die äußeren Extremitäten zu trockener Haut neigen, kann ein Juckreiz ausschließlich durch die Schädigung der Hautbarriere bedingt sein. Diesen bekommt man jedoch  durch die Verwendung der geeigneten Pflegepräparate in der Regel in den Griff. Ist das nicht der Fall, sollten PTA und Apotheker hellhörig werden, da eine andere Erkrankung dahinterstecken könnte. »Juckreiz in den Zehenzwischenräumen kann etwa ein Hinweis auf eine Mykose sein, wozu Diabetiker ohnehin eher neigen. Und stecken entweder eine Neurodermitis oder Urtikaria hinter dem Juckreiz, reichen Pflegepräparate allein meist nicht aus.«

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