Schmerzen sind die Regel |
Gesamtgesellschaftlich und medial lässt sich ein verstärktes Bewusstsein von Zyklus und Periode wahrnehmen. »Auf Social Media glitzern sie gar ein bisschen«, meint Professorin Dr. Mandy Mangler aus Berlin. / Foto: Getty Images/Yulia Reznikov
»Fast alle Frauen haben in ihrem Leben schon das ein oder andere Mal Schmerzen bei der Menstruation gehabt. Manche haben diese Schmerzen regelmäßig, andere so stark, dass sie bei der Arbeit ausfallen und die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist«, sagte die Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin – Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und des Vivantes Klinikums Neukölln in Berlin bei einem Webcast des Unternehmens Sanofi. Das unterstreicht auch eine aktuelle repräsentative Umfrage im Auftrag von Sanofi. Dabei gaben 45 Prozent der 40- bis 49-Jährigen und 60 Prozent – und damit mehr als jede Zweite – der 30- bis 35-Jährigen der 1051 Befragten an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate unter Regelschmerzen gelitten zu haben. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es gar 70 Prozent.
Laut Mangler ist es nicht verwunderlich, dass es vor allem die jüngeren Frauen sind, denen die Tage rund um die Blutung Schmerzen bereiten. »Sie sind noch nicht an die retrograde Blutung gewöhnt. Es gelangt immer etwas Menstruationsblut in den Bauchraum, was zusätzliche Schmerzen verursachen kann. An sich entstehen die Krämpfe dadurch, dass jede Menstruation wie eine kleine Geburt ist. In gewisser Weise übt der Körper damit ja auch für die Geburt: Gebärmutterschleimhaut wird abgegeben – sie wird quasi geboren – und dabei entstehen kleine Kontraktionen, die über die Gebärmutter ziehen.«
An sich ist die Abstoßung zwar ein physiologischer Prozess. Doch er kann krampfartige Beschwerden verursachen, da durch die Freisetzung von Entzündungsmediatoren die glatte Muskulatur des Gastrointestinaltrakts und des Uterus stimuliert und damit verbundene Gefäße stark kontrahiert werden. „Im Menstruationsblut betroffener Frauen finden sich erhöhte Mengen an Prostaglandinen. Zudem ist das Gleichgewicht zwischen kontraktilen und relaxierenden Prostaglandinen verschoben, was in der Folge zu einer verlängerten Anspannung der Uterusmuskulatur sowie einer Unterversorgung, also Hypoxie des Gewebes und zu einem Ischämieschmerz führt“, erklärte die Gynäkologin die Vorgänge in der Gebärmutter.
»Allerdings gibt es auch krankhafte Formen von Dysmenorrhö, etwa bei Endometriose, wenn Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter in jeder Periode mitblutet. Bis zu 10 Prozent aller Frauen sind davon betroffen. Und bei Frauen mit Myomen kann es wegen der Vergrößerung der Gebärmutter durch die gutartigen Muskelknoten zu Schmerzen kommen.« Mangler rät allen Frauen, sich mit den allmonatlichen Beschwerden nicht einfach zu arrangieren. »Starke Regelschmerzen, die Zyklus für Zyklus durch krampflösende oder schmerzstillende Medikamente behandelt werden müssen oder trotz deren Einnahme noch stark das Leben beeinträchtigen, sollten mit der Frauenärztin besprochen werden.«
Neben mehr Sport, entzündungsarmer Ernährung und Wärmeanwendungen haben sich in der Selbstmedikation nicht steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Naproxen sowie Spasmolytika bewährt. »Sie schalten den Schmerz erst einmal aus, damit sich der Körper nicht daran gewöhnt.« Somit verhindere frau die Etablierung des Schmerzgedächtnis.
Als einziges Spasmolytikum steht Butylscopolamin, auch mit Paracetamol als Kombinationspartner (wie Buscopan® plus), zur Verfügung. Durch seine Hemmung der muskarinergen Acetylcholinrezeptoren werden die spastischen Kontraktionen der Uterusmuskulatur gelindert und den proinflammatorischen Vasodilatationen entgegengewirkt. »Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Butylscopolamin nach oraler Einnahme eine höhere Konzentration im Uterus erreicht als im Blutplasma, wodurch eine therapeutische Effektivität bei gleichzeitig geringer systemischer Exposition erzielt wird«, stellte Professor Dr. Thomas Herdegen, Pharmakologe aus Kiel, aktuelle Daten vor. Die lokale Wirkung begründe zum Teil auch die rasche Krampflösung nach 15 Minuten.
In der Kombination mit Paracetamol werden zusätzlich die ischämischen Schmerzen gelindert, also diejenigen, die durch Prostaglandine provoziert werden. »Diese Kombination aus Spasmolyse und multifaktorieller Schmerzreduktion ist sinnvoll. Grundsätzlich solle man Schmerzen nicht nur rein analgetisch bekämpfen, sondern wenn möglich auch die Ursachen beseitigen«, erklärte der Pharmakologe die Vorzüge des Spasmolytikums. Seit 2013 steht Butylscopolamin auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel.
Gynäkologin Mangler begrüßt es, dass sich gesamtgesellschaftlich und medial ein verstärktes Bewusstsein von Zyklus und Periode wahrnehmen lässt: etwa die Verabschiedung des Gesetzes zur tageweisen Freistellung von Frauen mit Dysmenorrhö in Spanien, Athletinnen, die ihr Training nach der Periode ausrichten, sowie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte zum 1. Januar 2024 hierzulande. »Vor allen Dingen auf Social Media ist die monatliche Blutung positiver besetzt; sie glitzert sogar ein bisschen.«
Dennoch nähmen viele Frauen regelmäßig Spasmolytika oder Analgetika, um zu funktionieren, und vertrauten sich erst nach geraumer Zeit ihrer Frauenärztin an. So werden Zyklusstörungen oder Endometriose erst relativ spät diagnostiziert. Ob Krankheiten rund um die Regel zugenommen haben, ist laut Mangler nicht klar zu beantworten. Sicher sei dagegen: »Die Evolution hat diese ständigen Blutungen nicht vorgesehen. Heutzutage durchlebt eine Frau durchschnittlich 400 Perioden. Früher war das aufgrund häufigerer Schwangerschaften, deutlich schlechterer Ernährungszustände und kürzerer Lebenserwartung viel weniger der Fall. Dieser Tatsache zollt der Körper Tribut.«