Schmerzhafter Scheidenkrampf |
Caroline Wendt |
06.08.2025 08:00 Uhr |
Patientinnen mit Vaginismus leiden nicht nur unter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, sondern oft zusätzlich unter Scham- und Schuldgefühlen. / © Getty Images/zoranm
»Schmerzen beim Sex sind doch normal« – dieser Irrglaube ist leider noch tief in vielen Köpfen verankert. Deshalb sprechen viele Frauen nicht über ihre Beschwerden, beißen die Zähne zusammen oder verzichten ganz auf vaginalen Geschlechtsverkehr. Etwa 20 Prozent der Frauen leiden unter Dyspareunie – dem medizinischen Oberbegriff für Schmerzen beim Sex. Die körperlichen Ursachen sind vielfältig: Infektionen, Endometriose, eine trockene Scheide (vor allem nach den Wechseljahren) oder Narben nach einer Geburt.
In rund fünf Prozent der Fälle ist die Ursache jedoch psychischer Natur. Die betroffenen Frauen haben Angst vor Schmerzen und verkrampfen reflexartig. Diese unbewusste Abwehrreaktion wird als Vaginismus – auch Genito-pelvine Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS) genannt – bezeichnet. Bei Berührungen im Bereich des Scheideneingangs, etwa durch einen Tampon, bei einer gynäkologischen Untersuchung oder beim Geschlechtsverkehr, verkrampft sich unwillkürlich die Beckenbodenmuskulatur. Das vordere Drittel der Vagina kann sich dabei teilweise oder vollständig verschließen, sodass ein Eindringen nur unter starken Schmerzen oder gar nicht möglich ist. Wird die Angst vor Schmerzen durch tatsächliche Schmerzen bestätigt, entsteht ein Teufelskreis.
Die Ursachen sind unterschiedlich. Im schlimmsten Fall liegt ein traumatisches Erlebnis wie sexueller Missbrauch vor. Auch schmerzhafte gynäkologische Untersuchungen oder eine traumatisch erlebte Geburt können Auslöser sein. Häufig ist die Vorstellung von Sexualität negativ geprägt – etwa durch religiöse oder gesellschaftliche Einflüsse. Viele Frauen haben Angst vor Schmerzen, sorgen sich, dass ihre Vagina »zu klein« sei, oder können schwer Nein sagen. Manche leiden seit der Jugend (primärer Vaginismus), bei anderen treten die Symptome später auf (sekundärer Vaginismus). Oft kommen Scham- und Schuldgefühle hinzu – aus Angst, den Partner zu verlieren oder keine Kinder bekommen zu können.
Patientinnen mit Vaginismus sollten versuchen, ihren Ängsten mithilfe einer Psycho- oder Sexualtherapie zu begegnen und mögliche Traumata aufzuarbeiten. Sie müssen Geschlechtsverkehr »neu lernen« und verinnerlichen, dass dieser auch ohne Schmerzen möglich ist. Die Therapie kann als Einzel- oder Paartherapie erfolgen; auch der Austausch in Gruppensitzungen kann helfen. Entscheidend für den Therapieerfolg ist, dass die Initiative zur Behandlung von der Patientin selbst ausgeht. Externer Druck – etwa vom Partner oder dem sozialen Umfeld – wirkt meist kontraproduktiv.
Entspannungsübungen und Atemtechniken können unterstützend wirken. Gezieltes Beckenbodentraining hilft dabei, die Muskulatur bewusst an- und wieder zu entspannen. Auch digitale Angebote wie die zertifizierte Gesundheitsanwendung »Hello Better Vaginismus Plus« können Betroffene begleiten.
Parallel dazu können betroffene Frauen mithilfe von Dilatatoren (zum Beispiel Vagiwell® Dilators) das behutsame Einführen üben und Ängste schrittweise abbauen. Wichtig ist, mit der kleinsten Größe der medizinischen Dehnungsstifte zu beginnen und Geduld mitzubringen. Erst wenn eine Größe beschwerdefrei eingeführt werden kann, geht Frau zur nächsten über.
In einigen Fällen – besonders, wenn die Therapie stagniert – können Mediziner eine Injektion von Botulinumtoxin in die Beckenbodenmuskulatur in Erwägung ziehen. Das Nervengift verhindert für mehrere Monate das Verkrampfen und ermöglicht positive Erfahrungen. Die Behandlung erfolgt meist unter Kurznarkose. Operative Eingriffe sind hingegen nur in Ausnahmefällen vorgesehen.